Kurt Beck: Gespräche über Große Koalition nur mit „anderem Stil“

Union warnt SPD vor "Übermaß an roten Linien"

Bundestag,

Berlin. Der ehemalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat Union, FDP und Grüne scharf angegriffen und Bedingungen für eine neue Große Koalition genannt. „Diese Sondierungsgespräche waren eine Schande für die Republik“, sagte er der „Welt“. Nun müsse es „vorsichtige Gespräche geben, aber mit einem anderen Stil. Wenn es mit solchen Manövern allerdings weitergeht, muss man am Ende doch noch einmal den Wähler befragen.“

Beck zog aus Sicht der SPD „klare rote Linien“ für Koalitionsgespräche mit der Union. „Den Soli für alle abzuschaffen, das ist mit uns nicht zu machen. Das würde bedeuten, dass 80 Prozent der Entlastung den oberen 20 Prozent der Einkommen zugutekommen“, sagte Beck. In einer großen Koalition müsse aber „erkennbar sein, dass man verstanden hat, etwa beim Thema Ungleichheit“. Der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz sagte der „Welt“: „Es ist fraglich, wie lange Frau Merkel angesichts der Unruhe in der Union noch einen Mitte-Links-Kurs durchhalten kann“. Deswegen sei „es an den Sozialdemokraten, eine ausgewogene soziale Politik zu machen“, die SPD müsse „wieder als Kraft der linken Mitte erkennbar“ werden. „Die Abneigung gegen die große Koalition in Deutschland sitzt tief“, auch die SPD Basis sei „hin- und hergerissen“, betonte Beck. Auf der einen Seite stehe „die Stabilität des Landes und die staatspolitische Verantwortung, auf der anderen die schmerzhaften Erfahrungen der großen Koalition und das schlechte Wahlergebnis.“ Dennoch müsse die SPD „nun zusammen mit der Union schauen, wie sie die Abneigung in unserer Wählerschaft, aber auch im gesamten Volk überwinden kann. Gleichzeitig hat die SPD die staatspolitische Verantwortung und weist sie nicht so lapidar von sich, wie es andere Parteien tun“. Beides gelte es nun auf einen Nenner zu bringen, so Beck. Beck bescheinigte Parteichef Martin Schulz „gerade bei den einfachen Mitgliedern ein ganz großes Vertrauen. Deswegen kann er diesen Prozess besonders glaubwürdig begleiten.“

SPD will Bürgerversicherung in GroKo durchsetzen

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach wirbt vor möglichen Verhandlungen über eine Große Koalition für eine Bürgerversicherung. Sie sei ein „zentrales Anliegen“ seiner Partei. Zwar sollte die SPD „vorab keine Bedingungen stellen“, sagte der Gesundheitsexperte im Interview mit der „Passauer Neuen Presse“: „Aber wir wollen eine Bürgerversicherung mit einem gemeinsamen Versicherungsmarkt ohne Zwei-Klassen-Medizin. Die Bürgerversicherung wäre nicht das Ende der Privaten Krankenversicherung. Sie würde von allen Anbietern der Privaten ebenfalls angeboten werden können.“ Der Bitte der Union, Verhandlungen über eine Große Koalition zu führen, „verschließen uns nicht“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. „Das heißt aber nicht, dass es automatisch eine Regierungsbeteiligung geben wird.“ Die Chancen auf eine Neuauflage der GroKo taxiert Lauterbach auf „50 zu 50, keineswegs höher“. Wenn die Union der SPD bei Verhandlungen nicht entgegen komme, dann werde es Neuwahlen geben. „Die SPD muss sich nicht vor Neuwahlen fürchten“, so Lauterbach. „Zu glauben, die Große Koalition ist nach dem Scheitern von Jamaika ein Selbstläufer, wäre eine völlige Fehleinschätzung“, meint er. Die SPD wolle, dass es in Deutschland wieder gerechter zugehe, betonte der Fraktionsvize. „Einkommensschwache Kinder und Jugendliche dürfen im Bildungssystem nicht länger benachteiligt werden. Wir müssen mehr gegen geringfügige Beschäftigung und für die Sicherheit von Arbeitsplätzen tun. Und nicht zuletzt: Die Altersarmut wird ein immer größeres Problem.“ Wenn bei diesen Gerechtigkeitsfragen nichts erreicht werde, gebe es nicht den Hauch einer Chance, dass die SPD-Mitglieder einem Koalitionsvertrag zustimmen würden, so Lauterbach. „Wir brauchen eine Große Koalition für mehr soziale Gerechtigkeit.“

Union warnt SPD vor „Übermaß an roten Linien“

Vor den ersten Gesprächen über eine erneute große Koalition haben Politiker der Unionsfraktion im Bundestag die SPD vor überzogenen Forderungen gewarnt. Wenn die SPD „mit einem Übermaß an roten Linien“ loslege, entstehe in der Bevölkerung „der Eindruck, man wolle in den Gesprächen von vornherein auf Bruch fahren“, sagte Fraktionsvize Stephan Harbarth (VDU) der „Welt“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), sagte ebenfalls der „Welt“: „Ich hoffe, die SPD wird jetzt endlich ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht und ist bereit, mit uns darüber nachzudenken, wie eine stabile Regierung für Deutschland gebildet werden kann.“ Die Union sei dazu bereit „und wird mit dem nötigen Selbstbewusstsein in solche Gespräche gehen“, so Grosse-Brömer. +++

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