EU-Kommission erwägt verschärfte Klimaziele

Potsdam-Institut hält Pariser Klimaziele für nicht ausreichend

EU-Kommissionsvize Frans Timmermans bringt vor der Uno-Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh zusätzliche Maßnahmen der Europäer im Kampf gegen die Erderwärmung ins Gespräch. „Wir schaffen es vielleicht sogar, in Ägypten konkrete Maßnahmen zu präsentieren, um unsere Emissionen um mehr als 55 Prozent zu senken“, sagte er dem „Spiegel“. „Das wäre wichtig, denn momentan redet international kaum noch jemand über Emissionen.“ In der Debatte über fehlende Gelder für den 100 Milliarden Dollar schweren Klimafonds für die Entwicklungsländer verteidigte der niederländische Sozialdemokrat das Vorgehen der Europäer. „Wir zahlen jedes Jahr mindestens 25 Milliarden Dollar, es sind die Amerikaner, die hier nicht liefern“, sagte Timmermans.

Auch US-Präsident Joe Biden halte bisher nicht, was er versprochen habe. „Ich verstehe gut, dass sich der globale Süden darüber beschwert.“ Der EU-Kommissionsvize kritisierte die USA auch wegen ihrer wettbewerbsverzerrenden Subventionen im sogenannten Inflation Reduction Act. „Die US-Regierung sollte sich fragen, ob sie ausgerechnet jetzt, da Russland einen Krieg in Europa angezettelt hat und auch China zunehmend aggressiv agiert, einen Handelskonflikt mit der EU gebrauchen kann“, sagte Timmermans. „Wir müssen versuchen, das auf andere Weise zu lösen.“ Bundeskanzler Olaf Scholz warf er vor, in der Diskussion um das deutsche Energie-Entlastungspaket in Höhe von 200 Milliarden Euro Missverständnissen Vorschub geleistet zu haben. „Viele Länder sind ähnlich vorgegangen wie Deutschland, aber sie haben ihre Maßnahmen nicht an die große Glocke gehängt“, sagte er. „Die Bundesregierung dagegen hat mit ihrer 200-Milliarden-Euro-Ansage den Eindruck erweckt, als würden die Deutschen nur an sich denken.“ Das sei kommunikativ nicht besonders geschickt gewesen. Nachvollziehen könne er die Ankündigung dennoch, weil er Mitglied verschiedener Mehrparteienregierungen in den Niederlanden gewesen sei. „In einer Koalition ist man oftmals froh, überhaupt einen Kompromiss gefunden zu haben“, sagte er dem „Spiegel“. „Man denkt dann zu wenig darüber nach, wie er im übrigen Europa ankommt.“

Potsdam-Institut hält Pariser Klimaziele für nicht ausreichend

Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Johan Rockström, kritisiert das international weitgehend anerkannte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) sagte er, dieses Ziel reiche nicht, um einen immer schnelleren Klimawandel zu verhindern. Die Grenze müsse „unterhalb von 1,5 Grad“ liegen. Richtig sei ein Maximum von 1,3 Grad. Gegenwärtig habe man schon 1,2 Grad erreicht. Den Grund für diese Forderung hat Rockström im September zusammen mit anderen Forschern in der Zeitschrift „Science“ dargelegt: Sie schreiben, einige der „Kippunkte“, ab denen die Erwärmung sich von selbst beschleunige, seien möglicherweise jetzt schon erreicht. Dazu gehöre das Abtauen der Eispanzer in Grönland und in der westlichen Antarktis. Rockström sagte der FAS, er trete zwar „persönlich“ für eine neue Grenze bei 1,3 Grad ein, als Direktor des PIK unterstütze er aber die Linie seines Institu  ts, das geltende 1,5-Grad-Ziel weiter zu verfolgen. Diese Schwelle ist im Klima-Abkommen von Paris festgelegt. Er sei „Pragmatiker“, stellte Rockström fest, und er sehe, dass es „null“ Chancen gebe, eine ehrgeizigere Grenze durchzusetzen. „Das Pariser Abkommen ist das einzige verbindliche Dokument, das wir haben. Deshalb verteidige ich es.“ An die Adresse Deutschlands richtete Rockström den Appell, im Kampf gegen die Erderwärmung Atomenergie und CO2-Speicherung zu nutzen; Beides ist in der Bundesrepublik umstritten. „Bei der Speicherung von CO2 muss Deutschland umdenken“, sagte Rockström. „Es geht nicht ohne. Das ist kein gefährliches Geo-Engineering, sondern das schafft man mit bewährten Technologien.“ Außerdem sei die Klimakrise „zu ernst, um bestehende Kernkraftwerke zu schließen, solange sie sicher sind. Wer das tut, handelt falsch“. Neue Kernkraftwerke seien aber nicht sinnvoll. „Das würde zu lang dauern, und nach dem heutigen Stand der Technik würde es zu viel kosten.“ +++

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