Brexit und die Logistik

Zufall: „Mussten Chancen und Risiken frühzeitig abwägen“

Christoph Göbel, Niederlassungsleiter ZUFALL Fulda

Partner und Lieferanten waren durch die professionelle und rechtzeitige Kommunikation und Unterstützung der Zufall logistics group gut vorbereitet und haben ihre Läger in Großbritannien gefüllt. Aktuell ist die Situation ruhig. Zufall ist gut vorbereitet auf die nun komplexeren Prozesse und wird die Kunden bei den neuen Aufwänden gut unterstützen, wenn sich voraussichtlich ab kommender Woche das Sendungsaufkommen wieder normalisiert.

Zum Jahreswechsel hat das Vereinigte Königreich Großbritannien (VK) den EU-Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Infolgedessen wird es nicht länger vom Prinzip des freien Warenverkehrs profitieren. Die Auswirkungen des sogenannten „Brexit“ auf den Handel zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und der Europäischen Union, konnten jedoch durch ein vorläufig auf zwei Monate befristetes Handelsabkommen zwischen den beiden Parteien noch rechtzeitig gemindert werden. Trotz der im Abkommen festgeschriebenen „Nullzollsätze und Nullkontingente für alle Waren, die den vereinbarten Ursprungsregeln genügen“, ergeben sich für die Zollabfertigung von Warentransporten zwischen der EU und dem VK praktisch keine Änderungen gegenüber einem „No-Deal“-Szenario. Eine Branche, die direkt Veränderungen im Bereich der Warenbewegungen nach und von der Britischen Insel spürt, ist die Logistikbranche.

„Wir haben ein Handelsabkommen, so das der Wirtschaft auf beiden Seiten zusätzliche Abgaben erspart geblieben sind und es hoffentlich gelingt, den Warenaustausch aufrecht zu erhalten“, sagt Stephan Erb, Bereichsleiter Landverkehre bei Zufall in Fulda und ergänzt „Wichtig ist, dass für Nordirland eine Vereinbarung erzielt wurde, welche eine Transportabwicklung der bekannten, alten Form erlaubt.“ Allerdings sei für Großbritannien nun eine Zollabfertigung, sowohl im Export als auch im Import im jeweiligen Land notwendig. Diese administrativ aufwendigeren Transportabwicklungen werden sich voraussichtlich bei den Verkäufern und Empfängern der Waren, aber auch dem Logistikdienstleister bemerkbar machen. Nichtsdestotrotz sieht die eigens gegründete Arbeitsgruppe „Brexit“ das Abkommen positiv. Bereits ab September 2020 hatte der Logistiker seine britischen Partner und Kunden regelmäßig über die neuen Anforderungen und Herausforderungen informiert. Aktuell wird wöchentlich über die Entwicklungen im Echtbetrieb an den Grenzen informiert. Die größte Herausforderung im Zusammenhang mit dem „Brexit“ lag für das Logistikunternehmen daher nach jetzigem Stand nicht in der Umsetzung der neuen Bestimmungen, sondern im Vorfeld in der gründlichen Vorbereitung auf die Veränderungen und der damit in Zusammenhang stehenden, undurchsichtigen Informationslage.

„Ständig aktuell zu bleiben, die neusten Entwicklungen zu bewerten und zu verstehen, welche Auswirkungen diese auf die Wirtschaft und den Logistiksektor haben sowie zu bewerten, welche Risiken entstehen möglicherweise für unser Geschäft, aber auch gleichzeitig zu schauen, wo könnten sich Chancen für Zufall auftun, sei unabdingbar gewesen“, erklärt Frank Trapp, Abteilungsleiter Export des Logistikunternehmens in Fulda und fügt an: „So haben wir einen Kunden, den wir vor Jahren an den Wettbewerb abgeben mussten, wieder für uns gewinnen können, da man dort auf die Zoll-Erfahrungen von Zufall gebaut.“ In den letzten Wochen, nachdem klar war, wir werden ein Zollabkommen haben, war es mehr die Frage nach dem Prozess und ob wir das entsprechend ausgebildete Personal an den richtigen Stellen haben. Auch wenn wir sehr viel Erfahrung mit Transporten und die Transportabwicklung in Drittländer haben wie beispielsweise in die Schweiz oder in die Türkei, gab und gibt es im Verkehr mit Großbritannien doch wieder neue, spezifisch zu lösende Herausforderungen“, betont Christoph Göbel, Mitglied der Geschäftsleitung von Zufall.

Eine Frage war, ob die Anzahl der Mitarbeitenden ausreicht, um die zusätzlich anfallenden Eingangs- und Ausgangsabwicklungen zu gewährleisten. Der administrative Aufwand erhöht sich, insbesondere die Informationsabläufe um die eigentliche Verzollung herum. „Heute müssen wir vor Verladung die Sendung mit den kompletten Sendungsangaben in Großbritannien anmelden und dürfen diese erst nach erteilter Genehmigung aus dem Vereinigten Königreich verladen. Diese Vorgabe verzögert unseren bisherigen Prozess, bis hin zu Produktivitätsverlusten in den Umschlagslägern und kann sich negativ auf die Laufzeit der Waren für die Kunden ausüben“, erläutert Stephan Erb. Ein Aspekt, der sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht final beantworten lässt, ist, ob unsere Partner in der Lage sind, die Zoll-Anforderungen zu erfüllen und ob ihnen das entsprechend ausgebildete Personal zur Verfügung steht. Zudem ist noch unklar, wie sich die Transportpreise entwickeln werden.

Die letzten Wochen in 2020 wurden in der operativen Logistik dafür genutzt, die Übergangszeit zu gestalten, um Sendungen aus 2020 auch noch in 2020 ins Vereinigte Königreich zu liefern. Reste durfte es nicht geben, da diese nach dem Jahreswechsel mit Zollpapieren versehen sein mussten. Das bedeutete auch, in eine enge Abstimmung mit unseren Kunden zu gehen und auf der anderen Seite auch den notwendigen Laderaum zur Verfügung zu haben. Erschwerend kam hier dann in der Praxis der Lkw-Rückstau in GB, ausgelöst durch Covid-19 hinzu. Es konnte jedoch bei Zufall erreicht werden, dass aktuell alle Lieferanten die Läger auf der Insel noch 2020 gefüllt haben. Das ist sehr positiv, allerdings konnten dadurch noch keine Erfahrungen unter Realbedingungen gemacht werden. Aktuell ist es noch sehr ruhig. Spannend wird es ab der kommenden Woche, denn dann ist wieder mit einem normalen Sendungsaufkommen zu rechnen. +++ pm