Merkel: Heutiger Tag ist Einschnitt für Europa

Steinmeier: Deutschland und Frankreich jetzt in der Verantwortung

Angela Merkel (CDU)
Angela Merkel (CDU)

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den heutigen Tag nach dem „Brexit“-Referendum als einen „Einschnitt für Europa“ bezeichnet. Die Zukunft der Europäischen Union hänge nun davon ab, ob die restlichen Mitgliedsländer willens und fähig seien, besonnen und überlegt zu handeln und keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen. Gleichzeitig erinnerte sie daran, dass die europäische Einigung in erster Linie als Friedensprojekt gestartet sei. Bezogen auf den nun beginnenden Auflösungsprozess schlug die Kanzlerin aber auch ungewohnte Töne an: Die Bundesregierung werde bei den Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens ein Augenmerk auf die Interessen der deutschen Bürger und der deutschen Wirtschaft legen, betonte Merkel.

Steinmeier: Deutschland und Frankreich jetzt in der Verantwortung

Deutschland und Frankreich sollen nach Ansicht von Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach dem Brexit nun gemeinsame Vorschläge zu einer Weiterentwicklung der Europäischen Union unterbreiten. Ziel müsse es sein, dass sich eine Entwicklung wie in Großbritannien nicht in anderen Staaten der EU wiederhole. „Europa braucht jetzt Orientierung. Da stehen Frankreich und Deutschland besonders in der Verantwortung“, so Steinmeier in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (F.A.S.). Der Brexit sei ein tiefer Einschnitt und eine folgenschwere Entscheidung für alle in Europa. „Doch Ratlosigkeit und Sillstand können wir uns nicht leisten“, sagte der SPD-Politiker. Die EU könne jetzt aber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. „Weder der simple Ruf nach `Mehr Europa` noch eine bloße Reflexionsphase sind die richtige Antwort“, so der Außenminister. Steinmeier und der französische Außenamtschef Jean-Marc Ayrault werden deshalb am Samstag bei einem Treffen der Außenminister der sechs Gründungsstaaten der EU in Berlin ein gemeinsames Papier beider Länder vorlegen, das die Ministerien in Berlin und Paris erarbeitet haben. Darin beschreiben sich Deutschland und Frankreich als Schicksalsgemeinschaft, die europäische Lösungen in der Flüchtlings- und Asylpolitik, bei Wachstum und Beschäftigung sowie auf den Feldern der äußeren und inneren Sicherheit voranbringen wollen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Zugleich erkennen sie an, dass manche EU-Staaten den Weg einer immer engeren Union nicht in allen Schritten mitgehen wollen. Deshalb sei eine „flexible Union“ vorstellbar, die Raum lasse für diejenigen EU-Partner, die weitere Integrationsschritte noch nicht mitgehen wollten oder könnten. „Deutschland und Frankreich nehmen mit Bedauern zur Kenntnis, dass das britische Volk für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gestimmt hat“, zitiert die F.A.S. aus dem Papier. Angesichts des Brexits sei es die gemeinsame Pflicht von Frankreich und Deutschland, daran zu arbeiten, dass eine ähnliche Entwicklung „sich nicht andernorts in Europa wiederholt“.

Tony Blair: „Ein trauriger Tag für Großbritannien“

Der frühere britische Premierminister Tony Blair hat mit Bestürzung auf die Entscheidung der britischen Wähler für einen Austritt aus der EU reagiert. „Das ist ein trauriger Tag für Großbritannien. Das ist ein trauriger Tag für Europa“, sagte der Labour-Politiker kurz nach Bekanntwerden des Ergebnisses der „Welt“. Er fürchte jetzt nicht nur um das Wohl seines Landes, sondern auch um dessen internationale Stellung: „Ich kann nicht sehen, wie der Austritt aus der EU keine widrigen Folgen für uns haben wird. Wir werden hart arbeiten müssen, um unseren Einfluss in der Welt wiederzugewinnen“, sagte Blair, der Großbritannien von 1997 bis 2007 regiert hatte. Blair ist nach eigenem Bekunden immer der Überzeugung gewesen, „dass die EU die richtige Idee für das 21. Jahrhundert ist“. Der ehemalige Premier drückte auch Mitgefühl mit seinem Amtsnachfolger aus: „Mir tut David Cameron persönlich Leid. Das ist sehr hart für ihn.“ Kurz vor dem Interview war die Nachricht von Camerons Rücktritt bekannt geworden. Cameron hatte sich für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union ausgesprochen. In der Abstimmung am Donnerstag hatten sich 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU entschieden. +++ fuldainfo

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