CDU-Wirtschaftsrat kritisiert interne Wahlanalyse

Hans: CDU von "Kernschmelze" der Volksparteien betroffen

Der CDU-Wirtschaftsrat reagiert irritiert auf eine interne Wahlanalyse des Teams um CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Die internen Schuldzuweisungen zeigen, dass das Wahlergebnis nicht richtig verstanden wurde: Ein Wohlfühl-Wahlkampf reicht nicht aus, um jüngeren Wählern Lust auf Zukunft zu vermitteln. Zumal diese GroKo für teure Wahlgeschenke auf Kosten der jungen Generation steht“, sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die große Koalition habe bei dieser Wahl nach der Bundestagswahl den zweiten Denkzettel erhalten. Erstmals konnten Union und SPD bei einer bundesweiten Wahl nicht mal mehr die Hälfte der Wähler gewinnen. „Das muss auch der CDU sehr zu denken geben. Wirklich eigene Themen wurden zu wenig gesetzt“, sagte Schweiger. Es gehe jetzt darum, die Stärkung des EU-Binnenmarktes, die Digital-Union, Energie-Union, Kapitalmarkt-Union sowie neue Projekte in de r Infrastruktur, Luft- und Raumfahrt sowie Sicherheitspolitik voran zu bringen. In der internen Wahlanalyse des Adenauer-Hauses heißt es: „Die Serie der Unentschlossenheit im Umgang mit Phänomenen wie Fridays for Future und plötzlich politisch aktivierten YouTubern sowie vor allem der vorhergehende tiefe Einschnitt in der Wahrnehmung der CDU bei jüngeren Zielgruppen durch die Debatten zu den Uploadfiltern, einen vermeintlichen Rechtsruck bei der JU sowie die medial sehr präsente, sogenannte WerteUnion führten gleichzeitig zu einer deutlichen Abkehr unter 30-jähriger Wählerinnen und Wähler.“

Hans: CDU von „Kernschmelze“ der Volksparteien betroffen

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat den Zustand der CDU mit den Vorgängen bei einem Reaktorunfall verglichen. „Wir stecken als Volkspartei in einer handfesten Krise. Der Prozess der Kernschmelze, in den die Volksparteien europaweit geraten sind, hat Deutschland erfasst. Auch die CDU ist davon betroffen“, sagte Hans der „Rheinischen Post“. „Deswegen brauchen wir einen konsequenten Erneuerungsprozess.“ Der CDU-Politiker sieht seine Partei insbesondere bei Klima- und Digitalthemen im Hintertreffen. „Wir konnten beim Thema Klimaschutz nicht die richtigen Antworten geben, obwohl die Bewahrung der Schöpfung zur DNA der CDU gehört“, sagte Hans und verwies auf die ersten Bundesumweltminister der CDU und den Atomausstieg. „In diesem Wahlkampf aber haben wir fatalerweise das Feld den Grünen überlassen.“ Es gehe nicht darum, dass man jetzt den Grünen nacheifern wolle. Die CDU müsse nur zu ihren Wurzeln zurückkehren. „Wir müssen eigene Konzepte entwickeln, uns für klimaneutrale Städte einsetzen. Wir haben beim Thema Klimaschutz zu sehr herumlaviert.“ Zur Abwanderung der jungen Wähler sagte Hans: „Wir müssen die jungen Menschen dort abholen, wo sie stehen. In den vergangenen Jahren sind wir dem Trugschluss aufgesessen, dass Jugendliche mit fortschreitendem Alter von alleine zu den Volksparteien kommen.“ Das sei fatal. „Wir müssen junge Menschen ernst nehmen. Dass wir mit einem elfseitigen PDF-Dokument auf Kritik aus dem Netz reagiert haben, ist ein Beispiel dafür, wie verkrampft wir vorgehen.“

Brandenburgs CDU-Chef warnt vor Personaldebatten

Nach dem Absturz der Union bei der Europawahl verlangt Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben Geschlossenheit von seiner Partei und warnt vor Personaldebatten. Die CDU-Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer mache „einen guten Job“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Sie kann ja nicht alles auf einmal verändern.“ Statt Personaldebatten zu führen, sollte sich die CDU inhaltlich mit dem Wahlergebnis beschäftigen. Ausdrücklich warnt Senftleben vor einer zu großen Fokussierung auf die AfD, die in Teilen Ostdeutschlands der CDU den ersten Platz streitig macht. „Der AfD sollten wir gar nicht so viel Aufmerksamkeit geben“, sagte er. „Wenn wir wollen, dass die AfD noch stärker wird, müssen wir nur jeden Tag über sie reden. Wenn ich ständig die Angst vor Rechtspopulisten betone, mache ich deren Geschäft. Die AfD lebt von der Empörungsmaschinerie. Wenn sich jemand über sie aufregt, ist das wie Viagra für sie.“ Der brandenburgische C DU-Vorsitzende sprach sich für eine programmatische Öffnung der Partei aus. „Mutig vorangehen das ist ein besseres Rezept als Verharren“, sagte Senftleben. „Die CDU muss sich entscheiden: Wollen wir zurück in die gute alte Zeit oder wollen wir die Zukunft mit neuen Themen gewinnen. Dieser Konflikt ist noch nicht gelöst. Er schnürt aber freies Denken ein.“ Notwendig sei etwa ein Umdenken in der Bildungspolitik. „In der Bildungspolitik halten wir krampfhaft am föderalen Modell fest. Das ist überholt und macht die Bildung nicht besser.“ Neue Schwerpunkte forderte Senftleben auch in der Verkehrspolitik: „Wir müssen in der Klimadebatte klare Punkte setzen, zum Beispiel indem wir dem Ausbau von Nahverkehrsverbindungen den Vorrang geben vor Autobahnausbau.“ Senftleben, der vor einem Landtagswahlkampf steht, sprach sich für eine Fortsetzung der umstrittenen großen Koalition im Bund aus. „Ich bin kein Freund der GroKo. Aber sie hat ein Mandat, das sie erfüllen sollte“, sagte er. „Wichtig wäre erst einmal, dass die ständige Streiterei aufhört. Die GroKo sollte sich endlich für gute Regierungsarbeit entscheiden, statt sich ständig gegenseitig in die Parade zu fahren.“ Für Ostdeutschland sei die Grundrente ein wichtiges Thema: „Es wäre gut, wenn es da endlich ein abgestimmtes Konzept gäbe.“ +++