Schäuble: US-Geheimdienste haben „Maß und Mitte“ verloren

Berlin. Angesichts der offenbar langjährigen und intensiven Überwachung des Bundesfinanzministeriums durch den US-Geheimdienst NSA hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Zweifel am inneren Kompass der US-Spionage geäußert: „Es drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass bei den amerikanischen Diensten der eine oder andere möglicherweise Maß und Mitte ein wenig aus dem Blick verloren hat“, sagte Schäuble der „Bild“.

Der Minister erklärte zu den neuerlichen Veröffentlichungen der Whistleblower-Plattform Wikileaks: „Erst einmal muss natürlich der Sachverhalt geklärt werden“, sagte Schäuble. „Wichtige Kommunikation läuft bei uns im Finanzministerium aber ohnehin auf besonders gesicherten Kanälen. Ich halte dennoch nach wie vor die USA und ihre Geheimdienste für eines unserer geringeren Probleme. Die Dienste anderer Großmächte machen mir mehr Sorgen.“ Der Rechercheverbund von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR hatte zuvor aus Unterlagen von Wikileaks zitiert, wonach das Bundesfinanzministerium bereits während der Amtszeit des früheren Bundesfinanzministers Oskar Lafontaine (damals SPD, heute Linke) von der NSA ausgespäht wurde. Auch zahlreiche Mitglieder der Führungsebene des Hauses wurden demnach abgehört.

NSA-Affäre: Altmaier lädt US-Botschafter ins Kanzleramt

Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hat im Zuge der NSA-Affäre US-Botschafter John B. Emerson am Donnerstag zu einem umgehenden Gespräch ins Kanzleramt geladen. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Altmaier wolle von Emerson demnach Aufklärung über die abgehörten Gespräche von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Mitarbeitern des Kanzleramts durch den US-Geheimdienst NSA erhalten, über die die Plattform Wikileaks berichtet hatte, heißt es in dem Zeitungsbericht weiter. Neben dem Kanzleramt sollen weitere Bundesministerien von der NSA ausgespäht worden sein, darunter das Finanzministerium.

Kubicki: Merkel muss klares Signal an die USA senden

Der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach den neuen Enthüllungen in der NSA-Affäre aufgefordert, „ein klares Signal an Washington“ zu senden, „dass das Fass kurz vorm Überlaufen ist“. Die Freidemokraten erwarteten außerdem von der Bundesanwaltschaft, „dass sie die neuesten Enthüllungen zum Anlass nimmt, das unlängst eingestellte Ermittlungsverfahren in dieser Frage wieder aufzunehmen“, so Kubicki am Donnerstag. „Es sollten spätestens mit der Veröffentlichung von Gesprächsinhalten der Kanzlerin genügend Ermittlungsansätze vorliegen.“ Das Ausmaß der jetzt bekannt gewordenen Spionage der NSA in höchsten deutschen Regierungskreisen übertreffe die bisherigen Befürchtungen bei Weitem, erklärte Kubicki. „Die Qualität und Quantität des Schnüffelns darf deshalb auf keinen Fall unter einen großen Mantel der transatlantischen Harmonie gesteckt werden und wird definitiv Spuren in der schon arg strapazierten deutsch-amerikanischen Freundschaft hinterlassen.“ +++ fuldainfo

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