Scholz will Strategiewechsel bei Corona-Politik

Corona: Wunsch nach vorsichtigen Öffnungen wächst im Bundestag

Olaf Scholz (SPD)
Olaf Scholz (SPD)

Angesichts der künftigen Schnelltest-Möglichkeiten hat sich Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) für einen Strategiewechsel in der deutschen Corona-Politik ausgesprochen. „Ich bestehe darauf, dass wir am Mittwoch eine Öffnungsperspektive konkret formulieren“, sagte Scholz der „Bild“ mit Blick auf das Bund-Länder-Treffen. Die Möglichkeiten von Schnelltests müssten „aktiv für eine Öffnungsstrategie“ genutzt werden. Testen sei „ein Teil des Wegs aus dem Lockdown.“

Scholz machte zudem deutlich, dass aufgrund der Testmöglichkeiten die Inzidenzwerte von 35 und 50 künftig nicht als alleiniger Maßstab für Lockerungen zu sehen sind: „Wenn sie (die Infektionszahlen) ein bisschen schwanken, ist das etwas, das wir – mit einer Teststrategie verknüpft – möglicherweise gut hinkriegen können.“ Denn: „Wir haben mit viel mehr Tests auch eine etwas größere Bandbreite. Und die wollen wir auch nutzen.“ Scholz forderte zugleich, dass man sich auch darüber verständigen müsse, ab welcher Grenze Öffnungen wieder zurückgedreht werden sollten. Denn man müsse unbedingt verhindern, „dass die Zahlen wieder explodieren.“ Nach Vorstellung des Bundesfinanzministers sollen Unternehmen die Tests für ihre Mitarbeiter organisieren und auch finanzieren. Schulen und Kitas sollten zudem intensiver testen können. Er kann sich aber auch Testzentren vorstellen, ihn denen sich Bürger gebührenfrei testen lassen können. Ob der Einzelhandel in Innenstädten eigene Testmöglichkeiten anbiete, müsse geklärt werden.

Corona: Wunsch nach vorsichtigen Öffnungen wächst im Bundestag

In den Bundestagsfraktionen wächst der Wunsch nach vorsichtigen Öffnungen in der Pandemie. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Karin Maag (CDU), sagte der „Welt“, zunächst müssten die bereits erfolgten Öffnungen von Schulen und Kitas bewertet werden. „Ich gehe davon aus, dass es in der MPK um ganz vorsichtige Öffnungen mit der Perspektive Ostern gehen wird, abhängig vom Inzidenzgeschehen und von einer Schnellteststrategie. Erleichterungen bei familiären Kontakten sollten dann oberste Priorität haben“, sagte Maag. Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Kordula Schulz-Asche, forderte, „dass endlich ein deutschlandweiter einheitlicher Stufenplan aufgestellt wird, der entsprechend des regionalen Infektionsgeschehens umgesetzt werden kann“. Es fehle ein interdisziplinärer Pandemierat, der die Maßnahmen wissenschaftlich begründe, begleite und evaluiere. Deutschland brauche „nach einem chaotischen Jahr eine umfassende demokratisch legitimierte Strategie des Weges aus der Pandemie“, so Schulz-Asche. Dazu gehöre die Beteiligung von Bundestag und Bundesrat. Zwei Dinge sind nach Auffassung des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, entscheidend: „Erstens, eine transparente und verlässliche Öffnungsstrategie, am besten in Form eines Stufenplans. Und zweitens Verbesserungen bei der Impfkampagne, also insbesondere bei Beschaffung, Verimpfung und Terminvergabe.“ Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch erwartet eine „an objektiven Kriterien ausgerichtete Strategie, einen Stufenplan nicht an Kalenderdaten orientiert, sondern an R-Wert, Intensivbettenbelegung, Inzidenzwert, Impfquote, Schnelltests, dies auf die Ebene der Landkreise und Städte heruntergebrochen.“ Es sollte vor dem Treffen „nicht wieder einen Überbietungswettbewerb, wer hat die schnellste Öffnungsstrategie oder wer ist die konsequenteste Verschärferin geben“, so Bartsch. Die drastischste Öffnungsforderung erhebt AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. „Bund und Länder müssen im Kampf gegen Corona ihre Strategie ändern und den Lockdown umgehend beenden.“ Besonders gefährdete Personengruppen müssten geschützt und gleichzeitig die Impfangebote für alle, die sich freiwillig impfen lassen wollten, massiv ausweitet werden.

Lauterbach schlägt neue Impf- und Teststrategie vor

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach schlägt kurz vor der Ministerpräsidentenkonferenz von Bund und Ländern eine neue Strategie vor. Wie der „Spiegel“ berichtet, plädiert Lauterbach dafür, die zweite Impf-Dosis erst am Ende des jeweils zugelassenen Spielraums zu verabreichen, um schneller mehr Menschen impfen zu können. „Es ist ganz klar, dass das exponentielle Wachstum insbesondere der Mutation B.1.1.7 wie im Lehrbuch abläuft“, sagte Lauterbach. Eine Verlängerung des aktuellen Shutdowns allein würde demnach wenig bringen. Bislang halten die Bundesländer etwa die Hälfte der Impfdosen zurück, um Geimpften die zweite Spritze zu garantieren. Gemeinsam mit den Forschern Dirk Brockmann (Humboldt-Universität in Berlin), Michael Meyer-Hermann (Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung) und Benjamin Maier (Universität Erfurt) hat er eine Simulationsrechnung zu Deutschland durchgeführt. „Da kann man sehen, dass diese Strategie in der dritten Welle – je nach Szenario – zwischen 8.000 und 14.000 Menschenleben retten würde“, sagte Lauterbach. Ergänzend schlägt Lauterbach ein Testprogramm vor: An Schulen und in Betrieben sollen alle Menschen mindestens einmal pro Woche einen Schnelltests machen, mithilfe von geschultem Personal. Wer ein negatives Ergebnis hat, soll anschließend mit dem Nachweis einen Tag lang in Geschäfte gehen dürfen. Dadurch könnten die Läden zeitnah öffnen, natürlich weiterhin mit Maskenpflicht – gleichzeitig verhindere man aber Ansteckungen, sagte Lauterbach. +++