IHK Fulda lud erstmals zur Wirtschaftspolitischen Wahlarena

Direktkandidaten bezogen auf dem Podium Stellung zu wirtschaftspolitischen Fragen

Bei der Wirtschaftspolitischen Wahlarena der IHK Fulda im Morgensternhaus (v.li.): Dr. Christian Gebhardt (IHK-Präsident), Mario Klotzsche (FDP), MdB a.D. Birgit Kömpel (SPD), MdL Markus Hofmann (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), MdL Sebastian Müller (CDU), Michael Douglas (AfD) und Michael Konow (IHK-Hauptgeschäftsführer).

Erstmalig in ihrer Geschichte hatte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Fulda im Beisein des Geschäftsführers des Hessischen Industrie- und Handelskammertages (HIHK), Frank Aletter sowie des Fuldaer IHK-Präsidenten Dr. Christian Gebhardt und Fuldaer Unternehmern am Montag vor dem Hintergrund der Hessischen Landtagswahl am 8. Oktober 2023 Direktkandidaten der aktuell im Hessischen Landtag vertretenen politischen Parteien zu einer sogenannten „Wirtschaftspolitischen Wahlarena“ ins Fuldaer Morgenstern eingeladen. In der Sonderausgabe „Hessen wählt“ der Wirtschaft Region Fulda haben die Kandidaten aller bereits im Hessischen Landtag vertretenen Parteien aus dem heimischen Wahlkreis zu wirtschaftlichen Themen im Vorfeld bereits Stellung bezogen. Zu den Diskutanten heute gehörten von der SPD die Vorsitzende der SPD im Unterbezirk Fulda und Kandidatin für die Hessische Landtagswahl am 8. Oktober Birgit Kömpel MdB a.D., von der CDU der heimische CDU-Landtagsabgeordnete sowie Direktkandidat zur Hessenwahl Sebastian Müller MdL, von Bündnis 90/DIE GRÜNEN Direktkandidat Markus Hofmann MdL sowie von der FDP der Vorsitzende des FDP-Kreisverbandes Fulda sowie Vorsitzende der FDP-Kreistagsfraktion Mario Klotzsche. Der Kandidat der AfD zur Landtagswahl, Christian Douglas (Gießen), betrat das Podium aufgrund einer Zugverspätung etwa eine dreiviertel Stunde später. Von der Einladung der IHK Fulda nach IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Konow „mehrmaligem Kontaktieren“ keinen Gebrauch gemacht habe ein Kandidat der Partei DIE LINKE.

„Am 8. Oktober 2023 werden 4,3 Millionen Hessinnen und Hessen aufgerufen, den 21. Hessischen Landtag zu wählen“, begrüßte IHK-Präsident Dr. Christian Gebhardt die Anwesenden zur Wahlarena, die auf Initiative des Hessischen Industrie- und Handelskammertages zurückgeht. „Das Land Hessen ist in 55 Wahlkreise unterteilt; die Städte und Gemeinde unsers Landkreises Fulda finden sich in den Wahlkreisen Fulda I (Wahlkreis 14) und Fulda II (Wahlkreis 15) sowie im Wahlkreis Hersfeld (Wahlkreis 11) mit den Gemeinden Burghaun, Eiterfeld und Rasdorf (des Landkreises Fulda) wieder“, führte Dr. Gebhardt weiter aus, wobei er den Geschäftsführer des Hessischen Industrie- und Handelskammertages Frank Aletter herzlich in Fulda willkommen hieß. Der IHK-Präsident weiter: „In Wiesbaden werden wichtige Rahmenbedingungen für unsere regionale Wirtschaft gesetzt. Jede Unternehmerin, jeder Unternehmer muss derzeit mit vielfältigen Herausforderungen umgehen – sei es die übergeordnete Bürokratie, hohe Energiekosten, die Zinswende, gestörte Lieferketten, Fach- und Arbeitskräftemangel oder steigende Arbeitskosten. Alle politischen Parteien, die zur Wahl stehen, haben unterschiedliche Antworten auf diese Herausforderungen. Welche, das werden wir heute hören.“

