Merz hört mit – Ausgebremst!

Gerhard Merz

Fulda/ Gießen. Vielleicht hat es mit der neuerdings vielerorts und in allen möglichen Zusammenhängen geforderten „Entschleunigung“ zu tun, dass das „Ausbremsen“ mittlerweile zu einem der am häufigsten ausgeführten Manöver geworden ist. Das ist umso bemerkenswerter, als ganz offensichtlich mit dem Ausbremsen beachtliche Schwierigkeiten und Risiken verbunden sind, deren nicht geringste darin besteht, dass niemand genau zu wissen scheint, worin genau das Manöver denn besteht.

Im Motorsport, einem eher für Beschleunigungsvorgänge bekannten und auch sonst sich den Gesetzen der Logik und Rationalität weitgehend entziehenden Bereich menschlicher Tätigkeit, bezeichnet man mit „Ausbremsen“ ein Manöver, „bei dem ein Fahrer auf der Rennstrecke versucht, Konkurrenten eingangs einer Kurve oder Biegung während des Bremsvorganges zu überholen.“ (Quelle: wikipedia)

In welcher Kurve welchen Rennens sich nun aber der Vorgang abspielt, der mit der Schlagzeile „Republikaner wollen Obama ausbremsen“ (dlf, 16.Januar 2015) beschrieben wird, bleibt dunkel. Offensichtlich sind es nicht die „500 Meilen von Indianapolis“, denn: „Die Republikaner versuchen mit ihrer Mehrheit im US-Kongress die Gesetze von Präsident Barack Obama zu torpedieren.“ Es ist also zweifellos eine Washingtoner Kurve und der Ausbremsvorgang wird noch durch ein Torpedier-Manöver verkompliziert. Hut ab also vor den US-Republikanern, deren Wappentier bekanntlich der Elefant ist, ein für sein Fahrgeschick ja geradezu legendäres Tier: Den Fuß auf der Bremse und die Hand am Torpedo „verabschiedeten sie den Haushalt des Heimatschutzministeriums, stellten aber gleichzeitig Forderungen, die unter anderem die Legalisierung von illegalen Einwanderern verhindern sollen.“

Dies alles bleibt ebenso rätselhaft wie so vieles andere in der US-amerikanischen Politik. Aber auch hierzulande wirft das „Ausbremsen“ politische Fragen auf, wie z.B. die, was genau geschieht, „wenn ein Frauenquötchen die fast 100-prozentige Männerquote ausbremsen soll.“ (Wirtschaftswoche, 26. November 2014. Sorge bereitet andererseits bisweilen auch das Nicht-Ausbremsen: „Doch den Zeitgeist der übertriebenen Political Correctness kann das (nämlich das derzeitige Gerede über Presse-und Meinungsfreiheit, GM) noch lange nicht ausbremsen.“ (Badische Zeitung 18. Januar 2015). Meist aber ist der Bremsvorgang als solcher unerwünscht: „Sonntagsöffnung in Dresden: FDP will Stadtrat mit Bürgerentscheid ausbremsen“ (Dresdner Neueste Nachrichten, 15. Januar 2015), „Bundesrat bremst Ökostromreform aus.“ (Schlagzeile FAZ, 13.Mai 2014) oder auch: „Da hat man eine Windkraftanlage ausgebremst.“ (H. Kasseckert, MdL-CDU, Landtags-Plenum, 22. Mai 2014). In letzterem Fall muss bis auf weiteres allerdings offen bleiben, ob es sich um einen erwünschten oder unerwünschten Ausbrems-Vorgang handelt, denn die Position der hessischen CDU in dieser Frage schwankt zwischen Be- und Entschleunigung.

Auch die Welt des Sports außerhalb der donnernden Motoren der Grand-Prixs ist von der Ausbremseritis (für dieses Wort beanspruche ich hinfort Urheberrechte, GM) befallen, z.B. der Frauenhandball: „Eine aggressive Deckung soll die körperlich überlegenen Gäste ausbremsen und ein strukturiertes Angriffsspiel den Aldekerker Abwehrbeton knacken. (RP online, 16.Januar 2015). Da könnten sich die Handballerinnen vielleicht einen von den republikanischen Torpedos leihen.

Am heimischsten ist die Aus-Bremse aber natürlich nach wie vor in der großen weiten Welt des Automobils und des Autofahrens: „Batterien in Elektroautos: Wie miese Akkus Elektroautos ausbremsen“ (Wirtschaftswoche, 18. Januar 2015), „Neues Blitzer-Fahrzeug soll in Zukunft Raser ausbremsen“ (Hamburger Abendblatt, 13. Januar 2015), „Zusätzlich will die Stadt die Autos vor dem Hauptbahnhof ausbremsen“ (BILD, 13. Januar 2015) und natürlich „Bund bremst Umgehungsstraße aus“ (Überschrift in der FR vom 19. Juli 2006) bringen uns wieder zu den Ursprüngen zurück.

Aber nicht überall wird entschleunigt und ausgebremst: Das „Hamburger Privatradio-Multiplex“ startet am 01. April (!) 2015 mit dem löblichen Vorsatz: „Da wo viele große Radio Sender die deutschsprachige Musik ausbremsen, geben wir Vollgas!“ (radioWoche, 15. Januar2015) Hoffentlich ist die Umgehungsstraße frei! +++ fuldainfo | gerhard merz