Opposition verlangt umfassende Aufklärung von Kabul-Evakuierung

Achter Flug aus Kabul

Die Opposition im Bundestag fordert eine umfassende Aufklärung der Fehler-Ursachen bei der Evakuierung des Flughafens in Kabul. „Es geht jetzt nicht darum, die Schuldfrage zu klären oder ein Bauernopfer darzubringen, auch nicht den BND-Präsidenten“, sagte Stephan Thomae (FDP), Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr), der „Welt“. Die Mitglieder des Gremiums überwachen die Arbeit der Nachrichtendienste des Bundes. „Aber es sind Fehler auf vielen Ebenen gemacht worden. Offensichtlich beim BND, aber auch in Ministerien.

Wie es dazu kommen konnte und welche Konsequenzen wir daraus ziehen müssen, um es künftig besser zu machen, muss geklärt werden“, forderte der Liberale nach der Sitzung des PKGr am Donnerstag, in der der BND zu seiner Aufklärungsarbeit in Afghanistan befragt wurde. Thomae schlägt vor: „Das geeignete Instrument dafür ist ein Untersuchungsauftrag, in dessen Rahmen die Parlamentarier, die die Aufsicht über die Geheimdienste führen, im Detail informiert werden und die Erkenntnisse genau analysieren können.“ Zuvor hatten Union und SPD um eine rasche Einberufung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gerungen – wobei sich die SPD mit dem kurzfristigen Termin am Donnerstag durchsetzte. „Es war wichtig und richtig, dass sich der Innenausschuss und das Parlamentarische Kontrollgremium noch in dieser Woche getroffen haben. Offenkundig haben die Entwicklungen in Afghanistan die Bundesregierung unvorbereitet getroffen“, sagte Konstantin von Notz (Grüne), stellvertretender Vorsitzender des PKGr, der „Welt“ nach Abschluss der Sitzung. Das schwerwiegendste Problem sei der Abgleich der vorliegenden Analysen bei der Bundesregierung mit dem realen Geschehen in Afghanistan der vergangenen zwei Wochen gewesen. „Es zeigt sich deutlich, dass die Regierung nicht in der Lage war, zu erkennen, dass sich das reale Geschehen im Zeitraffer vollzog“, so von Notz. „Das wirft viele weitere Fragen auf.

Deswegen ist es zwingend, dass die Ausschüsse zeitnah wiedereinberufen werden, um den Sachverhalt und die Verantwortlichkeiten weiter aufzuklären.“ Laut „Spiegel“ hat der Bundesnachrichtendienst (BND) die Bundesregierung seit vielen Jahren vor dem Zusammenbruch des afghanischen Staates gewarnt. Es seien insbesondere immer wieder Analysen seitens des Dienstes präsentiert worden, wonach weder das Militär Afghanistans noch die Politik so aufgestellt seien, dass sie dauerhaft funktionieren könnten, zitiert das Magazin aus Sicherheitskreisen. Allerdings seien die Beamten des Geheimdienstes in den zuständigen Ministerien kaum auf Gehör gestoßen. Mehrere über die Jahre mit den Vorgängen vertraute Personen berichteten dem „Spiegel“ von „teilweise frustrierenden Momenten“. Ihre bis dahin negativste Einschätzung gaben die Beamten des Dienstes bereits im Dezember 2020 ab, als sie unter dem Schlagwort „Emirat 2.0“ die Rückkehr der Taliban an die Macht prognostizierten. Der Bundesnachrichtendienst ist im Zusammenhang mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistans Hauptstadt Kabul in die Kritik geraten. Die Beamten waren von der Geschwindigkeit des Zusammenbruchs des afghanischen Staates und dem plötzlichen Einzug der Taliban in Kabul überrascht worden – wie alle anderen westlichen Nachrichtendienste auch.

Achter Flug aus Kabul auf dem Weg – Über 1.000 Menschen ausgeflogen

Die Bundeswehr hat bei ihrem achten Evakuierungs-Flug aus Kabul 230 Personen aufgenommen und nun insgesamt über 1.000 Menschen ausgeflogen. Das teilte das Bundesverteidigungsministerium am frühen Donnerstagabend mit. Die A400M-Flieger pendeln seit Dienstag zwischen der afghanischen Hauptstadt und der usbekischen Hauptstadt Taschkent. Zuvor hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hervorgehoben, dass man eine „große moralische Verantwortung“ habe, afghanische Ortskräfte auszufliegen. Nach der Machtübernahme der Taliban am Sonntag gibt vermehrt breite Kritik an den Evakuierungsplänen der Bundesregierung, insbesondere das Auswärtige Amt und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) stehen dabei im Blickpunkt.

Seehofer: Haben „große moralische Verantwortung“ für Ortskräfte

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Aufnahme von Ortskräften der Bundeswehr in Afghanistan bekräftigt. „Es ist vollkommen unbestritten, dass die Ortskräfte und ihre Familienangehörigen nach Deutschland kommen sollen“, sagte er nach der Sondersitzung des Innenausschusses am Donnerstagnachmittag. Dafür gebe es auch eine „große moralische Verantwortung“, so der CSU-Politiker. Das betreibe man sehr stark. „Das sind übrigens keine Flüchtlinge oder Asylbewerber, sondern sie bekommen eine Zustimmung der Bundesregierung für einen Aufenthalt in Deutschland aus gesamtstaatlichen politischen Interessen“, hob der Minister hervor. Seit 2013 habe man 4.800 Ortskräfte und Angehörige nach Deutschland geholt. Bund und Länder seien einig, dass man bei der Rettung „alle Hebel in Bewegung“ setzen solle.

Reporter ohne Grenzen will UN-Notfallplan in Afghanistan

Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Afghanistan fordert Reporter ohne Grenzen (RoG) den UN-Sicherheitsrat dazu auf, einen Notfallplan zum Schutz von Journalisten zu erarbeiten. „Nur mit einer konzertierten Reaktion der Regierungen können Afghanistans Medienschaffende aus ihrer verzweifelten Lage gerettet werden“, heißt es in einer Stellungnahme der Organisation vom Donnerstag. Der Notfallplan solle unter anderem Garantien für die Sicherheit und den Schutz von afghanischen Journalisten und Medien beinhalten. Auch die Erlangung von Visa zur Ausreise sollte vereinfacht werden, heißt es in der Stellungnahme. Rund 100 Medien haben nach Angaben von RoG in den vergangenen Wochen in Afghanistan ihre Arbeit eingestellt. Hunderte Journalisten seien untergetaucht oder versuchten, aus dem Land zu fliehen. In von den Taliban kontrollierten Gebieten arbeitende Medien, die noch nicht schließen mussten, sendeten nur noch religiöse und von der Extremistengruppe  vorgegebene Inhalte, so die Organisation. +++

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