Zur Lage der aktuellen deutschen Wirtschaft führte Gebhardt aus: „Die Lage der deutschen Wirtschaft ist sehr ernst. Für unsere mittelständisch und inhabergeführte regionale Wirtschaft wird die Luft dünner. Die deutsche Wirtschaft erholt sich mühsam von den Krisen der vergangenen paar Jahre, insbesondere die mit 6,1% nach wie vor hohe Inflation. Laut dem Statistischen Bundesamt lag das BIT-Wachstum im letzten Quartal bei 0%. Der ifo-Geschäftsklima-Index fiel im August auf 85,7 Punkte, der vierte Rückfall in Folge. Das belegt, dass sich die Stimmung in den deutschen Unternehmen weiter verschlechtert hat. Auch warnt das ifo-Institut eindringlich vor einer Krise in der Bauwirtschaft. Nach einem langjährigen Boom würden die höheren Zinsen und die drastisch gestiegenen Baukosten das Neugeschäft völlig abwürgen. Der Einkaufsmanager-Index zeigt, dass die deutsche Wirtschaft im August den stärksten Wachstumsrückgang seit über drei Jahrzehnten verzeichnet. Der GFK-Konsumklima-Index prognostiziert für das Konsumklima im September minus 25,5 Punkte und damit 0,9 Punkte weniger als im August dieses Jahres. Aufhorchen lässt hingegen die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zu den ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland: Rund 132 Milliarden US-Dollar mehr Direktinvestitionen flossen 2022 aus Deutschland ab, als im gleichen Zeitraum in die Bundesrepublik investiert wurden. Von 46 Staaten ist dies der stärkste Abfluss und deutet daraufhin, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland immer unattraktiver wird. Gründe dafür sind u.a. hohe Energiekosten, der Fachkräftemangel, die marode Infrastruktur, die steigenden Arbeitskosten sowie die zunehmende Bürokratie. Die deutsche Energiepolitik führt mittlerweile dazu, dass nach einer aktuellen Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer 32% aller Industrieunternehmen eine Verlagerung der Kapazitäten ins Ausland verlegen. Die Arbeitslosigkeit steigt derweil bundesweit, die Beschäftigung stagniert, die gemeldete Arbeitskräftenachfrage nimmt ab, bleibt aber auf hohem Niveau.

Die Arbeitslosigkeit im Landkreis Fulda ist zwar mit 3,5% weiterhin niedrig, aber deutlich höher als noch vor einem Jahr. Die enorme Kostenbelastung durch hohe Energie- und Materialpreise und auch die Zinswende zeigen ihre Wirkung. Nach Jahren sinkender Insolvenzzahlen hat sich der Abwärtstrend gedreht und im weiteren Jahresverlauf dürfte sich der aktuelle Trend steigender Insolvenzzahlen fortsetzen. Auch die Entwicklung im Landkreis Fulda folgt mittlerweile dem bundesweiten Trend. Gab es im ersten Halbjahr 2022 noch 11 Unternehmensinsolvenzen, waren es im ersten Halbjahr 2023 schon 20. Allerdings entsprechen die Zahlen jetzt dem Vor-Corona-Niveau. Vor wenigen Wochen hat der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer Peter Adrian die aktuelle Situation auf den Punkt gebracht: Deutschland ist in einer Rezession. Wir sind eines der wenigen Länder in Europa, die wieder unter dem Vor-Corona-Niveau bei der Wirtschaftsleistung sind. Das ist ein Alarmsignal. Die Lage der deutschen Wirtschaft ist insgesamt schwierig. Vor allem bei mittelständischen Unternehmen ist die Stimmung teilweise sehr schlecht. Es gibt eine große Investitionszurückhaltung. Liebe Kandidaten, es wartet viel Arbeit in Wiesbaden auf Sie. Wir sind gespannt auf Ihre Lösungen. Seien Sie sich bewusst, dass ohne eine funktionierende, regionale Wirtschaft auch diese politischen Ideen in anderen Bereichen nicht zu priorisieren sein werden. Allein drei Milliarden Körperschaftssteuer hat das Land Hessen im Jahr 2022 eingenommen; weitere 7,2 Milliarden Euro Gewerbesteuer haben die hessischen Kommunen im Jahr 2022 eingenommen. Die gesamten Steuereinnahmen in Hessen stiegen im Zeitraum 2009 bis 2022 von 14,8 auf 26,4 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 78,4%.

