
Afrika hat ein enormes Potenzial für die Zukunft. Meint der frühere deutsche Botschafter in Äthiopien, Dschibuti und Ständiger Vertreter Deutschlands bei der Afrikanischen Union, Dr. Claas Knoop. Mehr noch: „Das Schicksal der Menschheit wird sich am Schicksal Afrikas entscheiden.“ So zumindest habe der frühere Bundespräsident die Zukunftsperspektive dieses Erdteils gesehen, zitierte Knoop Horst Köhler. Über die aktuelle Lage und Aussichten des ein wenig aus dem Blickfeld geratenen Kontinents referierte der Gast aus Bremen unter der Überschrift „Afrika: Europas Nachbarkontinent im Aufbruch“ vor Mitgliedern und Gästen der Fuldaer Sektion der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP). Kernbotschaften seines Vortrags: Die deutsche Wirtschaft müsse sich stärker als bisher in Afrika engagieren. Und: Ohne Sicherheit und Frieden könne es keine Entwicklung geben.
Potenzial
Von rund einer halben Millionen Unternehmen in Deutschland seien gerade mal 1000 in Afrika aktiv; 800 von ihnen im Süden des Kontinents. Dabei „ist hier ein Potenzial, das ausgeschöpft werden kann.“ Knoops Sohn selbst engagiert sich beispielsweise als IT-Unternehmer mit einer eigenen Niederlassung in Ruanda.
Ganze fünf Zeilen zu Afrika
Wie hält es die gegenwärtige deutsche Politik mit Afrika? Knoop bemühte hierzu das Koalitionspapier der neuen Bundesregierung . „Auf Seite 128 (von 144) finden Sie ganze 5 Zeilen zu Afrika und die will ich Ihnen jetzt hier nicht vorenthalten“, betonte der Referent. Wörtlich heißt es darin: „Wir wollen eine Afrika-Politik, die dem strategischen Stellenwert Afrikas gerecht wird. Wichtige Partnerin für uns ist die Afrikanische Union (AU). Wir wollen die Umsetzung der afrikanischen Freihandelszone unterstützen. Ein besonderer Fokus muss auf die Stabilisierung des Sahels und des Horns von Afrika gelegt werden. Insbesondere um Terrorismus und Fluchtursachen zu bekämpfen.“ Weiterhin bekennt sich die Koalition dazu, „dem russischen und chinesischen Einfluss in Afrika mit unseren Partnern entschlossen entgegentreten“ zu wollen. Nun dürfe man gespannt sein, wie die Afrika-Politik der neuen Regierung dann auch konkret demnächst umgesetzt werde.
13 Unis mit deutschen Mitteln für 200.000 Studierende gebaut
Fakt ist: China hat in den letzten zehn Jahren rund 100 Milliarden Dollar in die Entwicklung der Infrastruktur afrikanischer Länder investiert. Dank intensiver Handelsbemühungen im Zeitraum zwischen 2000-2020 habe das Land inzwischen „fast den gesamten Kontinent im Griff“. Außerdem soll die neue Seidenstraße als strategisches chinesisches Projekt Afrika politisch näher an China heranbringen. Russland wiederum gewinnt an Einfluss durch Handel mit Rüstungsgütern, Beratungsdiensten und Sicherheitsdienstleistungen. Im Gegenzug ist Frankreich als einer der wichtigsten früheren Partner afrikanischer Länder seit Beginn des neuen Jahrtausends weitgehend verdrängt worden. Und Deutschland? Deutsche Entwicklungshilfe folgt laut Knoop seit langem dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe.“ In seiner Zeit als Botschafter in Äthiopien (2006-2010) sind aus deutschen Mitteln 13 Universitäten für rund 200.000 Studierende finanziert worden. „Wir schaffen so einen Mehrwert, indem Menschen sich selber helfen können“, erläuterte Knoop den deutschen Ansatz, der im deutlichen Gegensatz zu dem Chinas steht. China schafft durch seine Investitionen Abhängigkeiten. Die Qualität der Infrastrukturleistungen sind häufig fragwürdig, weil sie oft genug nicht nachhaltig sind. Manche schnell gebaute Straße sei nach zwei oder drei Jahren bereits wieder reparaturbedürftig. Allerdings gibt es auch chinesische Investitionen mit Symbolcharakter. Für das Hauptgebäude des Sitzes der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba habe das „Land der Drachen“ 120 Millionen Dollar locker gemacht. Für das auf dem gleichen Areal befindliche Lagezentrum der Spitzenorganisation der afrikanischen Staaten Deutschland hingegen „nur“ 26 Millionen Dollar.
