Faeser: Corona-Pandemie gefährdet die Gleichstellung

EZB-Chefin sieht Chance für mehr Gleichberechtigung

Nancy Faeser, Vorsitzende der SPD Hessen und SPD-Landtagsfraktion

Zum Weltfrauentag hat Nancy Faeser, die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, auf die besondere Herausforderungen hingewiesen, mit denen sich Frauen in der Corona-Pandemie konfrontiert sehen. Es seien die Frauen, die noch immer den Großteil der Care-Arbeit übernähmen, sagte Faeser: „Beruf, Homeschooling, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und viele Aufgaben mehr werden auch im Jahr 2021 noch überwiegend von Frauen übernommen. Damit geht eine enorme Belastung einher, die nicht selten dazu führt, dass Frauen ihre Arbeitsstunden reduzieren, an Gehalt einbüßen und in vielen Fällen einen kaum mehr zu behebenden Karriereknick erfahren.“

Die Pandemie habe dazu geführt, dass in den Familien vielfach wieder tradierte Geschlechterrollen zum Nachteil der Frauen gelebt würden, so Faeser. Dieser gesellschaftliche Roll-Back werde von der hessischen Landesregierung weder zur Kenntnis genommen noch politisch adressiert. Faeser sagte: „Dass die Landesregierung ignoriert, wie die Erfolge im Ringen um die Geschlechtergerechtigkeit in der Corona-Pandemie erodieren, kann uns Frauen nicht überraschen – immerhin besteht das schwarzgrüne Corona-Kabinett, das in der Krise die maßgeblichen Entscheidungen trifft, ausschließlich aus Männern.“ Nancy Faeser forderte, in der Pandemie mehr noch als zu normalen Zeiten bei allen Entscheidungen der Politik die Auswirkungen auf Frauen und die Gleichstellung immer mitzudenken. Weiter sagte Faeser: „Die Berufe, die in dieser Pandemie so wichtig sind, sind mehrheitlich weiblich: 85 Prozent der Beschäftigten in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen, 87 Prozent der Kräfte im privaten Pflegedienst, 90 Prozent der Grundschullehrkräfte und 96 Prozent des Kita-Personals sind Frauen. Und sie sind für das, was sie leisten, noch immer unterbezahlt. Um das zu ändern, setzen sich meine Fraktion und meine Partei schon lange für allgemeinverbindliche Tarifverträge ein.“ Zu den besonders dramatischen Folgen der Corona-Pandemie zähle auch die zunehmende häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder. Zugleich mache es die aktuelle Situation für die Frauen, die Opfer von Gewalt würden, deutlich schwerer, Hilfe zu finden. Nancy Faeser forderte daher verstärkte Anstrengungen von der Landesregierung, um die Istanbul-Konvention auch in Hessen vollständig umzusetzen. Andere Bundesländer, beispielsweise das benachbarte Rheinland-Pfalz, hätten dieses Ziel bereits erreicht. Faeser sagte: „Wir brauchen auch in Hessen endlich eine Koordinierungsstelle. Wir brauchen eine Verdoppelung der Plätze in den Frauenhäusern und mehr Personal – auch im Bereich der Dolmetscherinnen. Grundsätzlich müssen die hessischen Frauenhäuser und Beratungsstellen endlich dem Bedarf entsprechend finanziell ausgestattet werden. Es ist beschämend, dass CDU und Grüne mit ihrer Regierungsmehrheit alle entsprechenden Haushaltsanträge der SPD abgelehnt haben. Schwarzgrün hat damit gezeigt, dass die Regierungsparteien beim Thema Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit nichts anzubieten haben, als wohlklingende, aber hohle Worte – und das 110 Jahre nach dem ersten Weltfrauentag.“

EZB-Chefin sieht Chance für mehr Gleichberechtigung

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, sieht in der Corona-Pandemie eine Chance für die Gesellschaft, die Geschlechterrollen nachhaltig gerechter zu ordnen. „Die Pandemie hat uns nicht nur wesentliche Schwachstellen unserer Gesellschaft vor Augen geführt – sie hat uns auch gezwungen, die Dinge auf andere Art anzupacken“, schreibt die EZB-Chefin in einem Gastbeitrag für das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Genau hier sehe sie die Chance für eine „Wende zum Besseren“. Lagarde schreibt in dem Beitrag, der am Montag in mehreren europäischen Staaten zeitgleich veröffentlicht wird, sie wolle an die Europäer appellieren, alte Gewohnheiten infrage zu stellen und neue Strukturen zu schaffen, die Geschlechtergleichstellung besser ermöglichen. „Es gibt viel zu tun, zu Hause, bei der Arbeit und wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht.“ So habe die Pandemie einerseits verdeutlicht, wie ungleich die unbezahlte Arbeit zwischen Frauen und Männern verteilt sei. Gleichzeitig habe sie gezeigt, dass es in Partnerschaften auch anders gehen könne. „In manchen Familien übernahmen Väter den größten Teil der Betreuung, da sie von zu Hause arbeiten mussten oder in Kurzarbeit waren, während die Mütter systemrelevante Berufe außer Haus ausübten“, schreibt Lagarde. Darin liege eine große Chance auch nach der Krise. Gleichzeitig rief die EZB-Chefin dazu auf, den Frauenanteil in politischen Ämtern und in den Vorstandsetagen der Unternehmen deutlich zu erhöhen. Außerdem sollten Frauen verstärkt auch Berufe aus den Bereichen Wissenschaft, Technik, Ingenieurwesen und Mathematik ergreifen. „Lassen sie uns gemeinsam vorangehen und mit alten Gewohnheiten brechen, um als stärkere, gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft aus dieser Pandemie herauskommen“, schreibt Lagarde.

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