Mit der heutigen Veranstaltung, die unsere IHK zum ersten Mal organisiert, möchten wir zur politischen Meinungsbildung unserer regionalen Wirtschaft beitragen.“ Im Nachgang an die Einführung durch den IHK-Präsidenten holte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Fulda, Michael Konow, die Teilnehmer in der Reihenfolge der Ergebnisse der letzten Landtagswahl in Hessen auf die Bühne angefangen von dem höchsten prozentualen Ergebnis. Zur Beantwortung der wirtschaftspolitischen Fragestellungen bekam jeder Teilnehmer zur Beantwortung und seiner individuellen Auslegung eine Redezeit von exakt 90 Sekunden zugeteilt, die die Podiumsteilnehmer einhielten. Die Fragen zogen sich von der „Gewährleistung einer bezahlbaren, gesicherten und nachhaltigen Energieversorgung“ und dem „Ausbau der Erneuerbaren Energien im Landkreis Fulda“ über die „Duale Berufsausbildung und zur Ausbildungsausgabe und der Zukunft der Fuldaer Berufsschulen“ bis hin zum „Wunsch der regionalen Wirtschaft nach mehr Gewerbeflächen und wie dieser Wunsch angegangen werden“ könnte. Die Diskutantinnen und Diskutanten sprachen sich bis auf den Direktkandidaten der AfD parteiübergreifend für die Erneuerbaren Energien aus. Vollends einig war man sich beim Thema der Dualen Berufsausbildung. Auch war man parteiübergreifend der Auffassung, dass es nicht schaden könnte, zukünftig auch Gymnasiastinnen und Gymnasiasten für ein Schulpraktikum in der Jahrgangsstufe 8 zu verpflichten, wie es auf Haupt- und Realschulen seit vielen Jahren praktiziert wird. Einig war man sich auch beim Thema qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung und der Schaffung von mehr Krippenplätzen (0-3 Jahren) für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dass ein dringender Bedarf an Fachkräften besteht, stand ebenso außer Frage. Im Hinblick auf Einwanderung aus welchen Gründen auch immer sei es wichtig, diejenigen, die für den deutschen Arbeitsmarkt geeignet sind und über eine Qualifikation verfügen, diese Menschen schnellstmöglich in Beschäftigung zu bringen. Meist erledige sich das Sprachproblem dann von alleine. Eine Integration erfolge mit einer Beschäftigungserlaubnis in Deutschland. Bei diesem Thema war man geteilter Meinung. Im Abschlussstatement beantworteten die Podiumsteilnehmer in 90 Sekunden die an sie adressierte Frage, „welchen drei dringendsten wirtschaftlichen Themen im Landkreis Fulda sie sich im Falle eines Wahlerfolges annehmen werden.