Keine Entwicklung ohne Frieden
Als besonders wichtig für die Zukunft der 55 Mitglieder der Afrikanischen Union erachtet Knoop Frieden und Sicherheit. Ohne sie könne es „keine Entwicklung“ geben. Welche Bedeutung dieser Satz hat, belegen aktuelle Konflikte wie der um den Bau eines großen Nilstaudamms in Äthiopien. Dort wird der blaue Nil aufgestaut. „Das finden Ägypter und Sudanesen überhaupt nicht gut. Denn sie befürchten, dass sie nicht mehr genug Wasser bekommen und haben deshalb schon mit Krieg gedroht“, erläuterte Knoop die gegenwärtig schwierige Lage. Der Staudamm, der 2022 fertiggestellt werden konnte, ist mit seinen zwei Kilometern Länge und einer Höhe von 145 Metern der größte in ganz Afrika und soll fast 6000 Megawatt Leistung pro Jahr für das energiehungrige Äthiopien liefern - ein „Riesenprojekt“ also. Krisengebeutelt durch interne Konflikte, Klimawandel und Hunger ist der Südsudan mit rund zwei Millionen Binnenvertriebenen. „Im Moment sieht es leider wirklich nicht gut für das Land aus. Es steht wieder kurz vor einem Bürgerkrieg. Denn zwei Generäle bekämpfen sich auf grausame Art und Weise mit unglaublich vielen Opfern“, beschreibt Knoop die augenblickliche Situation. Eritrea, Somalia oder die Westsahara, die das Königreich Marokko für sich beansprucht und deshalb nicht in die Unabhängigkeit entlassen will, zählten ebenfalls zu den Krisengebieten. Trotz der nach wie vor ungelösten Frage der Unabhängigkeit gehört übrigens die Westsahara als 55. Mitgliedsstaat der Afrikanischen Union an.
Ärmster Kontinent weltweit
Für problematisch hält der Referent die anhaltende Armut in den meisten der afrikanischen Staaten. „Die Schere zwischen Arm und Reich ist groß.“ Ein Afrikaner müsse durchschnittlich von 2,15 Dollar pro Tag leben. Damit sei „Afrika der ärmste Kontinent weltweit.“ Armut ist zugleich treibende Kraft für Migration. Deshalb hätten sich die die Vereinten Nationen (UN) gerade in Afrika die Armutsbekämpfung zum Ziel gesetzt, „damit die Menschen in ihrer Heimat bleiben können.“ Fluch und Segen zugleich ist die Geburtenrate auf dem Kontinent. Schon jetzt leben 1,3 Milliarden Menschen in Afrika. Tendenz: steigend. Bis 2050 soll sich die Zahl der Bewohner auf 2,6 Milliarden nahezu verdoppelt haben. Auch dieser Entwicklung will die UN laut Knoop entgegenwirken. Denn die weiter rasant ansteigende Geburtenrate würde bedeuten, dass „bis Ende des Jahrhunderts jeder vierte Mensch auf der Welt ein Afrikaner sein wird.“ Afrika sei somit ein „unglaublich junger Kontinent“, jünger als viele andere Erdteile. Etwa die Hälfte der Afrikaner ist schon jetzt unter 25 Jahren alt – „ein enormes Potenzial für die Zukunft, wenn die Entwicklung friedlich verläuft“, ist sich Knoop sicher. „Denn das sind alles Konsumenten für wirtschaftliche Beziehungen und für den Ausbau von Handel“, wie der Referent betont. Afrika sei zugleich ein Kontinent, der immer wieder mit Konflikten zu tun hat. Weil der Kontinent gleichzeitig strategisch so bedeutsam ist, bemühten sich die großen Staaten dieser Welt, die USA, China, Russland, aber auch die europäischen Staaten dort Militärbasen zu unterhalten. „Das ist das Afrika, mit dem wir es heute zu tun haben.“
In den Vereinten Nationen ist der Kontinent mit 55 Stimmen vertreten. Das ist ein Pfund, mit dem Afrikaner gerne wuchern möchten. Da verwundere es nicht, dass bestimmte Länder besonderes Interesse an Afrika zeigen, nämlich China und Russland – „weil sie natürlich hoffen, dass die Afrikaner ihre Positionen gerade in den Vereinten Nationen unterstützen.“
Deutsche Rolle in Afrika
An die deutschen Rolle in Afrika hatte zuvor Fuldas GSP-Sektionsleiter Michael Schwab erinnert. Die Ausstellung „Der Hase ist des Jägers Tod – Kultur und Natur im südlichen Afrika“ im Wiesbadener Landesmuseum habe Besuchern vor wenigen Monaten sehr eindringlich die Auswirkungen von Kolonialismus, Imperialismus und letztlich Rassismus vor Augen geführt.
Blutspur
Für das damalige Deutsche Reich sei das Jahr 1884 entscheidend gewesen. Denn seit diesem Zeitpunkt habe es so genannte „Deutsche Schutzgebiete“ in Afrika gegeben, also nichts anderes als deutsche Kolonien. Die größte war Deutsch-Ostafrika mit Tansania, Ruanda, Burundi und Teilen Mosambiks (eine Fläche von rund einer Million Quadratkilometern). Außerdem Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia), Kamerun und Togo. Den „absoluten Albtraum“ hätten die indigenen Völker „Deutsch-Südwests“ im Deutsch-Namibischen Krieg von 1904 erleiden müssen. Mit dem Vernichtungsbefehl General Lothar von Trothas und der verheerenden Schlacht am Waterberg habe das Kaiserreich eine furchtbare Blutspur durch das Land gezogen. Ein schreckliches und trauriges Kapitel unrühmlicher deutscher Geschichte in Afrika, so GSP-Sektionsleiter Schwab. „Heute hingegen investiert unser Land erfreulicherweise Milliarden in Entwicklungshilfe in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Gesundheit, Umweltschutz und Demokratie-Entwicklung.“ +++ mb
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