Gelder für Erstorientierungskurse gestrichen – Mischak: „Hier wird an der falschen Stelle gespart“

Bund hat Gelder für Erstorientierungskurse gestrichen

Dr. Jens Mischak

Berlin streicht das Geld und wieder wirkt sich das aus bis in die kleinsten Vogelsberggemeinden. Jüngstes Beispiel: Für Einstiegskurse, die die deutschen Volkshochschulen für Geflüchtete anbieten, gibt es dieses Jahr 20 Millionen weniger, die Volkshochschulen können daher dieses niedrigschwellige Angebot in bisheriger Form nicht aufrechterhalten. Im Vogelsbergkreis zum Beispiel können von den sechs angemeldeten Erstorientierungskursen gerade einmal zwei angeboten werden. „Hier wird an der völlig falschen Ecke gespart“, ärgert sich Dr. Jens Mischak (CDU). „Gerade die Sprache ist doch der Schlüssel zur Integration. In der jetzigen Situation, in der Woche für Woche tausende Geflüchtete in Deutschland ankommen, sollten mehr statt weniger Kurse angeboten werden.“ Der Erste Kreisbeigeordnete schließt sich daher der Forderung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes an, die Mittel für diese niedrigschwelligen Angebote sofort wieder aufzustocken.

Herr Dr. Mischak, was genau ist unter Erstorientierungskursen zu verstehen?

Dr. Jens Mischak: Diese Erstorientierungskurse wurden für Geflüchtete eingerichtet, die im Moment noch keinen Zugang zu einem Integrationskurs haben. Die Erstorientierungskurse haben kürzere Laufzeiten und bieten mehr Flexibilität in der Kursgestaltung. Man kann sie als Alternative beziehungsweise als Vorbereitung auf weiterführende Bildungsangebote ansehen. Für die Volkshochschulen sind sie ein wichtiges Instrument, um flexibel auf Integrationsbedarfe vor Ort zu reagieren. Aus diesem Grund wurden die Kurse nach Beginn des Ukrainekrieges auch für Geflüchtete aus der Ukraine geöffnet. Deren Zahl ist aufgrund des noch immer andauernden Krieges nach wie vor hoch.

Und dafür gab es zusätzliche Gelder?

Dr. Mischak: Ja, richtig. Um dem Mehrbedarf an Kursen gerecht zu werden, stockte der Bund seine finanzielle Förderung im vergangenen Jahr von 22 auf 45 Millionen Euro auf. Doch obwohl auch in diesem Jahr der Bedarf auf unverändert hohem Niveau fortbesteht, wurden die Mittel für das Jahr 2023 nun auf 25 Millionen Euro zurückgefahren.

Wie viele Erstorientierungskurse hat die Volkshochschule des Vogelsbergkreises bislang durchgeführt?

Dr. Mischak: Im vergangenen Jahr starteten zehn Kurse, im Moment laufen zwei neue Kurse in Alsfeld und Lauterbach, hinzu kommt ein sogenannter „überjähriger“ Kurs, der noch bis Mitte Mai in Freiensteinau läuft. Bundesweit, sagt der Deutsche Volkshochschulverband, liegen für dieses Jahr Anträge für rund 1200 Erstorientierungskurse vor. Maximal finanziert werden können 250.

Wie stellt sich die Lage im Vogelsbergkreis dar, nachdem die Bundesmittel gekürzt wurden?

Dr. Mischak: Vier geplante Kurse, die im ersten Halbjahr starten sollten, können nicht stattfinden. Das sind immerhin 80 Kursplätze. Die Kurse sollten in Schotten-Betzenrod, Gemünden und Ulrichstein angeboten werden. Da die Erstorientierungskurse aufgrund des größeren Pools an Kursleitungen auch stärker in der Fläche stattfinden konnten als Integrationskurse, wird es uns ab dem zweiten Halbjahr deutlich erschwert, Sprachbedarfe in kleineren Städten und Gemeinden vor Ort zu decken.

Sind bereits laufende Kurse ebenfalls gefährdet?

Dr. Mischak: Nein, da wir ein Kursende aller laufenden Kurse bis zum 30. Juni hinbekommen werden. Später stattfindende Unterrichtsstunden könnten aber nicht mehr abgerechnet werden.

Wie viele Menschen sind betroffen?

Dr. Mischak: Pro Kurs können 20 Personen beschult werden. Zielgruppen sind Menschen mit schlechter Bleibeperspektive, zum Beispiel aus dem Irak, und seit 2022 auch Ukrainer.

Letzte Frage: Der Deutsche Volkshochschulverband fordert zudem eine Vereinfachung administrativer Vorgaben? Unterstützen Sie auch diese Forderung?

Dr. Mischak: Ja, durchaus. Wie sehr die Bürokratie ausufert, will ich an einem Beispiel festmachen: Während der 300 Unterrichtsstunden eines Erstorientierungskurses muss die Kursleitung seit Anfang 2022 sechsmal einen sogenannten „Lernzielcheck“ ausfüllen. Diesen muss die vhs dann an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weiterleiten. Damit soll dokumentiert werden, dass die Teilnehmer bestimmte Inhalte beherrschen wie zum Beispiel geläufige Einrichtungsgegenstände benennen. Es handelt sich dabei nicht um eine Prüfung, nur um eine Dokumentation – verbunden aber mit großem bürokratischen Aufwand. +++ pm