Fulda. „Das Handwerk in Nord-, Ost- und Mittelhessen bleibt im Konjunkturhoch. Trotz saisonal bedingter leichter Rückgänge bei Aufträgen und Umsätzen bleibt die Stimmung sehr gut, denn die Betriebe erwarten weiterhin große Kaufbereitschaft bei ihren Abnehmern, egal ob Privathaushalt, Staat oder Gewerbe,“ so der Präsident der Handwerkskammer Kassel, Heinrich Gringel, bei der Vorstellung der aktuellen Frühjahrsumfrage, die am vergangenen Freitag in der Bauunternehmung Ulrich GmbH in Fulda präsentiert wurde.
Bei gut gefüllten Auftragsbüchern zeigten sich 85 Prozent der befragten Handwerksbetriebe mit ihrer aktuellen Geschäftslage zufrieden, im guten Frühjahrsquartal 2016 waren es 82,3 Prozent. Die kommende, wärmere Jahreszeit, lässt den Optimismus in den Betrieben weiter ansteigen: Insgesamt 89,6 Prozent gehen für die Zukunft von guten oder zufriedenstellenden Geschäften aus (Vj.: 87,3 Prozent). Vor diesem Hintergrund wurde das hohe Niveau des Geschäftsklimas, der wichtigste Frühindikator der wirtschaftlichen Entwicklung, weiter in die Höhe getrieben und legte gegenüber dem Vorjahr unerwartet stark um 10,6 (!) Punkte auf insgesamt 129 Punkte zu. „Für ein Frühjahr ist das ein Allzeithoch, insbesondere die sehr gute Einschätzung der künftigen Geschäftslage hat uns doch erstaunt“, so Gringel weiter.
Das Baugewerbe sehr zufrieden, dass Kfz-Handwerk hinkt hinterher
Der Konjunkturmotor ist das Bau- und Ausbaugewerbe. Aber auch die Zulieferer und die Gesundheitshandwerke zeigen sich überaus zufrieden. Nach wie vor wird viel in Neu- und Ausbau von Wohnungen investiert, und auch die öffentlichen und gewerblichen Bauinvestitionen sind wieder gestiegen. Die Zulieferer profitieren von der guten Industrienachfrage. Daneben ist die Bereitschaft der Verbraucher, ihren Konsum auch für Gesundheits- bzw. Wellnessprodukte zu erhöhen, ungebrochen; die Gesundheitshandwerke danken es. Bei den Nahrungsmittelhandwerken war die Zufriedenheit weniger hoch, doch auch hier liegen die Werte weit über dem langjährigen Durchschnitt. Das private Dienstleistungsgewerbe (z.B. Friseure, Fotografen, Textilreiniger) machte im Jahresvergleich einen Sprung nach vorn, lag aber deutlich unter dem Durchschnitt des Gesamthandwerks. Trotzdem überwog die Zufriedenheit. Weniger freundliche Gesichter gab es hingegen im Kfz-Handwerk, immer noch ist ein Viertel der Betriebe mit der geschäftlichen Situation ganz und gar unzufrieden.
Umsätze jahreszeitlich bedingt nur leicht rückläufig
Im Durchschnitt verfügten die befragten Betriebe zwischen Januar und März über ein Auftragsvolumen von 7,6 Wochen, das war noch eine Woche mehr als vor Jahresfrist. Im Baugewerbe lagen die Auftragsreserven bei über zwei Monaten. Die Ordereingänge verliefen jahreszeitlich bedingt auf niedrigerem Niveau als im Vorquartal, waren aber günstiger als vor zwölf Monaten: Über alle befragten Branchen hinweg berichteten 20,8 Prozent der Betriebsinhaber von gestiegenen und 53,6 Prozent von gleichgebliebenen Auftragseingängen. Die durchschnittliche Betriebsauslastung lag im Berichtszeitraum bei guten 75,8 Prozent (Vj: 75,6 Prozent). Knapp jeder vierte Betriebsinhaber sprach sogar von Vollauslastung. Die Umsätze der Betriebe waren jahreszeitlich bedingt rückläufig, blieben aber auf weiterhin hohem Niveau: 33,9 Prozent der Umfrageteilnehmer beklagten in den ersten drei Monaten Umsatzeinbußen, bei 15,9 Prozent der Unternehmen steigerten sich die Umsatzzahlen, bei 50,2 Prozent entsprachen sie den Vorquartalswerten. Die Betriebe im nord-, ost- und mittelhessischen Handwerk haben im Berichtsquartal jahreszeitlich bedingt etwas Personal abgebaut. Insbesondere die Bauhandwerke waren von dem Beschäftigtenrückgang betroffen. Trotzdem haben 6,6 Prozent der Betriebe im Berichtszeitraum weitere Beschäftigte eingestellt, während 80,5 Prozent den Vorquartalsstand hielten. Insgesamt 12,9 Prozent mussten allerdings mit weniger Personal auskommen, aber das wird sich im kommenden Quartal wieder ändern, denn die Betriebe wollen wieder vermehrt einstellen.
