Mobbing im Schulwesen: Zwischen Tätern, Ohnmacht und fehlendem Rechtsschutz

Mobbing darf nicht folgenlos bleiben

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum 50-jährigen Bestehen der Eduard-Stieler-Schule sprach der Jurist und Mobbing-Experte Dr. Sebastian Hartmann zum Thema „Mobbing im Schulwesen – zwischen Aggressor und rechtlicher Ohnmacht“. Hartmann, spezialisiert auf Mobbing im öffentlichen Dienst, machte deutlich, dass insbesondere im Beamtenapparat strukturelle Bedingungen sowohl Täter als auch Opfer schützen oder isolieren können. Eine von ihm durchgeführte Studie mit 2.300 Teilnehmenden zeigte, dass fast ein Drittel der Mobbingopfer über drei Jahre hinweg belästigt wurde – nicht selten ohne dienstrechtliche Konsequenzen für die Täter.

36 Prozent Mobbingquote im Schulbereich

Im Schulwesen liege die Mobbingquote laut Hartmann bei rund 36 Prozent – eine alarmierende Zahl. Besonders gravierend: Über 80 Prozent der Täter fürchten keine Konsequenzen. Die Bandbreite der Übergriffe reicht von Kommunikationsverweigerung bis hin zur systematischen Ausgrenzung. Ein Extrembeispiel stellt das sogenannte „Sterbezimmer“ dar: Führungskräfte werden von ihren Aufgaben entbunden und in sinnentleerte Tätigkeiten abgeschoben – mit fatalen Folgen für Motivation und Selbstwertgefühl.

Cybermobbing unter Schüler und Schülerinnen: Zwei Millionen Opfer

Auch bei Schüler und Schülerinnen ist das Problem akut. Eine Studie aus 2024 zum Cybermobbing zeigt, dass über zwei Millionen Kinder und Jugendliche betroffen sind – mehr als ein Viertel davon entwickelt Suizidgedanken. Strafrechtlich wird das Phänomen selten geahndet, da es an klaren rechtlichen Grundlagen und an belastbarer Dokumentation fehlt. Hartmann empfiehlt daher das Führen eines Mobbingtagebuchs, um spätere juristische Schritte abzusichern.

Juristische Lücken und pädagogische Verantwortung

Im juristischen Bereich fehlen spezifische Mobbinggesetze – anders als etwa in Frankreich oder Österreich. In Deutschland stützt man sich auf allgemeine Persönlichkeitsrechte oder das Arbeitsrecht. Gerade im Schulalltag führe das zu einer „rechtlichen Ohnmacht“, da viele Täter nicht strafmündig seien. Umso mehr komme es auf präventive Maßnahmen, klare Interventionsstrategien und die pädagogische Verantwortung an. Schulen müssten sensibilisieren, dokumentieren und handeln – nicht zuletzt im Sinne des Opferschutzes.

Mobbing darf nicht folgenlos bleiben

Hartmann betonte, dass häufig nicht die Täter, sondern die Opfer Konsequenzen tragen – etwa durch Schulwechsel oder Versetzungen. Dabei sei ein kultureller Wandel nötig: Mobbing müsse gesellschaftlich geächtet, Täter zur Verantwortung gezogen und wirtschaftliche Schäden durch Produktivitätsausfälle (geschätzt bis zu 50 Milliarden Euro jährlich) vermieden werden.

Dank und Ausblick

Schulleiterin Isabel Herbert dankte Dr. Hartmann für seine klaren Worte und forderte, dass Schulen die im hessischen Schulrecht verankerten Maßnahmen konsequent anwenden. Abschließend verwies sie auf die nächste Veranstaltung am 27. Mai 2025 mit der Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, Edda Schönherz, unter dem Motto: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf!“ +++


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