Faust-Abend im Morgensternhaus – „Inklusives Theaterprojekt“ bietet Fulda Steilvorlage

Fulda. Am Donnerstagabend fand – anlässlich des inklusiven Theaterprojektes der Gemeinschaft Altenschlirf, einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für Menschen mit und ohne Behinderung in Herbstein-Altenschlirf (Vogelsbergkreis) – im Fuldaer Morgensternhaus (Gerloser Weg 70) ein Faust-Abend statt. Eingeladen zu diesem Themenabend hatte der Fuldaer Unternehmer Wolfgang Gutberlet. Ziel des Abends war es, über die Aktualität der Tragödie zu sprechen, um sich – unter anderem der Frage zu widmen, was uns Goethes Faust heute eigentlich noch sagen kann. Daneben zeigte die Gemeinschaft Altenschlirf vereinzelte Szenen aus ihrer Inszenierung.

„Was kann uns eigentlich Literatur heute noch geben, welche Haltung müssen wir eigentlich einnehmen, dass uns Literatur und insbesondere der Faust und Goethe heute noch etwas geben können?“, eröffnete Wolfgang Gutberlet den Faust-Abend. Unser längst unzulänglich gewordenes „Streben nach Mehr“ deklarierte der Unternehmer mit einem Zitat von dem zeitgenössischen Philosophen Sloterdijk, demnach die Menschen alles erreichen wollen, ohne eigentlich etwas dafür getan zu haben und berief sich an dieser Stelle auf Sloterdijk, der einmal gesagt haben soll: „Das ist die Massenfrivolität unserer Zeit, das wir ankommen wollen, ohne den Weg gegangen zu sein“ – Nach Gutberlet sah Goethe die Menschen ganz ähnlich – sie hätten schon ihre Vorstellung vom Ziel, nur wöllten diese, auf ihrem Wege schlendern und dabei ihr Ziel auf irrtümlichen Wegen erreichen.

Um das berühmte „Streben nach Mehr“ geht es auch in Goethes Tragödie. Nach Johann Wolfgang von Goethe, hätten die Menschen schon damals in diesem Korsett des „Ewigen Strebens“ gesteckt – sonst hätte es Goethe wohl kaum zum Gegenstand seiner Tragödie gemacht. Die Auflösung des Gleichnisses im Faust ist simple, weiß auch Gutberlet: „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis – alles ist nur das, was wir lernen – alles, das, was um uns herum ist, will Goethe uns durch Faust wissen lassen.“ Demzufolge ist Alles, was wir im Irdischen Kontext begreifen können, Lernstoff.

„Das kulturelle Miteinander ist die Basis unseres Zusammenlebens“, so Projektleiter Norbert Venschott in seinen Begrüßungsworten. Ohne dieses kulturelle, religiöse und wissenschaftliche Miteinander, – wäre ein solches ‚Miteinander Leben‘, wie wir es seit 33 Jahren – dieses Jahr feiern wir gerade unser 33-jähriges Bestehen – in unsern 16 Wohngemeinschaften pflegen, in dieser Form nicht möglich. Das Bewahren unseres Leitbildes führt dazu, dass das, was wir in Altenschlirf tun, nämlich miteinander leben und arbeiten, völlig normal ist“, so Venschott weiter.
Vor acht Jahren inszenierte die Lebensgemeinschaft Altenschlirf Mozarts Zauberflöte. Damals waren Sänger extra aus Wien angereist, um zusammen mit der Gemeinschaft Altenschlirf, dieses „inklusive Theaterprojekt“ zu leben.

Wichtig, wenn man von inklusiven Theaterprojekten – im Zusammenhang mit der Gemeinschaft Altenschlirf spricht-, ist, dass das, was diese Lebensgemeinschaft „zusammen anpackt“ – im wahrsten Sinne des Wortes auch ein gelebtes Projekt dieser Gemeinschaft ist, weiß auch Regisseurin Almut König: „Das, was wir – und sie betont bewusst wir – auf der Bühne geben und leben, das sind einfach wir. Es macht so viel Spaß, diesen Menschen – und wenn man sieht, wie viel Spaß es ihnen macht -beim Spielen zuzusehen.“ Oft wurde Goethes Meisterwerk rezipiert, interpretiert und adaptiert – doch das, worauf sich die Gemeinschaf Altenschlirf seit über einem Jahr vorbereitet, fungiert als unkonventionelles dramaturgisches Bühnengeschehen. In diesem Kontext gibt es beim „inklusiven Theaterprojekt“ gleich zwei Mephistos. Das Besondere bei dieser Bühnenadaption ist, dass dem Zuschauer in beide Persönlichkeitsanteile Mephistos Einblick gewährt wird. Man darf gespannt sein, wie die inklusivste Stadt Deutschlands dieses Projekt aufnehmen wird.

Die Faust-Aufführungen des inklusiven Theaterprojektes belaufen sich auf jeweils drei aufeinanderfolgenden Tagen. In diesem Sinne werden diese am Freitag, den 30.10., Samstag, den 31.10. sowie Sonntag, den 01.11.2015 im Wilhelm-Meister-Saal der Gemeinschaft Altenschlirf in Herbstein-Altenschlirf sowie am Freitag, den 06.11., Samstag, den 07.11. und am Sonntag, den 08.11.2015 im Schlosstheater Fulda zu besuchen sein. Die etwa vierstündigen Veranstaltungen beginnen jeweils um 17:00 Uhr und beinhalten zwei Pausen. Die Tickets belaufen sich auf 24,00 Euro/ermäßigt, 14,00 Euro. Weitere Informationen zum Projekt sowie Kartenerwerb unter: faust@gemeinschaft-altenschlirf.de oder unter der Rufnummer: 06647 960 60. +++ fuldainfo | jessica auth

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