Der Beginn eines Stückchens Zukunft für die Menschen in Hohenroth

Die Eröffnung des Zentrums wurde groß am 3. Juni mit Politik, Freunden und Förderern der SOS-Dorfgemeinschaft gefeiert. Bereits die ganze Woche wartete die Dorfgemeinschaft gespannt auf dieses Ereignis. Der erste Geburtstag des Zentrums wurde am 3. Juni zeitgleich mit dessen Eröffnung groß gefeiert. Nach einer pandemiebedingten Aussetzung der Eröffnungsfeier im letzten Jahr freuten sich die Hohenrother umso mehr, diese endlich nachzuholen.

Den Auftakt der Veranstaltung bildete die Rede des Einrichtungsleiters der SOS-Dorfgemeinschaft Hohenroth, Mario Kölbl. Er begrüßte alle Anwesenden und erzählte etwas zur Entstehung des Zentrums. Nach Gründung der Stiftung „Heimat im Alter“ vor 16 Jahren sei in Burgsinn in der Villa Adelmann eine erste Gruppe an Menschen mit erhöhtem Betreuungsbedarf eingerichtet worden. Der Bedarf an weiteren Betreuungsplätzen hätte jedoch über die Jahre immer mehr zugenommen. So sei nach und nach die Idee des Zentrums mit angegliederter Tagesstruktur entstanden. „Nach langen Verhandlungen mit unserem Träger SOS-Kinderdorf fiel der Startschuss für unser Mammut-Projekt vor vier Jahren“, so Kölbl. Am 17. Mai 2019 sei der Grundstein des Hauses gelegt worden. „Bereits zwei Jahre später stand das Gebäude einzugsbereit da, das hätten viele nicht für möglich gehalten“, so Kölbl stolz. Dies sei unter anderem auch durch die gute Zusammenarbeit mit dem Münchner Baureferat möglich gewesen. „Der Umzug von 24 Menschen mit erhöhtem Hilfebedarf ins Zentrum erfolgte dann innerhalb von vier Wochen vor einem Jahr“, resümierte Kölbl.

Die Vorstandsvorsitzende des SOS-Kinderdorf e.V. Prof. Dr. Sabina Schutter bekräftigte, dass Generationen und Familie nach dem Leitbild in der Kinder- und Jugendhilfe von SOS-Kinderdorf unterstützt werden sollten. Auch deshalb verfüge SOS-Kinderdorf als Kinder- und Jugendhilfeträger über weitere Mehrgenerationenhäuser. „Wenn man älter wird, gehört man immer noch einer Familie an, ist noch immer das Kind von Eltern. Und wenn man älter wird, hat man Hilfebedarf,“ so Schutter. Aus diesem Grunde sei das Zentrum für Menschen mit erhöhtem Hilfebedarf geplant worden. Sie hätte beeindruckt, dass das Zentrum auf den Wünschen der Bewohner basiere. „Der Wunsch nach gemeinsamem alt werden in der Heimat, in der Dorfgemeinschaft, stand bei den Bewohner*innen ganz vorne mit dabei. Auf keinen Fall wollten sie in ein Altenheim,“ so Schutter weiter. Diese Wünsche der Menschen hätte SOS-Kinderdorf sehr ernst genommen, die Beteiligung der betroffenen Menschen sei ein wichtiger Baustein des Vereins. Auch die Stiftung Heimat im Alter sowie der Angehörigenrat Hohenroths hätten SOS-Kinderdorf von der Dringlichkeit des Projektes überzeugen können. Zwei weitere Zentren in SOS-Einrichtungen sollen in naher Zukunft ebenso eröffnet werden.

Maria Schwarzfischer, Regionalleiterin bei SOS-Kinderdorf e.V., bekräftigte die Aussagen von Prof. Dr. Sabina Schutter. Als besonders eindrücklich und wegweisend beschreibt sie den Besuch der ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Birgit Lambertz in Hohenroth. Diese sei von der Einstimmigkeit und Dringlichkeit des Wunsches der Menschen überzeugt worden. Erst dadurch hätte das Gemeinschaftsprojekt entstehen können. Diese Selbst- und Mitbestimmung der Bewohnerinnen hätte vor allem auch den Vorstand und den Aufsichtsrat bei SOS-Kinderdorf e.V. überzeugen können. Den zweiten wichtigen Punkt für die erfolgreiche Realisierung des Projekts sah Schwarzfischer in der Umsetzung durch die Bauleitung und die Architekten, welche sich ebenso auf die Wünsche der Bewohnerinnen eingelassen hätten. Bereits bei der Standortsuche seien die Menschen Hohenroths eng mit einbezogen worden und zwei weitere Standorte hätten so ausgeschlossen werden können. „Wir wollen mitten im Dorf sein“, entschieden die Bewohnerinnen damals einstimmig. Auch bei der Diskussion um eigene Balkone legten die Bewohnerinnen ihr Veto ein. Eine Gemeinschaftsterrasse sowie ein großer Gemeinschaftsbalkon sollten es werden, um das Miteinander leben zu können.

