Klartext von Radtke: Der Politikzirkus und der Wohlstandsverlust

Ist die Stimmung schlechter als die Lage?

Klaus-Radtke

Nein, verehrte Leser, auch, wenn ich als Pessimist bezeichnet werden sollte: Die Lage ist schlechter als die Stimmung. Meines Erachtens haben die Wenigsten erkannt, was uns alles bevorsteht. Woran ich das fest mache? An den Ergebnissen des Sonntagstrends, der „Sonntagsfrage Bundestagswahl“. Die Grünen kommen immer noch auf 14 %. Robert Habeck steigt in der Gunst der Wähler.

Um hier eines klar festzuhalten: Politisch bin ich völlig unvoreingenommen; wichtig ist mir lediglich, wer gute Politik für die Wirtschaft und die Menschen, die Bürger betreibt. Und das lässt sich relativ objektiv nachvollziehen und beurteilen. So betone ich immer, dass einerseits die momentane Situation eine schleichende Entwicklung seit über 16 Jahren ist – und die CDU ein gehöriges Maß Schuld daran trägt. Wie Kriechöl ist dieser Trend in alle Ritzen des deutschen Staates vorgedrungen. Dass die Ampelkoalition die langanhaltende negative Tendenz nicht in der Lage war zu stoppen, sondern diese sogar noch turbomäßig zu beschleunigen, ist das andere.

Doch wen interessiert das?

Allein das neueste Debakel mit Northvolt ist alarmierend. Gut erinnere ich mich an den Auftritt von Claus Ruhe Madsen bei Markus Lanz im Februar dieses Jahres. Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister gab vor, den Deal seines Lebens gelandet zu haben und schwärmte selbstbewusst und stolz von der modernsten Batteriefabrik Europas in Heide. In der ZDF-Talkshow forderte er deshalb mehr Optimismus in Deutschland. Gut, dass Menschen vergesslich sind und – wenn überhaupt – oft nur das Gute erinnern. Nun stehen Madsen und auch Habeck, der in die Angelegenheit ebenso involviert war, vor einem Scherbenhaufen. 600 Millionen Euro wurden im Dezember 2023 und Januar 2024 an Northvolt gezahlt. Nun ist das Unternehmen pleite. Ein Skandal. Wurde das Unternehmen nicht kritisch durchleuchtet, bevor man diese Fördersumme auszahlte? Bei Intel kam es glücklicherweise erst gar nicht zu einer Auszahlung. Auch daran sieht man, dass der Staat als Investor ungeeignet ist.

Und zur Vergesslichkeit. Die ist wohl bei nahezu allen Politikern eine Einstellungs-Voraussetzung. Lauterbach konnte sich nicht erinnern, dass er seinerzeit von der Pandemie der Ungeimpften sprach, stritt es sogar ab. Allerdings belegen Fernsehaufnahmen das Gegenteil. Und er hat es mehrfach behauptet – wie auch Jens Spahn. Und unser Kanzler hat offensichtlich ebenfalls eklatante Gedächtnislücken. Es ist unbegreiflich, dass er nicht für Aufklärung in den Fällen Cum-Ex und Warburg Bank sorgt. Sein stets provokantes Grinsen in schwierigen Situationen ist schon schwer erträglich.

Wenn nur der Wähler nicht vergesslich wäre, das würde bei mir schon für mehr Optimismus sorgen. In einer Demokratie eigentlich ein Unding: Nach heutigem Stand würden 40 % der Wählerstimmen durch die 5 % Hürde und die bestehenden Brandmauern einfach ignoriert. Die wirtschaftlichen Hiobsbotschaften, die ich immer wieder in den Mittelpunkt meiner Ausführungen stelle, werden zunehmend auch in den Medien schonungslos wiedergegeben.

In den nächsten Jahren werden wir ohne eine radikale Kehrtwende einen Wohlstandsverlust ungeahnten Ausmaßes haben. Es ist unbegreiflich, dass die politische Blase, man kann schon von einer Parallelgesellschaft sprechen, das möglicherweise erkennt, doch keine geeigneten Maßnahmen einleitet. Wir stehen ohnehin vor gewaltigen Herausforderungen. Demographischer Wandel, Insolvenzen, Energieversorgung, Handelsbarrieren, sinkende Steuereinnahmen, Haushaltslöcher und Ausgaben für Verteidigung haben schon für sich genommen genug Sprengkraft.

