Lambsdorff: Ausweg könnten Neuwahlen sein

Gerne wird in Deutschland über Bürokraten in Brüssel geschimpft

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Berlin. FDP-Fraktionsvize Alexander Lambsdorff hält Neuwahlen für eine Option, sollten die GroKo-Gespräche scheitern. „Wenn sich nun auch Union und SPD nicht einigen, wird es Aufgabe des Bundespräsidenten sein, gemeinsam mit den Parteivorsitzenden nach einem Ausweg zu suchen. Dieser Ausweg könnten Neuwahlen sein“, sagte Lambsdorff der Heilbronner Stimme. „Das wäre zwar nicht schön, aber auch keine Krise unserer Verfassung.“ Deutschland sei „im Übrigen ein funktionierendes Land mit einem starken Grundgesetz und stabilen Strukturen“, so Lambsdorff.

Auch die Bildung einer Minderheitsregierung ist für ihn nicht vom Tisch. „Ich schließe auch die Bildung einer Minderheitsregierung nicht aus.“ Die Bildung einer Jamaika-Koalition möchte Lambsdorff nicht für alle Zeiten ausschließen. „Der Zeitpunkt für eine solche Konstellation ist im Moment auf Bundesebene noch nicht gekommen. Auf kommunaler Ebene oder in Bundesländern wie jetzt in Schleswig-Holstein werden Jamaika-Bündnisse bereits praktiziert, deshalb wäre es falsch, Jamaika für alle Zeiten im Bund ausschließen zu wollen“, so der FDP-Politiker. „In dieser Legislaturperiode gibt es jedoch keine Chance, Jamaika ist ein Projekt für die Zukunft.“ Zur Enttäuschung, die in einigen Wirtschaftsverbänden über die Nichtregierungsbeteiligung der FDP zu spüren sei, sagte Lambsdorff: „Sicher sind manche Verbände enttäuscht, aber vielleicht heilt das auch manchen von der Vorstellung, die FDP in Berlin sei verbandshörig. Dem ist eben nicht so.“ Über das Scheitern von Jamaika sagte er: „Die wichtigste Erkenntnis war, dass es inhaltlich nicht gepasst hat. Deswegen wäre Wehmut auch fehl am Platz. Alle, die behaupten, Jamaika habe kurz vor einer Einigung gestanden, irren“, sagte Lambsdorff. „Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass es klappen möge. Und ich habe auch konstruktiv verhandelt, musste aber selber erkennen, dass es nicht zusammenpasst.“

Grüne und CSU hätten sich beispielsweise bei den Themen Landwirtschaft, Energie, Verteidigungsausgaben und Zuwanderung „so sehr beharkt“, dass eine Verständigung bei wichtigen Positionen in weiter Ferne gelegen habe. „Es glaubt doch wirklich niemand, dass sich Grüne und CSU beim Thema Familiennachzug geeinigt hätten. Die CSU kann sich ja bisher nicht einmal mit CDU-Vize Armin Laschet einigen“, so der FDP-Vize. Über seinen Wechsel von Brüssel nach Berlin sagte Lambsdorff: „Gerne wird in Deutschland über Bürokraten in Brüssel geschimpft. Wir sollten da den Ball besser flach halten, denn unsere digitalen Verwaltungsdienste hinken europäisch gesehen weit hinterher.“ Berlin sei insgesamt „hierarchischer, männlicher und bürokratischer als Brüssel“. Daran müsse er sich noch gewöhnen, so der FDP-Politiker. „Aber gleichzeitig wurde mir während der Sondierungen sehr deutlich, wie sehr die europäische Dimension fast alle deutschen Politikfelder mitprägt. Davon stand in den Bundestagswahlprogrammen der Parteien aber so gut wie nichts. Deshalb sage ich: Wir brauchen in Berlin mehr Leute, die diese Verflechtung kennen und damit umgehen können.“ +++