SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert fordert von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die Umstände der gescheiterten Abschiebung des mutmaßlichen Messer-Attentäters von Solingen im Jahr 2023 lückenlos aufzuklären.
Die politische Debatte nach der Terrorattacke müsse „faktenbasiert“ vonstattengehen, sagte Kühnert den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. „Um aus dem Fall des mutmaßlichen Täters von Solingen lernen zu können, müssen deshalb zügig alle Fakten rund um den 2023 gescheiterten Abschiebeversuch auf den Tisch“, fügte er hinzu. „Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen muss lückenlos darlegen, welche Anstrengungen damals unternommen wurden, um Issa al H. nach Bulgarien abzuschieben“, sagte Kühnert weiter. Für eine sachgerechte Diskussion über politische und rechtliche Konsequenzen brauche die Öffentlichkeit Klarheit darüber, „ob rund um die misslungene Abschiebung alles Menschenmögliche unternommen wurde“. Der spätere Tatverdächtige von Solingen hatte sich nach Angaben aus Behördenkreisen wohl gezielt seiner Überstellung nach Bulgarien entzogen. Kühnert forderte einen parteiübergreifenden Schulterschluss in der Politik. „Terror tötet nicht nur, er will uns gegeneinander aufwiegeln“, sagte Kühnert der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Es sei daher „von überragender Bedeutung, dass die politischen Spitzen der Bundesrepublik jetzt im Schulterschluss agieren“.
Thüringens CDU-Spitzenkandidat will Abschiebegefängnisse
Der Vorsitzende der thüringischen CDU-Landtagsfraktion, Mario Voigt, will Abschiebegefängnisse in Thüringen einrichten, wenn die CDU nach der Landtagswahl Teil der Regierung werden sollte. „In Thüringen wird es unter CDU-Führung künftig eigene Abschiebehaftplätze geben“, sagte Voigt, der auch Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl in Thüringen am 1. September ist, „Ippen-Media“. Damit reagierte er auf den Anschlag in Solingen. Dort wurden am Freitagabend bei einem Stadtfest drei Menschen durch Messerstiche getötet und weitere acht Menschen verletzt, vier davon schwer. Tatverdächtig ist ein 26 Jahre alter Syrer, der sich zur Terrororganisation „Islamischer Staat“ bekennt. Zuvor hatte der Mann eigentlich nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, war aber untergetaucht. Das könne durch Abschiebehaftplätze verhindert werden. Bislang gibt es diese in Thüringen nicht. Das Bundesland kooperiert derzeit mit Rheinland-Pfalz und zahlt Tagessätze für Abschiebehaftplätze in einer sogenannten Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige. Der Anschlag von Solingen beschäftige auch die Menschen in Thüringen sehr, so Voigt, der die Ampel-Koalition scharf kritisierte. Die Bundesregierung müsse beim Thema Abschiebungen einen „fundamentalen Kurswechsel einleiten oder zurücktreten“, so Thüringens CDU-Chef. „Es muss auch nach Syrien und Afghanistan abgeschoben und ein Aufnahmestopp verhängt werden. Das gilt für Kriminelle, aber ebenso für Flüchtlinge, die sich nicht integrieren können oder wollen“, forderte er.
Migrationsexperte Vorländer: „Merz streut Salz in die Wunden“
Die Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz, keine Flüchtlinge mehr aus Syrien und Afghanistan aufzunehmen, stößt auf Kritik von Migrationsexperten. Die Forderung widerspreche dem Asylrecht und der Genfer Flüchtlingskonvention, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), Hans Vorländer, dem „Handelsblatt“. „Die politische Absicht dahinter ist ziemlich klar. Es geht Herrn Merz wohl darum, noch Salz in die migrationspolitischen Wunden der Ampelkoalition zu streuen“, betonte Vorländer. Politischen Handlungsbedarf sieht der Wissenschaftler von der TU Dresden vor allem bei der Prävention: So wie es aussehe, habe sich der Tatverdächtige offenbar in Deutschland radikalisiert. „Generell sollten wir uns Herkunft und Ausbildung der Imame in den Moscheen genauer anschauen und mit präventiven und nachrichtendienstlichen Mitteln einer Radikalisierung und terroristischen Taten entgegenwirken“, sagte Vorländer. +++