Michael Douglas von der AfD versprach sich dafür einzusetzen, dass das Thema Energie „auf allen Ebenen die Priorität bekommt, die es haben muss“. „Ein Energiestandort wie Deutschland kann nur von günstiger und dauerhaft verlässlicher Energie leben. Der Irrweg der sogenannten ‚Energiewende‘ muss definitiv beendet werden“, sagte er. Auch werde er sich dafür einsetzen, dass die Kernkraft wieder reaktiviert werde. Ferner sprach er sich für „eine funktionierende Infrastruktur“ und die „Fachkräftesicherung“ aus. Mario Klotzsche von der FDP sieht in der Weiterentwicklung der Hochschule Fulda als Hochschule für Angewandte Wissenschaften zur Universität eine für den Landkreis Fulda gewinnbringende Chance. „Man weiß, dass Universitäten die Zentren für Unternehmensgründungen und Startups sind. Andere Regionen sind uns da voraus“, sagte Klotzsche. Auch er sprach sich gestern für den Ausbau der Infrastruktur im Landkreis Fulda aus. Seiner Meinung nach fehle ein Anschluss an die Autobahn bei Thalau in Richtung Rhön. Hier müssten die Ortschaften besser angeschlossen werden. Baustellen befänden sich ebenso bei der Ortsumgehung Petersberg und Margretenhaun. Drittes essenzielles Thema sei das Thema Wasserstoff. Klotzsche: „Die FDP-Landtagsfraktion hat einen Gesetzesentwurf zum Wasserstoffzukunftsgesetz eingebracht. Wir als Freie Demokraten sprechen uns dafür aus, dass die Region Fulda ans Wasserstoffnetz angeschlossen wird.“

Birgit Kömpel MdB sieht einen großen Bedarf im Bereich Fachkräftemangel, diesem sie sich verschreiben würde. Ebenso plädiert die SPD-Politikerin für gleiche Verhältnisse auf dem Land zur Stadt. Der Landesentwicklungsplan sei ein Beispiel, gegen das sie sich vehement wehren würde. Weiter voran gebracht werden müsse ihrer Meinung nach hier vor Ort die Digitalisierung. „Wir sind dringend auf eine bessere Breitbandversorgung angewiesen; ohne sie geht es heute nicht mehr“, so Kömpel. Landtagsabgeordneter Sebastian Müller von der CDU griff ebenfalls das Thema Infrastruktur auf; beim Thema Breitband habe man im Landkreis die „Hausaufgaben gemacht“, das 100 Millionen Euro-teure Projekt befände sich in der konkreten Umsetzung und laufe in Wüstensachsen an. „Zweiter wichtiger Punkt ist das Thema Fachkräftemangel, was ebenfalls heute schon mehrfach angesprochen wurde. Ebenso verhält es sich beim Thema frühkindliche Bildung. Ein weiteres Thema, das uns nicht nur im Landkreis Fulda, sondern ganz Hessen betrifft, sind die Themen Regulatorik und Bürokratieabbau. Hier haben wir große Aufgaben zu erfüllen. Dazu haben wir als CDU im Landtagswahlprogramm konkrete Vorschläge gemacht. Hier müssen wir mitunter Mut beweisen und dabei unsere Selbstverantwortung stärken. Und das ist eine der Hauptaufgaben in den nächsten Jahren“, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete und Kandidat zur Landtagswahl am 8. Oktober, Sebastian Müller abschließend.

Landtagsabgeordneter Markus Hofmann von den Grünen sprach sich für die Fortsetzung der Themen, denen er sich auch aktuell als Sprecher für Kommunales, Tourismus, Handwerk und Mittelstand im Hessischen Landtag widmet, aus. Zweites wichtiges Thema, dem er sich widmen werde, sei das Thema Infrastruktur. Als dritten wichtigen Punkt führte er die Berufsausbildung bzw. die Duale Berufsausbildung an. Dass er sich als Grünen-Politiker weiter dem Thema Erneuerbare Energien widmen, verstünde sich von selbst, so Hofmann. IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Konow dankte den Direktkandidatinnen und Direktkandidaten für ihre Teilnahme und wünschte ihnen einen erfolgreichen sowie fairen Wahlkampf und versprach mit allen, ganz gleich welcher politischen Partei sie angehören, „unparteiisch“ zum Wohle einer erfolgreichen Wirtschaftsregion zusammenzuarbeiten. +++ jessica auth