
Unter den 120 SPD-Abgeordneten im neuen Bundestag gibt es mindestens acht, die ein Problem damit haben, CDU-Chef Friedrich Merz zum Bundeskanzler zu wählen. Das ergab eine Umfrage der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ unter allen Mitgliedern der neuen SPD-Fraktion.
Eine Große Koalition hätte nur eine knappe Mehrheit von zwölf Stimmen. Vier Abgeordnete, nämlich Jan Dieren, Annika Klose, Angelika Glöckner und Rasha Nasr sagen, dass sie, Stand jetzt, nicht für Merz stimmen würden, und das auch nicht in Zukunft tun würden, wenn sich das Verhältnis nicht bessert. Vier weitere Abgeordnete, nämlich Bettina Hagedorn, Sebastian Roloff, Daniela Rump und Ralf Stegner, äußern grundsätzliche Bedenken gegen einen Kanzler Merz.
Der SPD-Abgeordnete Roloff kennt weitere: „Ich weiß von deutlich mehr als drei Händen voll – womit die Mehrheit ja schon wackeln würde -, die sich mit einer schwarz-roten Koalition sehr schwertun.“ Andere weisen darauf hin, dass es bei der Wahl von Lars Klingbeil zum Fraktionsvorsitzenden 13 Nein-Stimmen, drei Enthaltungen und zwei Abgeordnete gab, die ihre Stimmzettel ungültig gemacht hatten. Das wird in der Fraktion so interpretiert, dass 18 Mitglieder dem neuen Vorsitzenden nicht folgen – was die Fraktionsdisziplin bei der Kanzlerwahl verringert.
Roloff sagte der FAS: „Ich muss Friedrich Merz meine Stimme nicht geben, wenn er zum Bundeskanzler gewählt werden sollte. Ich bin nur meinem Gewissen verpflichtet.“ Die Abgeordnete Klose sagte: „Wie soll ich meine Hand für Friedrich Merz heben? Die politischen Gräben sind sehr tief. Das ist nicht mehr die Merkel-CDU. Merz und Linnemann sind sehr weit rechts, sehr konservativ, sehr neoliberal.“
Die Abstimmung im Bundestag mit der AfD, die Kleine Anfrage zu staatlich geförderten Organisationen, der Tonfall im Wahlkampf lässt die Abgeordneten an Merz zweifeln. Dieren sagte: „Wer weiß, ob er nicht noch mal auf diese erpresserische Taktik zurückfällt: ‚Entweder ihr macht das jetzt mit oder ich kriege meinen Willen anders.` Ich vertraue ihm da nicht.“ Die Abgeordnete Klose sagte: „Wenn man mit denen einen Koalitionsvertrag aushandelt, wie viel ist der ein paar Wochen später noch wert?“ +++
Meiner Ansicht nach hat Merz ähnliche Züge wie Trump: narzisstisch und selbstverliebt. Ihm fehlt es an dem Einfühlungsvermögen und der sozialen Intelligenz, mit der es Angela Merkel spielend gelang, ihre Groko über so viele Jahre erfolgreich zu führen. Im Schlimmsten Fall wird Merz die SPD erpressen: entweder ihr koalliert mit mir oder ich suche mir andere Mehrheiten. Das wäre dann der Anfang von dem was ich schon Ende 2023 geahnt habe: der Beginn einer schwarz-blauen Koalition aus CDU, CSU und der AFD mit Merz als „Reichskanzler“! Wäre für Deutschland eine Katastrophe. Hoffentlich ändert sich Merz und besinnt sich auf die wichtigsten Eigenschaften eines guten Kanzlers: den Kompromiss zu suchen und zu finden. Die Raute von Angela Merkel muss er aber noch üben. ;-)
Klare Kante gefragt – auch ohne Kanzleramt
Dass einige SPD-Abgeordnete Friedrich Merz nicht zum Kanzler wählen wollen, überrascht kaum. Die Art und Weise, wie die CDU agiert, hinterlässt bei vielen offene Fragen. Doch unabhängig von parteipolitischen Spielchen geht es jetzt um weit mehr als innerdeutsche Machtkämpfe – es geht um Deutschlands und Europas Rolle in der Welt.
Gerade in der aktuellen geopolitischen Lage muss die CDU klare Positionen beziehen, insbesondere gegenüber Donald Trump. Während Merz auf eine schnelle Regierungsbildung mit der SPD drängt, bleibt eine entschiedene Haltung gegenüber dem Ex-US-Präsidenten aus. Dabei wäre genau das jetzt notwendig: Europa muss selbstbewusst auftreten und Trump unmissverständlich signalisieren, dass er uns ebenso braucht wie wir ihn – wenn nicht sogar weniger.
Friedrich Merz muss beweisen, dass er führen kann – auch ohne Kanzleramt. Diplomatische Zurückhaltung wird nicht ausreichen. Deutschland und Europa brauchen eine starke Stimme. Jetzt ist die Zeit, sie zu erheben.