Auch das Architekturbüro Stahl & Lehrmann hätte die Vorgabe, das Gebäude nicht an ein Altenheim erinnern zu lassen, erfolgreich umgesetzt. Schwarzfischer resümierte, dass es nicht leicht gewesen sei, den Bezirk sowie die Regierung Unterfrankens vom Neubau in der Dorfgemeinschaft zu überzeugen. „Im Vordergrund stand die Dezentralisierung nach dem Bundesteilhabegesetz sowie die Förderung kleinerer Einrichtungen. Doch auch die Politik beugte sich den Bedürfnissen der Bewohner, das Zentrum nicht außerhalb zu errichten, “ betonte Schwarzfischer. Sie dankte dem Freistaat Bayern für die hohe Förderung des Projektes, sowie dem Bezirk Unterfrankens, Aktion Mensch und allen Förderern und Unterstützern. Ein Gemeinschaftswerk und ein guter Ort des Zusammenlebens seien durch das Zentrum entstanden, hob Schwarzfischer hervor. „Auch die Hausgemeinschaften werden durch das Zentrum entlastet. Menschen mit höherem Hilfebedarf benötigen intensivere Unterstützung“, konkludierte Schwarzfischer.

Als Unterstützerin mit hohem ideellem und finanziellem Engagement erfuhr Gertraud Wallrapp Dank und Erwähnung aller Redner. Bereits bei Grundsteinlegung hätte sie alle Beteiligten durch eine erste großzügige Spende im sechsstelligen Bereich überrascht. Auch bei der heutigen Eröffnungsfeier überreichte sie einen Spendencheck im Wert von weiteren 10.000 Eurro. Sie sei dem Projekt von Beginn an sehr verbunden gewesen, ihr eigener Sohn hätte über 30 Jahre in Hohenroth gelebt. „Er wäre über den Bau des Zentrums sehr glücklich gewesen“, betonte Wallrapp, und: „ich freue mich dafür sehr, am ersten Geburtstag des Zentrums dabei sein zu können.“ Sie sei SOS-Kinderdorf als Träger der Kinder- und Jugendhilfe sehr dankbar dafür, dass auch ein Projekt wie das Zentrum im Seniorenbereich umgesetzt worden sei.

Für gute Laune und musikalische Untermalung sorgte die Hohenrother Band unter der Leitung von Musiklehrer Michael Hock. Die Musiker spielten einen Mitmach Song, „Rhythmus im Blut“ und „Zeig mir den Platz an der Sonne wo die Menschen sich gut verstehen“. Die Bewohner tanzten begeistert zu den Liedern und lauschten andächtig den Solos von Julius „Tage wie diese“ oder Uwes „Falling in love with you“. Für kulinarische Genüsse sorgte der Koch aus dem Zentrum mit einem Gulasch sowie einem Reisgericht. Selbstgemachtes Bio-Eis aus eigener Konditorei sowie Kaffee und Kuchen rundeten das Rahmenprogramm ab.

Herausforderungen in vielen Bereichen begleiteten das Zentrum während der Bauphase. Logistische Probleme wie Straßensperrungen von Burgsinn nach Schaippach hätten durch die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Gemünden gut gelöst werden können. Der Bürgermeister aus Gemünden, Jürgen Lippert, sicherte der Dorfgemeinschaft seine weitere Unterstützung für jegliche Belange zu. Auch der Bürgermeister von Rieneck, Sven Nickel, freute sich über die gute Zusammenarbeit mit Hohenroth. Rieneck profitiere durch die unmittelbare Nachbarschaft sehr von den Bewohner*innen. „Ihr seid das wahre Zentrum“, betonte Nickel, und weiter: „auch das Zentrum von Rieneck wird durch eure herzerfrischende Art belebt und der Einzelhandel freut sich über die hohen Umsätze an Naschereien.“

