Ökonomen warnen vor Wirtschaftseinbruch wegen US-Zöllen

DIW-Präsident empfiehlt der EU "einen kühlen Kopf" zu behalten

Mehrere Ökonomen rechnen mit gravierenden Folgen der US-Zölle auf die deutsche Wirtschaft. "Die Maßnahmen betreffen riesige Handelsströme", sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Dies wird die Weltwirtschaft massiv treffen - vor allem die USA. Aber auch in Europa dürfte die Wirtschaftsleistung einbrechen, besonders in Deutschland, wo der Maschinenbau und die Automobilindustrie stark betroffen sind." Es sei zu erwarten, dass die Produktion stärker in die USA verlagert werde, um sich gegen derartige Maßnahmen abzusichern.

In den USA seien "deutliche inflationäre Effekte" zu erwarten, prognostizierte das Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft. Dagegen dürfte das Preisniveau in Europa, darauf deuteten erste Evaluationen hin, "eher sinken". Grimm appellierte an die EU, ihre Handelsbeziehungen mit Staaten in aller Welt weiter zu liberalisieren und zugleich den USA Verhandlungen anzubieten. "Man hat umfangreiche Gegenmaßnahmen vorbereitet. Einerseits Zölle, andererseits könnten aber auch die US-amerikanischen Tech-Konzerne in der EU stärker besteuert und von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden", sagte sie. Es müsse klar sein, dass die EU reagiere, wenn die USA nicht zurückruderten.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) befürchtet unterdessen angesichts der neuen US-Zölle sinkende Exporte und einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte. "Das ist erst einmal kein riesiger Effekt, aber trifft eine schwache deutsche Wirtschaft in eh schon schwierigen Zeiten und könnte sie erneut in die Rezession treiben", sagte der DIW-Präsident, Marcel Fratzscher, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Seine größte Sorge sei jedoch die enorme Unsicherheit. "Unternehmen wissen nicht mehr, worauf sie sich in der Weltwirtschaft einstellen müssen. Das ist Gift für die Wirtschaft und wird die Investitionen langfristig schwächen." Fratzscher erwartet selbst bei ähnlichen Gegenzöllen in Europa "keinen starken Anstieg der Preise bei uns". In den USA dagegen könnten die Preise um mehr als fünf Prozent steigen und vor allem Menschen mit wenig Einkommen könnten empfindliche Einbußen ihres Lebensstandards erfahren.

Der DIW-Präsident empfiehlt der Europäischen Union (EU) "einen kühlen Kopf" zu behalten und mit ähnlich hohen Zöllen zu antworten. Dies sollte sie "koordiniert mit anderen Volkswirtschaften tun, um Donald Trump möglichst viel politischen Schaden zuzufügen". Für die EU sei dies eine "große Chance, nun endlich auch andere Fehler zu korrigieren und vor allem gegen einige US-Digitalkonzerne vorzugehen, die europäisches Recht seit vielen Jahren missbrauchen und zudem die größten Unterstützer Donald Trumps sind".

Auch der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sieht in den Zollankündigungen von Donald Trump gegen die EU schwerwiegende Konsequenzen für Deutschland. "Der Schaden wird immens sein", sagte Hardt den Sendern RTL und ntv. Wie hoch der Schaden sein wird, sei schwer einzuschätzen. "Ich kann überschlägig nur sagen, es wird mit Sicherheit ein zweistelliger Milliardenbetrag sein, den unser Wirtschaftswachstum in Deutschland und Europa unter diesen Maßnahmen leidet."

Aber die USA würden am härtesten getroffen, so Hardt. "Was Donald Trump heute Nacht verkündet hat, ist ein Rückführen der Weltwirtschaft in die handelspolitische Steinzeit." Das habe Amerika 1890 schon einmal gemacht. "Die Folge waren jahrelange Rezession in Amerika, Inflation. Das, was er jetzt entschieden hat, wird Amerika noch härter treffen als alle anderen Staaten, aber leider eben auch uns in Europa." +++

Kommentar dazu: Protektionismus: Ein Eigentor für die USA?
Die Ankündigung protektionistischer Maßnahmen durch die USA könnte weitreichende Konsequenzen haben – für die Weltwirtschaft, aber vor allem für die USA selbst. Während kurzfristig der heimische Markt geschützt werden soll, zeigen historische Beispiele, dass sich Protektionismus oft als Bumerang erweist.

Die USA riskieren, ihre Rolle als zentraler Wirtschaftsakteur zu schwächen. Andere Länder könnten sich stärker untereinander vernetzen, eigene Handelsabkommen schließen und neue Märkte erschließen. Der globale Handel würde sich neu strukturieren – möglicherweise mit langfristigen Nachteilen für die USA. Besonders problematisch ist die drohende Schwächung des US-Dollars als Leitwährung, wenn vermehrt in Euro oder Yuan gehandelt wird.

Unternehmen könnten sich zudem nach alternativen Produktionsstandorten umsehen. Länder mit attraktiven wirtschaftlichen Bedingungen – etwa Indien oder Vietnam – könnten davon profitieren. Auch technologisch könnten andere Regionen aufholen, wenn die USA Innovationen durch Exportbeschränkungen selbst einschränken.

Für die amerikanischen Verbraucher dürften höhere Preise eine spürbare Folge sein. Steigende Importzölle würden Waren verteuern und die Inflation antreiben. Gleichzeitig könnten US-Unternehmen, die auf internationale Lieferketten angewiesen sind, durch höhere Produktionskosten unter Druck geraten.

Letztlich stehen die USA vor einem wirtschaftlichen Dilemma: Während sie versuchen, den eigenen Markt zu schützen, könnten sie sich global isolieren und wirtschaftlich an Bedeutung verlieren. Die Weltwirtschaft wird sich anpassen – ob mit oder ohne die USA. +++ norbert hettler


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