Pressemitteilung von Tegut veröffentlicht: Verstoß gegen den Pressekodex

Mangelnde Einsicht hat Tradition

„Mehr als jeder Zweite spart bei Lebensmitteln“ – unter dieser Überschrift teilte Tegut Mitte März  die Ergebnisse einer in Auftrag gegebenen Verbraucherumfrage via Pressemitteilung mit. Weil vorgeschriebene Angaben fehlten, hat der Deutsche Presserat bei mindestens drei Medien, die die Meldung des Lebensmittelhändlers übernahmen, einen Verstoß gegen den Pressekodex festgestellt – darunter die Fuldaer Zeitung. Das geht aus Schriftverkehr hervor, der fuldainfo.de zugespielt wurde.

Der Pressekodex schreibt unter Ziffer 2 „Sorgfalt“  vor, dass beim Veröffentlichen von Umfrageergebnissen die Anzahl der Befragten, der Zeitraum der Befragung und ob die Ergebnisse repräsentativ sind anzugeben ist. Diese Informationen waren in der Pressemitteilung allerdings nicht enthalten und mangels redaktioneller Sorgfalt auch nicht in den darauf aufbauenden Medienberichten. „Vor allem der Aspekt der Repräsentativität ist ein wichtiges Gütekriterium bei Umfragen, über das die Redaktion zwingend hätte informieren sollen“, schreibt der Presserat in allen drei Fällen.

Er sprach daher der Fuldaer Zeitung und dem Fachmagazin Lebensmittel Praxis eine Missbilligung aus, was die zweithöchste Sanktionsform ist. Es bestehe für die betroffenen Medien zwar keine Pflicht diese zu veröffentlichen, aber: „Als Ausdruck fairer Berichterstattung empfiehlt der Beschwerdeausschuss jedoch eine solche redaktionelle Entscheidung.“ Bei der Fuldaer Zeitung wie auch der Lebensmittel Praxis ist diesbezüglich nach heutigem Stand bei den bemängelten Online-Artikeln nichts zu lesen, auch die fehlenden Angaben wurden nicht ergänzt.

Das Fachmagazin BioWelt erhielt mit einem Hinweis die mildeste Sanktionsform, da sich die Chefredaktion nicht nur einsichtig zeigte, sondern in der darauffolgenden gedruckten Ausgabe den gemachten Fehler bekanntgab. Zudem ist der Online-Artikel mit einem entsprechenden Zusatz versehen, wobei hier ebenso die verpflichtenden Angaben zu den Umfrageergebnissen weiterhin fehlen und auch beim abgedruckten Fehlerhinweis nicht nachgereicht wurden.

Mangelndes Bewusstsein

„Weder uns, noch den Kolleginnen und Kollegen in der Agentur ist der Fehler aufgefallen“, teilt Matthias Pusch, Pressesprecher Tegut, auf Nachfrage schriftlich mit. Der Lebensmittelhändler hatte die Agentur P.U.N.K.T. PR aus Hamburg  mit der Redaktion der Pressemitteilung und dem Versand an die Medien betraut. „In der begleitenden Moderationsrunde wurden die Angaben mündlich gemacht“, schreibt Pusch. Die Umfrageergebnisse hatte der Lebensmittelhändler während eines Events in einer Münchner Filiale präsentiert, welches Medienvertreter vor Ort wie auch im Livestream verfolgen konnten.

