Kanzleramt muss abgeordnetenwatch.de Auskunft zu Lobbyisten-Abendessen der Kanzlerin erteilen

Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt

Kanzleramt

Berlin. Das Bundeskanzleramt muss der Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de Auskunft über Abendessen der Bundeskanzlerin seit 2005 erteilen, an denen u.a. Lobbyisten teilgenommen haben. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin per Eilbeschluss vom 23. Juni 2017 im Wege einer einstweiligen Anordnung entschieden (VG 27 L 295.17). „Dass wir Informationen zu Abendessen der Bundeskanzlerin mit Lobbyisten erst einklagen müssen, ist ein Armutszeugnis“, so abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack am Montag. „Die jahrelange Transparenzverweigerung der Bundesregierung zeigt, wie dringend wir ein verbindliches Lobbyregister brauchen!”

Seit Mai 2015 bemüht sich abgeordnetenwatch.de, vom Bundeskanzleramt Informationen über nicht-private Abendessen der Bundeskanzlerin aus gesellschaftlichem Anlass zu erhalten. Hintergrund für mehrere Auskunftsanfragen der Transparenzorganisation ist die 60. Geburtstagsfeier des früheren Deutsche Bank-Chefs Josef Ackermann in der Regierungszentrale. Im April 2008 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel dort ein Festmahl für Ackermann ausgerichtet, zu dem zahlreiche Vertreter aus Wirtschaft, Medien und Politik geladen waren. “Mit unserer Recherche wollen wir herausfinden, ob die Bundeskanzlerin auch für andere Interessenvertreter Geburtstagsfeiern im Bundeskanzleramt ausgerichtet hat”, so Gregor Hackmack.

Nachdem das Kanzleramt seit 2015 mehrere Auskunftsbegehren der Transparenzorganisation abgelehnt hatte, klagte abgeordnetenwatch.de am 21. November 2016 beim Berliner Verwaltungsgericht, um einen presserechtlichen Auskunftsanspruch durchzusetzen. Da mit einem rechtskräftigen Urteil vor der Bundestagswahl im September 2017 nicht zu rechnen war, reichte abgeordnetenwatch.de am 8. Mai 2017 parallel eine Eilklage beim selben Gericht ein.

„Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht zu erfahren, welche Interessenvertreter die Bundeskanzlerin zum Essen ins Kanzleramt einlädt, zumal wenn dies aus Steuergeldern bezahlt wird“, so Gregor Hackmack. „Bei der Bundestagswahl im September wird es auch um die Nähe von Politik und Lobbyisten gehen. Darum ist der Gerichtsbeschluss ein wichtiges Signal für mehr Transparenz!” Ein verbindliches Lobbyregister, in dem u.a. Kontakte zwischen Lobbyvertretern und Politikern veröffentlicht werden, wird im Deutschen Bundestag einzig von CDU und CSU abgelehnt. Laut des jüngsten Eilbeschlusses des Berliner Verwaltungsgerichts muss das Kanzleramt abgeordnetenwatch.de mitteilen, wann und aus welchem gesellschaftlichen Anlass seit 2005 nicht-private Abendessen der Bundeskanzlerin im Bundeskanzleramt stattfanden, an denen auch Personen teilnahmen, die weder ein politisches Amt oder Mandat innehatten.

In ihrem Beschluss gibt die 27. Kammer abgeordnetenwatch.de in allen Punkten recht. Das Bundeskanzleramt hatte u.a. behauptet, bei dem Auskunftsbegehren gehe es um eine Ausforschung des innersten Bereiches der Willensbildung der Bundeskanzlerin. Das Gericht stellte klar, dass die Bekanntgabe von Datum und Anlass der dienstlichen Abendessen im Bundeskanzleramt seit 2005 „nicht den exekutiven Kernbereich“ betreffe. Auch der Behauptung des Kanzleramtes, die Herausgabe der Informationen könne in Zukunft negative Auswirkungen auf die Sicherheit der Bundeskanzlerin haben, folgte das Gericht nicht. „Den Daten ließe sich weder entnehmen, wann sie [Bundeskanzlerin Angela Merkel] das Bundeskanzleramt an diesen Tagen von wo kommend betreten, noch wann sie es wohin gehend verlassen hat,“ heißt es in dem Gerichtsbeschluss. Auch eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Gäste vermochte die Kammer nicht zu erkennen. Das Bundeskanzleramt hat am 29. Juni 2017 Beschwerde gegen den Beschluss vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. +++