Fehlurteile: Justizministerkonferenz will Opfer besser entschädigen

Ein Entschädigungsbetrag von 25 Euro bezeichnete Neskovic als "beschämend gering"

Eva Kühne-Hörmann (CDU)
Eva Kühne-Hörmann (CDU)

Berlin. Die Justizministerkonferenz von Bund und Ländern will sich am 9. November mit Fehlurteilen in Strafprozessen und einer besseren Entschädigung von zu Unrecht Inhaftierten befassen. „Kein System ist unfehlbar, auch nicht die Justiz“, sagte Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) der „Welt am Sonntag“ und dem „Bayerischen Rundfunk“ (BR). Sie stehe einer Diskussion über eine Erhöhung der Entschädigung offen gegenüber.

Der Vorsitzende der Konferenz, der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP), sagte: „Der Beschlussvorschlag enthält die Forderung nach einer Anhebung.“ Bisher wird ein Hafttag pauschal mit 25 Euro entschädigt. In den Niederlanden ist dieser Satz mehr als doppelt so hoch. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, sagte: „Den Betroffenen muss bessere Hilfe gewährt werden. Es sollte auch über eine maßvolle Erhöhung der Entschädigungssätze gesprochen werden.“ Wolfgang Neskovic, früher Richter am Bundesgerichtshof (BGH) und ehemals Bundestagsabgeordneter, nannte den Umgang des Staates mit Opfern von Fehlurteilen „ein trauriges und beschämendes Kapitel deutscher Justizpolitik“. Wenn jemand unschuldig ins Gefängnis müsse, sei das „praktisch der Supergau der Rechtsstaatlichkeit“. Ein Entschädigungsbetrag von 25 Euro bezeichnete Neskovic als „beschämend gering“ und er könne „nicht verstehen, dass der Gesetzgeber über so wenig Empathie für unschuldig Verurteilte verfügt“.

Auf der Justizministerkonferenz wird eine Studie der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) mit dem Titel „Rehabilitation und Entschädigung zu Unrecht inhaftierter Personen“ (102 Seiten) präsentiert. Die Gemeinschaftseinrichtung von Bund und Ländern hat erstmals alle von Ende 1990 bis Anfang 2017 verfügbaren Fehlurteile systematisch ausgewertet. 31 Personen saßen demnach unschuldig im Gefängnis. Sie wurden von Gerichten nach einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen. Solche Verfahren sind in Deutschland äußerst selten erfolgreich. Die Studie zieht das Fazit: „Die finanzielle und materielle Entschädigung für lange Haftzeiten, die oft zu einem Verlust der gesamten bürgerlichen Existenz geführt haben, wird als unzureichend eingestuft.“ Ein Entschädigungsverfahren dauert laut Studie im Schnitt 15 Monate.

Zu Unrecht Inhaftierte, die für die Studie befragt wurden, gaben an, das Warten auf eine Zahlung sei „gefühlt endlos“ gewesen. Sie beklagten, „künstliche Verzögerungstaktik“ staatlicher Stellen sei die Regel. Die KrimZ schlägt „Justiz-Ombudsstellen“ vor, zentrale Anlaufstellen, die sich um alle Fragen der Entschädigung und Rehabilitation kümmern sollen. Ansprüche müssen derzeit noch bei verschiedenen Stellen der Justiz, etwa bei Staatsanwaltschaften, geltend gemacht werden. Die Zuständigkeiten in den Bundesländern sind bislang unterschiedlich geregelt. Die KrimZ war im April 2014 mit der Erstellung der Studie beauftragt worden. Bei gut einem Drittel der ausgewerteten Verfahren geht es um Verurteilungen wegen Sexualdelikten. Und bei knapp einem weiteren Drittel handelt es sich um Gewaltdelikte wie Körperverletzung, Geiselnahme oder Mord. +++

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