Lambrecht drängt zu Aufhebung von Grundrechtsschranken für Geimpfte

Ethikratschefin will keine Ausgangssperre für Geimpfte

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will Geimpften schnell mehr Freiheiten einräumen. „Ich werde mit Nachdruck auf eine Regelung dringen: Menschen, die geimpft sind und von denen nachweisbar keine Gefahr für andere ausgeht, müssen zurückkommen zur Normalität“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Es gibt keine Rechtfertigung mehr für die Einschränkung ihrer Grundrechte. Wir müssen deshalb die Grundrechts-Einschränkungen für Geimpfte aufheben.“

Lambrecht machte deutlich, dass es unterschiedliche Regeln für Menschen mit unterschiedlichen Impfstoffen geben könnte. „Die Einschränkung von Grundrechten kann bei denjenigen Impfstoffen aufgehoben werden, bei denen nachgewiesen ist, dass keine Ansteckungsgefahr mehr besteht, die diese Einschränkung rechtfertigen würde“, sagte sie. Auf die Nachfrage, ob es möglich sei, dass Biontech-Geimpfte ihre Freiheiten zurückbekommen und Astrazeneca-Geimpfte nicht, antwortete die Ministerin: „Wissenschaftler müssen uns sagen, welche Impfung welche Wirkung hat. Wenn das Ansteckungsrisiko nicht ausreichend reduziert wird, geht von dem Geimpften ja noch eine Gefahr aus. Dann können die Einschränkungen auch nicht aufgehoben werden.“ Lambrecht präzisierte, welche Einschränkungen aufgehoben werden könnten. „Ich denke, es ist zum Beispiel zumutbar, auch als Geimpfter noch eine Maske zu tragen – auch im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit solcher Gebote“, sagte sie. „Aber intensivere Einschränkungen von Grundrechten – etwa das Verbot von Besuchen – kann es für Geimpfte, von denen keine Gefahr ausgeht, nicht mehr geben. Dazu hat der Staat nicht das Recht.“ Die Justizministerin sieht raschen Handlungsbedarf. Sie wolle „nicht in die Situation kommen, dass wir uns Woche für Woche von Gerichten dazu verpflichten lassen müssen, den Bürgern mehr Freiheiten einzuräumen“, sagte sie. „Das neue Infektionsschutzgesetz gibt dem Bund die Möglichkeit, hierzu Verordnungen zu erlassen. Wir müssen Regeln für Geimpfte schnell auf den Weg bringen.“

Ethikratschefin will keine Ausgangssperre für Geimpfte

Ethikratschefin Christiane Woopen hat sich dagegen ausgesprochen, Geimpfte mit einer Ausgangssperre zu belegen. „Es hat doch keinen Sinn, geimpfte Menschen mit einer Ausgangssperre zu belegen“, sagte die Ethik- und Medizinprofessorin der Universität Köln dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagausgaben). Das sei ein tiefer Eingriff ins Privatleben. „Wie lässt sich das rechtfertigen?“ Woopen begrüßte den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Geimpfte in Deutschland so zu behandeln als seien sie negativ getestet. „Das ist genau der richtige Ansatz“, sagte die Vorsitzende des Europäischen Ethikrats. „Es ist meines Erachtens ein irreführender Ansatz zu sagen, der Staat müsse geimpften Person wegen eines Mangels an Impfstoffen Freiheitsrechte entziehen“, sagte sie. Es gebe Möglichkeiten, die Nicht-Geimpften durch Testungen oder den Nachweis einer Immunität nach durchgemachter Infektion ebenfalls an Freiheiten teilhaben zu lassen „und damit einer Art impfgesteuerten Zweiklassengesellschaft entgegen zu wirken“. Man müsse aber zwischen den verschiedenen Maßnahmen differenzieren. Maske zu tragen und Abstand zu halten seien vergleichsweise geringe Eingriffe in die Grundrechte und könnten weiter bestehen. Anders sehe es aus beispielsweise aus, wenn es darum geht, die Wohnung verlassen zu dürfen. Probleme sieht Woopen zukünftig möglicherweise auch im Privatrecht. „Das ermöglicht es etwa Reiseveranstaltern, Restaurant- und Hotelbesitzern zu entscheiden: Wir lassen hier nur Geimpfte rein. Das hielte ich für ein Problem“, sagte die Medizinethikerin. „Würde sich dieses Vorgehen in Deutschland etablieren, müsste der Gesetzgeber wohl gegensteuern.“ +++