Für die Stiftung „Hohenroth im Alter“ hätte sich mit dem heutigen Tage ein Traum erfüllt, sagte Helmut Rogler, einer der Vertreter der Stiftung. „Das Herzensanliegen der Bewohner und ihrer Angehörigen findet heute zu einem guten Abschluss“, so Rogler. Bereits vor 16 Jahren sei durch die Stiftung der Bedarf an individueller Hilfe, Betreuung und Begleitung für die Bewohner*innen im Alter und bei Pflegebedürftigkeit erkannt worden. Zu Beginn stand der Traum des Umbaus eines Hauses bis hin zum Neubau eines Alten- und Pflegehauses. Die Stiftung hätte solch ein Vorhaben finanziell nicht stemmen können, finanziere jedoch Einzelmaßnahmen zum täglichen Betrieb, beispielsweise Pflegebetten oder behindertengerechte Badewannen. Durch das angewachsene Stiftungsvermögen sei darüber hinaus eine halbe Betreuerstelle ermöglicht werden können, die über die erforderliche Mindestbetreuung hinausgehe, freute sich Rogler. „SOS-Kinderdorf hat uns mit erheblichem Mitteleinsatz diesen Traum erfüllt, dafür möchte ich mich sehr herzlich bedanken“, so Rogler weiter. Das Projekt „Wohnen im Alter“ sei noch nicht zu Ende gekommen. Das Haus solle Lebensort sein, Geborgenheit, Beheimatung und soziale Beziehungen im letzten Lebensabschnitt ermöglichen. Der Beginn dafür sei jetzt gekommen.

Bernhard Roth, Vorsitzender des Angehörigenrates, betonte ebenso die überaus wichtige soziale Funktion des Zentrums. Zuerst sei er geschockt gewesen, so Roth, als er von den ersten Eindrücken gehört hätte, dass das Zentrum zu steril wirke. „Dann jedoch war ich froh“, so Roth. „Die Hülle steht, jetzt beginnt das Leben und der vorgegebene Rahmen wird es gestalten, „ freute er sich. Das Erleben von Heimat sei so bis ins hohe Alter möglich. Herrmann Gmeiner, der Gründer von SOS-Kinderdorf e.V., hätte mit der Namensgebung SOS für Societas Socialis bereits die Bedeutung eines Zusammenlebens in sozialer Gemeinschaft erkannt. Dies sei viel mehr als nur versorgt werden zu können. Es bedeute, gemeinsame Wege gestalten und immer wieder Unerwartetes und Neues gemeinsam bewältigen zu können. Dank SOS-Kinderdorf sei der Rahmen mehr, ja viel mehr als das Notwendige. Die Zimmer des Neubaus seien großzügig geschnitten und damit menschenfreundlicher gestaltet worden. Ein Stück Zukunft sei bereitgestellt worden, sodass Societas Sociales gelebt und weiterentwickelt werden könne, so Roth.

Stellvertretend für die Bewohnerinnen betonte Heidi, dass ein Haus ohne Bewohner leer sei, ohne Bewohner gäbe es auch keine Mitarbeiter. Sie ergänzte, dass die Menschen Hohenroths so ein Haus wie das Zentrum auch schon früher hätten gebrauchen können. Zum Glück gäbe es einen Koch, Aufzüge, schöne Bäder und Zimmer mit genügend Platz, freute sie sich. Leider sei der erste Bewohner bereits im Zentrum gestorben. „Er hätte den heutigen Tag bestimmt sehr gerne miterlebt“, endete Heidi. Birgit Grimm, Leiterin des Zentrums, betonte die Wichtigkeit der Selbstbestimmung der Bewohnerinnen und bedankte sich für die zahlreiche Unterstützung von außen. Sie freue sich, heute etwas zurückgeben zu dürfen. Die anschließende Führung durch den Neubau wurde durch Birgit Grimm und Mario Kölbl begleitet.

Das Zentrum eröffnete am 1. Juni 2021 die Türen für die ersten 23 Bewohnerinnen mit erhöhtem Hilfebedarf. In dem zweistöckigen Gebäude mit 2.550 Quadratmeter Fläche finden zwei Wohnbereiche mit je zwölf Einzelzimmern und mehrere Räume zur Tagesstruktur Platz. Alle Bewohnerinnen leben in barrierefreien Einzelzimmern. Gefördert wurde dieses Projekt durch den Bezirk Unterfranken, den Freistaat Bayern und die Aktion Mensch sowie zahlreiche Förderer und Unterstützer der SOS-Dorfgemeinschaft Hohenroths. +++ pm