Schulz kritisiert Merkel für Zögern bei EU-Integration

Schulz will manche EU-Zuständigkeiten an Länder zurückgeben

Martin Schulz (SPD)
Martin Schulz (SPD)

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Schulz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich für ihr langes Zögern bei einer stärkeren europäischen Integration kritisiert. „Sie kennen doch Angela Merkel“, sagte Schulz dem Nachrichtenportal T-Online. Sie brauche „immer erst eine Katastrophe, bis sie etwas merkt“. Nach Fukushima sei sie die Klimakanzlerin geworden, durch die Migrationskrise habe die Integrationspolitik in Deutschland geregelt werden können.

„Jetzt ist die Coronakrise da – und plötzlich setzt sie sich für stärkere europäische Integration ein“, sagte der frühere EU-Parlamentspräsident. „Kein anderer Regierungschef der Welt käme mit dieser ewigen Verzögerungspolitik ungeschoren davon – nur Frau Merkel.“ Schulz begrüßte den Vorschlag von Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron für einen EU-Wiederaufbaufonds. Aber der Plan stamme eigentlich von den Finanzministern Bruno Le Maire und Olaf Scholz. „Merkel und Macron heimsen jetzt nur die Lorbeeren ein“, sagte Schulz. Sie werde es noch schaffen, das Ganze als ihre Erfindung zu verkaufen. „Und am Ende heißt das europäische Hilfsprogramm dann Merkel-Bond.“

Schulz will manche EU-Zuständigkeiten an Länder zurückgeben

Der SPD-Politiker Martin Schulz hat sich dafür ausgesprochen, bei einem stärkeren Zusammenwachsen der EU in der Fiskalpolitik andere Politikfelder wieder den Mitgliedstaaten zu überlassen. „Es wird nicht funktionieren, wenn wir nur vertiefen, also Brüssel immer mehr Kompetenzen bekommt“, sagte Schulz dem Nachrichtenportal weiter. Man müsse dort vertiefen, wo es nötig sei. „Eine gemeinsame Währung und 19 verschiedene Steuersysteme, Investitionsstrategien und Arbeitsmarktstrukturen – das funktioniert nicht“, sagte der frühere EU-Parlamentspräsident. „Da braucht es mehr Kompetenzen in Brüssel.“ Man müsse aber diskutieren, „was in Brüssel nicht gut aufgehoben ist, und dann den Mut haben, Zuständigkeiten auch wieder an die Länder zurückzugeben“. Als Beispiel nannte er das Umweltmanagement und die Landwirtschaftspolitik. Dort könnten die gemeinsamen Ziele auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden. Schulz plädierte dafür, dass sich Deutschland in der Phase der EU-Ratspräsidentschaft ab Juli stärker dafür einsetzt, Europa in der internationalen Politik zu verankern. Die EU müsse „begreifen, dass sie in einem Wettbewerb der politischen Systeme lebt“, sagte Schulz. Die USA seien derzeit kein berechenbarer Partner, China sei ein autoritärer Staat, Russland eine gelenkte Demokratie, die die europäische Gemeinschaft zerstören wolle. „Wir müssen stärker für unsere Werte einstehen“, forderte Schulz. Eine weitere Vertiefung der EU dürfe nicht nur ökonomischen Zwecken folgen. +++