Büchel: Fahrradliebhaber müssen sich in Geduld üben

CONEBI-Präsident Erhard Büchel erwartet Lieferengpässe auch in 2022

Erhard Büchel Foto: S.Ruf

Wie wird das Fahrrad-Jahr 2022? Welche Trends erwarten uns, auf welche Innovationen können wir uns freuen und werden wir uns vor dem Hintergrund der Lieferengpässe in Geduld üben müssen, bevor wir ein neues Modell erhalten? Dass die Produktion in Europa gestärkt werden muss, um eine größere Unabhängigkeit vom asiatischen Markt zu erreichen, ist ein großes Anliegen von Erhard Büchel, Präsident des Dachverbandes der europäischen Fahrrad-, Pedelec- und Zubehörindustrie CONEBI (Confederation oft the European Bicycle Industry). Büchel ist Inhaber der gleichnamigen Büchel GmbH & Co. Fahrzeugteilefabrik KG mit Sitz in Fulda und einer der führenden, europäischen Hersteller von Fahrradkomponenten mit über 1000 Mitarbeitern weltweit und 350 Mitarbeitern in Deutschland.

Frage: Prognosen über das kommende Jahr abzugeben, ist sicherlich nicht einfach, gerade vor dem Hintergrund der noch anhaltenden Corona-Pandemie. Wie hat sich diese sich auf die Fahrrad-Industrie ausgewirkt und wie geht es im kommenden Jahr aller Voraussicht nach weiter?

E.Büchel: Es gibt eine unwahrscheinlich große Nachfrage, der die Fahrradindustrie aktuell nicht nachkommen kann und hier wirken sich insbesondere die Engpässe in der Materialversorgung aus. So können einige Firmen nur einschichtig fahren oder haben teilweise sogar Kurzarbeit angemeldet, weil zwar 98 Prozent der Teile da sind, aber die zwei Prozent, die fehlen, bewirken, dass das Fahrrad, also die Produktion, „nicht rund läuft.“ Und diese Situation wird auch 2022 anhalten, sodass nicht mit einer Steigerung der Fahrrad-Produktion zu rechnen ist.

Frage: Das Jahr 2021 war für die Branche ein gutes Geschäftsjahr, wird daran in 2022 nahtlos angeschlossen werden können? Können Sie uns schon Zahlen aus 2021 nennen?

E. Büchel: Ihre Annahme stimmt so nicht ganz, 2021 war für die Fahrradhersteller nicht so gut – jedenfalls im Vergleich zu 2020. Hintergrund sind die Lieferengpässe, so dass bis zum Jahresende der deutsche Zweiradindustrieverband (ZIV) die Produktion von moderat weniger Fahrrädern und geringfügig weniger E-Bikes vermeldet. Wie bereits erläutert, konnten die Kapazitäten nicht ausgeschöpft werden, es hat Lieferengpässe in allen Bereichen gegeben. Für das Gesamtjahr 2021 wird mit 1,9 Mio. verkauften E-Bikes, das ist ein Minus von 2,6 Prozent und für herkömmliche Fahrräder mit einem Minus im deutlich zweistelligen Bereich gerechnet. Es ist davon auszugehen, dass in 2022 wieder die Nachfrage größer sein wird als das Angebot. Nochmals: Von den Lieferengpässen sind alle Hersteller betroffen.

Frage: Wenn also auch in 2022 die Nachfrage das Angebot übersteigt, kann der europäische Interessenverband CONEBI, dessen Präsident Sie sind, etwas dafür tun, um diesen Kurs zu korrigieren?

E.Büchel: Von Seiten des europäischen Verbandes wird versucht, das Investitionsklima für die Produktion von Fahrradkomponenten in Europa unternehmensfreundlich zu gestalten bzw. zu verbessern. Je mehr in Europa produziert wird, desto geringer wird die Abhängigkeit von den Importen aus Asien. Dies ist vor allen Dingen vor dem Hintergrund wichtig, dass sich durch die immensen Steigerungen der Frachtraten – immerhin das Zehnfache der Fachraten von Ende 2019 – und durch die Lieferverzögerungen die Importe erheblich verteuert haben, die Lieferketten erheblich gestört wurden.

Frage: Wie wird sich der asiatische Markt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie entwickeln – wie sehen Sie die Prognosen für Indien?

E.Büchel: Sie dürfen nicht vergessen, dass aufgrund der Pandemie einzelne asiatische Lieferländer in einem kompletten Lockdown waren oder eine partielle Schließung von Häfen anberaumt wurde. Die Produktion von Fahrrädern und Komponenten ist in China auch dadurch beeinträchtigt, dass die Stromversorgung der Werke rationiert wurde. Diese Rationierung ist noch bis mindestens Ende Februar 2022 vorgesehen. So stehen den Unternehmen nur 50 bis 60 Prozent des benötigten Stroms zur Verfügung, was wiederum zu Lieferverzögerungen führt. Wir sprechen heute teilweise von Lieferzeiten zwischen eineinhalb bis zwei Jahren. Schauen wir auf den indischen Fahrradmarkt, der relativ stabil ist. Aber: Was dort produziert wird, wird auf dem heimischen Markt vertrieben oder geht als Export in Dritte-Welt-Länder Afrikas.

Frage: Welche neuen Trends werden sich 2022 abzeichnen?

E.Büchel: Tatsache ist, dass das E-Mountainbike die höchsten Zuwachsraten hat und anderen Modellen langsam den Rang abläuft. Ursache dafür ist auch, dass das E-Bike bei den Jüngeren angekommen ist, die sportlich unterwegs sind. Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2025 etwa 50 Prozent der verkauften Fahrräder E-Bikes sind. Voraussetzung dafür sind allerdings die gesetzlichen Vorschriften, die das E-Bike bis 250 Watt und mit einer Unterstützung bis 25 Kilometer als Fahrrad einstufen, das heißt, es bestehen keine Versicherungs- und Helmpflicht, die Radwege sind benutzbar und auch in den Innenstädten sind die für Fahrräder freigegebenen Fußgängerzonen kein Tabu mehr. Zwei Zahlen zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2021 wurden 1,2 Mio. E-Bikes verkauft, das entspricht einem Plus von 9,1 Prozent und 1,55 Mio. herkömmliche Fahrräder, das entspricht einem Minus von 26 Prozent. +++ pm

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