Schokoküsse aus dem Vogelsberg

Eine Tradition lebt weiter – Lange Schlange für rund 6.000 Schokoküsse

Vor einer Woche feierte die Manufaktur Keil die Übernahme einer langen Tradition. Jens Schneidmüller-Hanl (50) übernimmt die Schokokuss-Herstellung von Wolfgang Keil (72). Seit 35 Jahren bereitet der gelernte Konditor Wolfgang Keil mit seinen Schokoküssen vielen Süßmäulern eine Freude. Auf vielen Festen und Märkten war er zu sehen, doch am 31. Dezember 2022 meldete er sein Gewerbe ab. Die Anfänge des Betriebs von Wolfgang Keil gehen in die 1980er Jahre zurück. War es das jetzt mit Keils Schokoküssen? Mitnichten! Am „Tag der Deutschen Einheit“ gab es die Wiedereröffnung oder besser gesagt die Wiederbelebung einer Tradition, die Jens Schneidmüller-Hanl nun übernommen hat.

Produziert werden die Schokoküsse wie je her, die gesüßte Eiweißmasse quirlt aus dem Spritzbeutel, die mit einem kurzem Druck auf die kleine runde Waffel gespritzt wird. Jens Schneidmüller-Hanl kennt die Süßigkeit schon aus seiner Kindheit. Im letzten Jahr war er auf dem „Grünberger Gallusmarkt“ und konnte keine Schokoküsse wegen der langen Schlange und der kurzen Zeit kaufen. Es habe danach erfahren, dass Wolfgang Keil zum Jahresende seinen Betrieb schließen werde. Das sollte es aber nicht gewesen sein. Jens Schneidmüller-Hanl bekam Anrufe und E-Mails mit Anfragen, ob er die Manufaktur nicht übernehmen wolle? „Zwei Wochen später haben wir alles dingfest gemacht“, so Schneidmüller-Hanl.

Danach ging die Arbeit erst richtig los. Nein, an die Produktion der Süßigkeiten war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken, der Umbau im Haus stand an, der ganze drei Monate dauerte. Anschließend kamen die Behörden und kontrollierten alles mit gutem Ergebnis. „Wolfgang, grünes Licht, wir können starten“, sagte Schneidmüller-Hanl zu Wolfgang Keil am Telefon. Damit begann für den 50-Jährigen Industriemechaniker sein zweites Standbein.

Das Backen sei für den Quereinsteiger schon immer sein Traumberuf gewesen. Den Namen „Keil“ und das Logo will Schneidmüller-Hanl als Markenzeichen beibehalten. „Jeder Schokokuss ist mit Liebe von Hand gespritzt“, sagt Schneidmüller-Hanl der die Kunst bei seinem Vorgänger abgeschaut hat. „Er hat Talent“, bestätigt Wolfgang Keil, der mit einem lachenden und weinenden Auge das Zepter an seinen Nachfolger übergibt, der die Firma mit den Rezepten der Verkaufsleiterin und allen Fahrzeugen übernommen hat.

Von der politisch korrekten Bezeichnung „Schokoküsse“ hält Schneidmüller-Hanl nicht viel, er darf aber die Süßigkeit aus weichem Schaumzucker als Hersteller nicht anders nennen. Die ersten Schokoküsse sollen um das Jahr 1800 in Dänemark hergestellt worden sein. Der Schokokuss ist mit vielerlei Schokoladensorten erhältlich und kann nach dem Überziehen mit Kokosraspeln, Krokant-Streuseln oder Mandeln bestreut werden, um nur einige Kreationen zu nennen. Wolfgang Keil hatte rund 60 verschiedene Sorten im Angebot. Am Eröffnungstag hatte Jens Schneidmüller-Hanl rund 20 verschiedene Sorten, wie beispielsweise Kirsch-, Erdbeere-, Waldmeister-, Eierlikör- und den klassischen Schokokuss im Angebot. In Deutschland werden jährlich ca. 1 Milliarde Schokoküsse verzehrt. „Von der neuen Chefin wurde ein Lavendel-Schokokuss vorgeschlagen. Das habe ich hier zum ersten Mal gemacht“, sagt Wolfgang Keil.

Hergestellt wird die Süßigkeit im eigenen Haus im extra dafür umgebauten Keller. „Die behördlichen Auflagen waren sehr groß, zum Schluss ist aber alles von den Behörden anstandslos abgenommen worden“, so Schneidmüller-Hanl. Neben der köstlichen Süßigkeit gab es am Tag der Eröffnung Bratwurst, Burger und Getränke. Rund 6.000 Schokoküsse wurden an diesem Tag unter die Kundinnen und Kunden gebracht, die eine bis zu 1.000 Meter lange Schlange bildeten. Verkaufsleiterin Heidi Bürling ist als Marktstandverkäuferin mit im Team von Jens Schneidmüller-Hanl. Seit 36 Jahren verkauft sie schon die Schokoküsse und hatte bei Wolfgang Keil angefangen. +++ kec