Gewerkschaften dringen auf Reform bei Arbeitszeiterfassung

Schlichtweg nicht praktikabel

Arbeitnehmervertreter dringen vor der Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch auf eine Reform bei der Arbeitszeiterfassung in Branchen, die anfällig für Schwarzarbeit und Mindestlohn-Verstöße sind. „Jetzt im Paket mit dem 12-Euro-Mindestlohn und den 520-Euro-Minijobs auch die digitale Arbeitszeiterfassung mit zu sichern, ist absolut richtig: Die Gefahr, dass etliche Arbeitgeber es mit den tatsächlich geleisteten Stunden nicht so genau nehmen, wenn sie künftig 12 Euro pro Stunde als neuen Mindestlohn zahlen müssen, ist groß“, sagte Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG BAU, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Feiger warnte angesichts des höheren Mindestlohns: „Da könnte manch ein Chef in die Versuchung kommen, bei den Arbeitsstunden „zu schlabbern“ – und das nicht zu seinem Nachteil.“ Eine digitale Arbeitszeiterfassung sei daher das fairste Mittel. Der Nachweis auf Papier, wie er bisher erfolgen kann, sei fälschungsanfällig, so der IG-BAU-Chef. „Wenn sich hier einzelne Verbände gegen digitalen Fortschritt in der Arbeitswelt und für Zettelwirtschaft aussprechen, ist das nur mit einem Kopfschütteln zu quittieren“, sagte Feiger. Unterstützung erhält Feiger von Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Auf jeden Fall sollte im Gesetz klargestellt werden, dass die Arbeitgeber ihre Arbeitszeitaufzeichnungen nicht „nach“, sondern spätestens „mit“ Ablauf des Abrechnungszeitraums an die jeweiligen Beschäftigten übersenden müssen“, sagte Piel. So könnten Beschäftigte überprüfen, ob ihr Arbeitsentgelt korrekt berechnet werde.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) lehnt die vom Bundesarbeitsministerium geplante Einführung einer digitalen Arbeitszeiterfassung in elf Branchen dagegen ab. „Eine digitale Dokumentationspflicht am selben Tag ist in bestimmten Branchen, in denen Beschäftigte verschiedene Kundeneinsätze haben, schlichtweg nicht praktikabel“, sagte BVMW-Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz den Zeitungen. Die Anschaffung mobiler Endgeräte sei mit hohen Kosten, aber ohne wirtschaftlichen Mehrwert verbunden, kritisierte Völz. Zugleich sprach sich der BVMW-Volkswirt für eine Reform des Arbeitszeitgesetzes aus. „Die Verkürzung der Ruhezeit und Ablösung der Tageshöchstzeiten durch Jahreszeitkonten sind die Bausteine, die dringlich angegangen werden müssen“, sagte Völz.

Scheitern könnte das Vorhaben am Ende auch an der FDP. „Aus fachlicher Sicht ist dieser Regelung nicht zuzustimmen. Hier muss Hubertus Heil nacharbeiten“, sagte Pascal Kober, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Für Tätigkeiten, die an oft wechselnden Orten stattfinden, sei die vorgeschlagene Zeiterfassung kaum umzusetzen. „Sie widerspricht darüber hinaus eindeutig den Aussagen im Koalitionsvertrag, wonach wir Abläufe und Regeln vereinfachen wollen“, kritisierte Kober. Er forderte, die Ermittlungsbehörden zur Kontrolle von Schwarzarbeit und der Einhaltung des Mindestlohns besser auszustatten. „Dafür wäre zu prüfen, inwiefern die Arbeit der zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit strukturell und personell reformiert und gestärkt werden kann. Hier waren in der Vergangenheit Defizite aufgedeckt worden, die es gilt auszugleichen“, sagte Kober.

Auch die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Fulda wehrt sich gegen Pläne der Bundesregierung, wonach die Regeln zur Arbeitszeiterfassung drastisch verschärft werden sollen. „In elf Branchen sollen ab Oktober alle Arbeitszeiten täglich und vollständig digital erfasst werden. Das betrifft zahllose Firmen im Kreis Fulda, über die damit ein Bürokratie-Tsunami hereinbricht“, klagt Jürgen Diener, Vorsitzender des MIT-Kreisverbandes Fulda. Der MIT-Kreisverband Fulda verweist darauf, dass der Mittelstand noch immer stark unter den Folgen der Corona-Pandemie leidet. „Die Betriebe bräuchten Entlastung und Freiräume statt mehr Bürokratie und Gängelung“, sagt Diener. Der SPD-Minister stelle die Unternehmen nicht nur vor neue rechtliche und technische Hürden. „Er droht ihnen direkt mit Bußgeldern, wenn sie nicht bis Oktober alles ordnungsgemäß umgesetzt haben“, kritisiert Diener. „Für den Arbeitsminister sind Betriebe offenbar potentielle Ausbeuter. Dieses Unternehmerbild ist verzerrt und wird dem Mittelstand als Zugpferd der deutschen Wirtschaft nicht gerecht“, heißt es in einer Mitteilung an fuldainfo.de +++

Sie können uns jederzeit Leserbriefe zukommen lassen.

Diskutieren kann man auf Twitter oder Facebook

Hier können Sie sich für den fuldainfo Newsletter anmelden. Dieser erscheint täglich und hält Sie über alles Wichtige, was passiert auf dem Laufenden. Sie können den Newsletter jederzeit wieder abbestellen. Auch ist es möglich, nur den Newsletter „Klartext mit Radtke“ zu bestellen.

Newsletter bestellen