In Kreuth wird der Unionsstreit um die Obergrenze zur Machtfrage

Berlin. Streit gehört zur Normalität im Verhältnis der Schwesterparteien CDU und CSU. Krach gab es früher, Krach gibt es heute. Doch die Auseinandersetzung um eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen hat mittlerweile eine andere Qualität erreicht. In Wildbad Kreuth ist das deutlich geworden. Es geht nicht mehr nur um eine reine Sachfrage, nicht mehr nur um die Lösung eines massiven Problems.

Hinter der Forderung nach einer Obergrenze, die CSU-Chef Horst Seehofer mit einer selbst für ihn ungewöhnlichen Penetranz verfolgt, verbirgt sich immer unverhohlener die Machtfrage. Die Uhr tickt. Und zwar laut. Für Angela Merkel. Das ist die Botschaft aus Kreuth. Seehofer und die CSU sehen durch die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin die Regierungsstärke der Union bröckeln – und nichts treibt die CSU mehr um als der Machterhalt. Um fast jeden Preis. Zuerst in München, dann in Berlin. Gefährdung der eigenen Machtbasis, ein schlechteres Zeugnis kann man einer Kanzlerin kaum ausstellen. Zwar hat Seehofer hinter verschlossenen Türen Merkel versichert, man wolle das Flüchtlingsproblem mit ihr als Bundeskanzlerin lösen. Aber es müsse auch gelöst werden, soll er nachgeschoben haben. Im Umkehrschluss heißt das, wenn sie die Lage nicht rasch in den Griff bekommt, dann könnte man es womöglich auch ohne sie versuchen. Allerdings wäre Merkels Sturz mit unabsehbaren Folgen für die Union als Ganzes verbunden. Das weiß auch Seehofer.

Weshalb eine andere Variante immer wahrscheinlicher wird. Es sieht nicht danach aus, dass Merkels Politik, die Reduzierung der Flüchtlingszahlen europäisch zu erreichen, fruchten wird. Schon in zwei Monaten, heißt es bei der CSU, wäre angesichts des anhaltenden Ansturms die von Seehofer genannte Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen eventuell erreicht. Dann könnte Merkel gezwungen sein, auf CSU-Linie umzuschwenken und nationalen Maßnahmen beispielsweise bei der Grenzsicherung zuzustimmen. Das wiederum dürfte das Problem in andere Länder verschieben und könnte so Europa zu einer Einigung zwingen. Wie Merkel ihre Kehrtwende dann politisch und moralisch begründen will, nachdem sie monatelang „Wir schaffen das“ gepredigt hat, ist momentan noch schleierhaft. Aber die Kanzlerin war auch in anderen Fragen schon wendig, siehe Atomausstieg. Sie könnte versichern, dass sie zumindest alles probiert habe. Vielleicht wartet sie nur noch auf den richtigen Zeitpunkt. Doch der politische Preis wird hoch sein. Für Merkel, nicht für Seehofer und die CSU. Daran besteht kein Zweifel, so die Lausitzer Rundschau. +++ fuldainfo

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