Während Chefredaktionen und Geschäftsführungen der Fachmedien Lebensmittel Praxis und BioWelt den Fehler unumwunden zugeben und die Kritik als gerechtfertigt bezeichnen, zeigt sich die Fuldaer Zeitung weniger einsichtig. In ihrer Stellungnahme an den Presserat betont die Lokalzeitung, dass die betreffende Richtlinie des Pressekodex sehr bedeutsam für die Berichterstattung sei, genauer gesagt: „Dies erhalte erhebliche Bedeutung zum Beispiel bei politischen Umfragen, Wahlumfragen oder Umfrageergebnissen zu Produktnutzungen.“ Zu letztgenanntem zählt auch die Verbraucherumfrage im Auftrag von Tegut, die verdeutlicht, zu welchen Produkten angesichts der Inflation weniger oder vermehrt gegriffen und wo vorzugsweise eingekauft wird und dergleichen. „Die Umfrageergebnisse zeigten hierzu verschiedene Optionen auf, dürften jedoch keinen Einfluss auf das eigene Verhalten der Käufer haben“, rechtfertigt sich die Zeitung.

Die Argumentation ist unerheblich, denn der Pressekodex schreibt bei sämtlichen Veröffentlichungen von Umfrageergebnissen die gleichen Angaben vor und unterscheidet in keiner Weise beim thematischen Bezug. Zudem muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, wenn die diesbezügliche Vorschrift dermaßen bedeutsam sei, warum sie dann nicht konsequent umgesetzt wird. In dieser mangelhaften Form hätten die Informationen aus der Pressemitteilung nicht veröffentlicht werden dürfen, daran gibt es nichts zu rütteln. Da hilft auch nicht der Verweis des betreffenden Redakteurs, man habe Tegut als Absender der Information genannt. Dieser Punkt wurde gar nicht bemängelt. Kurz gesagt: Das Blatt gibt keinen Fehler zu, möchte künftig jedoch mehr Sorgfalt bei der Darstellung von Umfrageergebnissen walten lassen.

Mangelnde Einsicht hat Tradition

Die Fuldaer Zeitung bleibt damit ihrer Linie gegenüber dem Presserat treu. Dieser stellte 2021 und 2022 fünf Verstöße gegen den Pressekodex  fest, da ohne erkennbares öffentliches Interesse die Nationalität mutmaßlicher Straftäter genannt wurden. Auch in diesen Fällen bekam fuldainfo.de entsprechende Unterlagen zugespielt. In ihren damaligen und von einer Rechtsvertretung formulierten Stellungnahmen verhedderte sich die Lokalzeitung in Widersprüche. In einem Fall sei die Veröffentlichung eilig gewesen, was erforderlich gemacht habe ohne redaktionell zu prüfen die reine Darstellung der polizeilichen Pressemeldung zu nutzen. In anderen Schreiben heißt es wiederum, das Nennen von Nationalitäten erfolge stets nach sorgfältiger Rücksprache innerhalb der Redaktion. Auch in diesen Fällen von echter Einsicht kaum eine Spur. Vier Beiträge erschienen online und sind bis auf eine Ausnahme unverändert – und damit mit Verstoß – weiterhin abrufbar. Bei einer Veröffentlichung wurde die Nationalität nachträglich entfernt, nachdem der Presserat aktiv geworden war.

Die gedruckte Ausgabe vom 20. Februar 2021 handelte sich sogar die höchste Sanktionsform öffentliche Rüge  ein: Werbung von Engelbert Strauss war nicht ordnungsgemäß als solche gekennzeichnet und zudem mit redaktionellen Inhalten vermischt. Den Beschluss fasste der Presserat am 9. Juli 2021 und machte – wie es der Name erahnen lässt – die öffentliche Rüge wie vorgesehen öffentlich . Betroffene Medien sind verpflichtet, dies ebenfalls zu tun. Rund zwei Monate später, am 2. September, kam die Fuldaer Zeitung dem nach. Man war sich weiterhin offenkundig keines Fehlers bewusst – der unabhängige und sechsköpfige Beschwerdeausschuss des Presserats hatte den Verstoß einstimmig festgestellt – und suggerierte zudem der Leserschaft, man sei gar nicht verpflichtet gewesen sie darüber zu informieren: „Auch wenn sich die Redaktion nicht der Einschätzung des Presserats einverstanden sieht, so hat sie sich dennoch entschlossen, die Rüge freiwillig abzudrucken.“ +++ Jens Brehl

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