Heinrich Gringel: „Ein gesundes, gutes Handwerk ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir in Deutschland auch weiterhin in gutem Wohlstand leben können.“
Bei der Vorstellung des Konjunkturberichtes am Freitag in Fulda hat man mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Situation vor Einflüssen, die von außen kommen gewarnt. So sagte der Präsident der Handwerkskammer Kassel Heinrich Gringel, dass derzeit von der USA keine verlässliche Politik gemacht werde, auch habe der Brexit auf die Konjunktur Auswirkungen sowie die hohe Jugendarbeitslosigkeit, zu letzterem Kriterium der Präsident sagte: „Wir brauchen unbedingt Jugendliche, die sich für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden, verbunden mit den Chancen, die dieses bietet.“ Den Akademisierungswahn, der zwischenzeitlich auch bei uns eingetreten wäre, sieht Gringel allerdings schon wieder rückläufig. Demnach würden sich heute über 15 Prozent der Abiturienten bewusst für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden. „Wir werden auch in Zukunft darin, in dem wir Schulabgänger dafür begeistern wollen, sich für eine Ausbildung im Handwerk zu entscheiden, für uns eine wichtige Aufgabe sehen. Ich denke da auch an die Flüchtlinge, deren Integration wir durch das Handwerk oder durch eine Ausbildung im Handwerk gezielt fördern und so einen wertvollen Beitrag für den Integrationsprozess leisten können. Das sind eben Aufgaben, die nur das Handwerk leisten kann. Dafür brauchen wir natürlich auch einen geordneten Zuzug von Flüchtlingen. Die Rahmenbedingungen hierfür, dass wir auch weiterhin so agieren können, muss die Politik schaffen. Generell aber gilt, dass wir die Tatsache, dass Auszubildende im Handwerk in jungen Jahren gutes Geld verdienen können, in das Bewusstsein von jungen Menschen bekommen; hierfür Imagekampagnen oder das bekannte Kinderlied ‚Wer will fleißige Handwerker seh´n‘, schon in jungen Jahren ein wertvoller didaktischer Ansatz sein können. Ein gesundes, gutes Handwerk ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir in Deutschland auch weiterhin in gutem Wohlstand leben können. Dass man Auslandsaufenthalte machen kann, ist nicht nur für ein Studium kennzeichnend, sondern ist auch im Beruf des Handwerks möglich; der Meister kann sogar Studieren und bekommt BAföG, das sind alles Dinge, diese es noch viel mehr in die Öffentlichkeit hinauszutragen gilt“, schloss der Präsident der Handwerkskammer Kassel Heinrich Gringel seine Ausführungen.
Hintergrund: Vierteljährlich befragt die Handwerkskammer Kassel ca. 850 repräsentativ ausgewählte Betriebe aus Nord-, Ost- und Mittelhessen zur aktuellen Konjunkturentwicklung. Dabei werden sowohl weiche Indikatoren (z. B. Geschäftslageeinschätzung) als auch harte Indikatoren (Auftragseingänge, Umsätze, Beschäftigte, Investitionen u. a.) abgefragt. Das Geschäftsklima errechnet sich aus dem Mittelwert der Umfrageergebnisse zur Geschäftslage und zu den Erwartungen. +++ pm/ja
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