Seit fünf Jahren haben wir Stagnation, nun sogar Negativwachstum. Bei der Wettbewerbsfähigkeit rutschte Deutschland von Platz 6 auf Platz 24 ab. Der Export stagniert, dafür steigen die Insolvenzen erheblich. Weiterhin erschreckend ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit auf fast 3 Millionen. Und das trotz erheblichen Fachkräftemangels. Hunderttausende weitere Stellen werden in den nächsten Jahren von der Großindustrie abgebaut. Unsere Standortvorteile sind dahin. Die Staatsquote viel zu hoch, bei den Sozialabgaben wird die 40 % Grenze überschritten, die höchsten Energiekosten aller Industrieländer tragen ihr Übriges zur Erdrosselung der Wirtschaft bei.

Und was tun unsere Politiker?

Olaf Scholz fährt im Sonderzug nach Kiew, um dort nichts auszurichten – außer sich mit Kriegsversehrten wahlkampfförderlich ablichten zu lassen. Robert Habeck sitzt bei deutschen Bürgern in der Küche und diskutiert lächelnd und verständnisvoll. Eine nette PR-Aktion – aber nicht mehr. Ernsthafte Gespräche mit dem Mittelstand wären zielführender. Doch in dieser Zeit verklagt er lieber Mitmenschen, die ihn beleidigt haben. Mehr als 93 Prozent der Anzeigen gegen Bürger stammen von Habeck und Baerbock, wobei Habeck mit über 805 Strafanzeigen die Spitzenposition hält.

Friedrich Merz schießt allerdings den Vogel ab. Er schließt in einer neuen Regierung die Zusammenarbeit mit den Grünen nicht aus. Noch verwunderlicher ist es, dass er sich auch einen Wirtschaftsminister Habeck vorstellen kann. Überhaupt ist es interessant, welche rhetorischen Spitzfindigkeiten und Winkelzüge angewandt werden. Da wurde davon gesprochen: „Nicht mit diesen Grünen“. Nach der Wahl kann man dann bei Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sagen: „Es sind nicht mehr die selben Grünen“. Und dann greift Merz auch noch Christian Lindner an. Wegen seiner Aussage zum argentinischen Präsidenten Javier Milei – von dem man sich laut Lindner etwas abschauen könne. Was daran ist falsch, Herr Merz? Dabei hat Milei genau das Richtige getan. Symbolisch trat er bei Wahlkampfveranstaltungen mit einer Kettensäge auf, um zu signalisieren, alles ausdünnen zu wollen. Er hat der Korruption, der Vetternwirtschaft, dem aufgeblähten Staatsapparat den Kampf angesagt. Seine Ankündigungen setzt er in die Tat um. Die Rosskur wirkt: Die Inflation im Land sinkt, die Staatsausgaben ebenfalls. Merz sagte dazu, der Präsident trete die Menschen dort „wirklich mit Füßen“. So, das tun deutsche Politiker natürlich nicht.

Gut, dass Markus Söder Merz sofort und sehr deutlich widersprochen hat – zumindest was die Grünen und Habeck anbelangt. Folgt das einem Drehbuch? Selbst wenn eine Taktik dahinter stünde, wäre sie nicht erfolgversprechend. Der CDU werden diese unglückseligen Spielchen schweren Schaden zufügen, Austritte und Wählerstimmen kosten. Nicht um Recht zu behalten: Schon am ersten Tag war ich der Auffassung, Merz ist nicht der Richtige. Leider hat sich Boris Rhein verweigert. Eine Tragikomödie, was sich in der deutschen Politik zurzeit abspielt. Aber jedes Volk hat die Politiker, die es verdient.

Wollen wir dabei auch nicht vergessen, dass die Medien einen erheblichen Anteil an den herrschenden Zuständen haben. Glauben Sie, dass Sahra Wagenknecht mit ihrer Partei einen solchen Erfolg gehabt hätte, wenn sie von den Sendern nicht ständig eingeladen worden wäre? Bestimmt nicht. Und nun wird Angela Merkel im ÖRR durchgereicht. Fehler hat sie natürlich keine gemacht. Dementsprechend wohlwollend wird sie dort hofiert. Darüber hinaus für ihr Buch gefällige Werbung betrieben.

Mit dem bisherigen politischen Personal und den zur Verfügung stehenden Optionen wird sich jedenfalls kaum etwas zum Besseren wenden. Unverständlicherweise engagieren sich noch viel zu wenige Unternehmer, die glauben, eine ausschließliche Konzentration auf den eigenen Betrieb wäre ausreichend. Der Leidensdruck muss anscheinend noch steigen. Und das wird er – verlassen Sie sich darauf.  +++  Klaus H. Radtke

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