Bundesregierung: Bewältigung der Coronakrise weiter offen

Habeck will maßvolles Vorgehen bei Weg aus Coronakrise

Die Bundesregierung hält es weiter für offen, ob die Coronakrise in absehbarer Zeit bewältigt werden kann. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“: „Wir können noch nicht sagen, ob es gelingt, aber wir kämpfen dafür.“ Entscheidend sei, wie sehr das Infektionsgeschehen verlangsamt werden könne und ob es gelinge, zusätzliche Kapazitäten im Gesundheitswesen zu schaffen. Wichtig sei auch, dass Krankheitsverläufe abgeschwächt würden. „Das Land ist wie ein Tanker, der ganz, ganz langsam wendet. Deswegen müssen wir noch eine Weile abwarten“, sagte Braun.

Zuversichtlich stimme ihn aber, dass viele Menschen ihr Verhalten verändert hätten. Unklar ist laut dem Kanzleramtschef auch noch, wie Bundes- und Länderregierungen mit den nun verhängten Beschränkungen nach Ostern umgingen. „Man kann sich auch andere Maßnahmen überlegen, die nicht als Verschärfung empfunden werden, sondern uns helfen, die Infektionsketten zu unterbrechen“, sagte Braun. „Wichtig ist, Kontaktpersonen von Infizierten zu finden, so dass es nicht zu weiteren Ansteckungen kommt.“ Handydaten könnten dabei hilfreich sein. „Eine Anwendung wie in China, wo das komplette Bewegungsprofil der Menschen aufgezeichnet wird, können wir uns nicht vorstellen. Das wäre ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit“, sagte Braun. Es reiche, wenn nur aufgezeichnet werde, wenn zwischen zwei Menschen ein engerer Kontakt als mit 1,5 Metern Abstand stattgefunden habe. „Daraus muss keine Namensliste entstehen. Es ist ja schon hilfreich, wenn die Kontaktpersonen eines Infizierten automatisch und anonym informiert werden. Dann können Sie in Quarantäne gehen und sich testen lassen.“

Kanzleramtsminister gegen Herdenimmunitäts-Strategie

Helge Braun (CDU) ist gegen die Strategie, dem Coronavirus mit dem Vertrauen auf die sogenannte Herdenimmunität zu begegnen. Braun sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ weiter, in der Praxis verhalte es sich etwas anders als in der Theorie. „Wenn man eine gewisse Zahl der Infektionen in Kauf nimmt, muss man die Risikogruppen besonders gut schützen“, so Braun. Auch junge Menschen sollten die Gefahr nicht zu leichtfertig abtun. „Bei diesem Virus ist es umgekehrt wie beim Auto: Er ist sehr langsam zu bremsen, aber sehr schnell beim Gas geben. Wir sollten also alles versuchen, um Neuinfektionen zu vermeiden“, sagte er. Mit Blick auf den weiteren Verlauf der Coronakrise hat Kanzleramtsminister Braun eine Debatte über Kriterien bei der Impfstoff-Entwicklung angeregt. Es sei eine wichtige Frage für Wissenschaftler und Medizinethiker, ob sich die Entwicklung eines Impfstoffs beschleunigen lasse, sagte Braun dem RND. „Abzuw ägen sind die Standards der Impfstoff-Entwicklung mit den verheerenden Folgen, die es haben kann, wenn zu lange kein Impfstoff verfügbar ist. Das ist eine offene Frage.“ Braun dämpfte gleichzeitig die Hoffnung auf eine rapide Beschleunigung: „Viel mehr Tempo geht wohl nicht. Man kann den Erkenntnisgewinn nicht beliebig beschleunigen.“ Experten gehen davon aus, dass ein Impfstoff gegen den Coronavirus frühestens 2021 vorliegt. Womöglich dauert es aber auch viel länger.

Habeck will maßvolles Vorgehen bei Weg aus Coronakrise

Grünen-Chef Robert Habeck fordert ein maßvolles Vorgehen beim Weg aus der Coronakrise. „Für die Zeit nach dem Shutdown gilt es, ein anderes, zielgenaueres Vorgehen zu entwickeln. Wir brauchen dann einen dritten Weg jenseits völliger Isolation und völliger Lockerung. Daher sollten wir jetzt die Zeit nutzen und das Gesundheitssystem robuster zu machen“, sagte Habeck dem Nachrichtenportal Watson. Konkret forderte er daher eine „Pandemie-Wirtschaft“. Man brauche „mehr medizinische Geräte, Schutzkleidung, Testkapazitäten, Forschung an Therapien und Impfstoffen“, so der Grünen-Chef weiter. Zudem müsse man daran arbeiten, „wie sich Kontaktwege besser nachvollziehen lassen“. In diesem Zusammenhang sprach sich der Grünen-Politiker für die Nutzung einer freiwilligen App aus. Diese wäre geeignet, „die Begegnungen nachträglich nachvollziehbar zu machen“. Entscheidend sei, „dass die App freiwillig ist und die Daten verschlüsselt sind. Dann kann sie helfen, von der sozialen Isolation und Kontaktverboten für alle wegzukommen, weil man genauer weiß, wer konkret gefährdet ist“, sagte Habeck dem Nachrichtenportal weiter.

Bauernpräsident prophezeit Versorgungslücken bei Obst und Gemüse

Bauernpräsident Joachim Rukwied rechnet damit, dass die Ernte bei Obst und Gemüse in diesem Jahr wegen ausbleibender Erntehelfer deutlich geringer ausfällt. „Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln ist momentan nicht gefährdet“, sagte Rukwied dem Focus. „Es kann jedoch durchaus bei verschiedenen Kulturen im Obst und Gemüsebereich zu Versorgungslücken kommen. Diese Verknappung wird auch Auswirkungen auf den Preis haben.“ Laut Bundeslandwirtschaftsministerium ist im vergangenen Monat mehr als ein Drittel der üblicherweise 25.000 ausländischen Erntehelfer nicht angereist oder bereits wieder abgereist. Das Bundesinnenministerium hatte in der vergangenen Woche die Einreisesperren auf ausländische Saisonarbeiter ausgeweitet. „Das Einreiseverbot für die Saisonarbeiter trifft unsere Betriebe in der jetzigen Phase sehr hart“, sagte Rukwied dem Focus. „Der Einreisestopp muss so kurz wie möglich gehalten werden.“ Am Donnerstag hatten sich Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf eine Lockerung der Einreisebestimmungen geeinigt. Ob die aber die Saisonarbeiter im notwendigen Umfang anlocken, ist ungewiss. +++

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