Jürgen Laurinat: Viele Versäumnisse aufzuarbeiten

Schlitz ist kein einfaches Terrain für Unternehmer

Das Wohl des ansässigen Gewerbes bestimmt das Wohl einer Region. Diese Binsenweisheit ist nicht neu. Umso unverständlicher findet es Jürgen Laurinat, dass im Schlitzerland so wenig dafür getan wird, damit sich Unternehmen hier ansiedeln – und wohlfühlen. Um sich ein Bild aus nächster Nähe zu machen, besuchte er am 30.10.2018 die Firma CC Bäuml an ihrem Standort in Rimbach. Der Weg aus der Kernstadt heraus gestaltete sich für das Schwerlast-Unternehmen vor zwei Jahren äußerst holprig. Fast hätte Bäuml der Kommune Schlitz sogar ganz den Rücken gekehrt und sich in Hünfeld niedergelassen. Grund war maßgeblich das einladende Entgegenkommen dort, das im krassen Gegensatz zum Prozedere der Schlitzer Verwaltung stand. „Ich weiß, dass hier Firmen vom Erwerb bis zur Genehmigung des Flächennutzungsplanes bis zu sieben Jahre mit Warten verbringen. Hünfeld bot die Umsetzung der Formalitäten in 10 Tagen an. Der zuständige Sachbearbeiter kündigte Volker Bäuml sogar an, dass sich die Verarbeitung um 2 Wochen verschieben könnte, da er im Urlaub sei. Solcherlei Kooperation kann sich wohl niemand in Schlitz derzeit vorstellen.“

Laurinat bemängelt vor allem, dass man als investitionswilliger Unternehmer das Gefühl, in Schlitz herzlich willkommen zu sein, durchweg vermisst. „Ich frage mich, ob man die Unternehmen hier überhaupt haben will.“, sagt Laurinat. „Diese Trägheit ist heute nicht mehr zeitgemäß. In einer Wirtschaft, die auf Service gebaut ist, kann man sich sowas einfach nicht mehr leisten. Wir haben in vielen Dingen versäumt, mit der Zeit zu gehen.“ Damit spricht er unter anderem die immer noch eklatanten Mängel bei der Kommunikations-Infrastruktur an. Ein lückenloses Mobilfunknetz, schnelles Internet und gut ausgebaute Straßen sind für jede Unternehmerin und jeden Unternehmer die Voraussetzungen für eine Firmenansiedlung. „Herr Bäuml hat mir von Missständen wie dem Ausbau und der Beleuchtung der Industriestraße und dem Fehlen von schnellem Internet berichtet. Die Probleme wurden bereits vor einem halben Jahr angesprochen, doch auf eine Stellungnahme der Behörde wartet er bis heute.“ Die Gewerbetreibenden anhören, ihnen respektvoll auf Augenhöhe begegnen – dies will Jürgen Laurinat als Bürgermeister umsetzen. „Als Unternehmer weiß ich, wie man sich vorkommt, wenn man merkt, dass es der Stadt nur um die Gewerbesteuer, geht. Da würde man am liebsten die Zelte abbrechen.“

Offenheit, Transparenz und Präsenz

„Mit den Gewerbetreibenden zu kommunizieren, sie zu beraten, aktiv und vor Ort – das ist Teil eines erfolgreichen Miteinanders von Wirtschaft und Verwaltung. Dann finden wir auch heraus, welche Unternehmen hierher passen, wie wir die entsprechenden Gewerbegebiete klug planen und entsprechend ausweisen.“, fordert Laurinat. „Unsere Unternehmerinnen und Unternehmer müssen zu viel mühsame Eigeninitiative aufbringen und fühlen sich darin oft von der Stadt alleine gelassen. Die Firma Bäuml ist sehr innovativ auf ihrem Gebiet. Das sieht man daran, wie erfolgreich hier in Rimbach bereits gewirtschaftet wird. Man hat sich in einer Marktlücke erfolgreich etabliert, in der das Unternehmen mit den ganz Großen der Branche zusammenarbeitet. CC Bäuml besitzt drei der geländegängigsten Zugmaschinen der Welt, übernimmt bei der Begleitung von Sondertransporten mit hochmodern ausgestatteten Belgleitfahrzeugen Aufgaben, die sonst Polizeisache sind. Ein echtes Highlight ist das neuste Begleitfahrzeug, welches das Hinweisschild 360 Grad um das Fahrzeug herum positionieren kann. Die 1.000 Quadratmeter der neuen Halle waren nach kurzer Zeit schon komplett an Speditionsunternehmen vermietet. Hier ist richtig Potenzial!“ Für Volker Bäuml stellt sich die Frage, ob er demnächst weitere Hallen bauen wird, wenn die Nachfrage nach Kapazitäten weiter so steigt. Auch hier sind sich Laurinat und Bäuml einig: „Die Unternehmen benötigen Expansionsflächen, die es Unternehmerinnen und Unternehmern ermöglicht, schnell und strategisch auf die Beschaffenheiten die Märkte zu reagieren.“

Gewerbe in der Kernstadt erhalten

Die Entwicklung ist für Laurinat bedenklich: „Wir sind auf dem besten Weg, aus Schlitz eine Schlafstadt zu machen, gerade wenn man die Idee umsetzt, über ISEK aus den freien gewerblichen Flächen im Kernstadtbereich Wohnraum zu schaffen. Diese Umnutzung ist nicht wieder rückgängig zu machen, wir brauchen aber kreativen Einzelhandel und Gewerbe in der Innenstadt. Als Teil des Fuldaer Speckgürtels lassen wir unsere Chancen weitgehend ungenutzt. Das Bild der Innenstadt spricht leider eine deutliche Sprache. Leerstehende Geschäfte und hohe Fluktuation sind mehr als ein deutliches Warnsignal!“ Die Kooperation mit Fuldaer Unternehmen, der Verwaltung und weiterer Organisationen, der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, die Nutzung freier Schaufenster zu Verschönerung des Stadtbildes (Beispiel „Schlaufenster“ in Einbeck) – Laurinats Liste an Maßnahmen ist lang. Es geht für ihn darum, das ansässige Gewerbe zu halten und zu fördern und nach außen hin dadurch die Region attraktiv für den Zuzug von Familien und Unternehmen zu machen. Damit zielt er auch auf junge Unternehmensgründerinnen und Unternehmensgründer und hat eine klare Meinung zur aktuellen Haltung der Stadt: „Die absolute Zahl der so genannten Startup Unternehmen ist deutschlandweit in letzter Zeit zwar gesunken, die Zahl der Gründungen aus Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist aber drastisch gestiegen. Es gilt deshalb, sich auch auf diese Unternehmen einzustellen und die Nähe zu den umliegenden Universitäten zu suchen. Zu behaupten, dass Startups für das Schlitzerland keine Rolle spielen, ist eher ein Zeichen für schlechte Unternehmensberatung und Versäumnisse der kommunalen Politik.“ Für Jürgen Laurinat gibt es viel aufzuarbeiten und neu zu gestalten. Nach seiner Wahl zum Bürgermeister will er durch intensive Gespräche zu Bedürfnissen und Zielen mit den hiesigen Gewerbetreibenden eine Kehrtwende einläuten. Denn Ideen hat der erfahrene Unternehmer zuhauf im Aktenkoffer, den er gerne im Rathaus öffnen will. +++