Blühende Wiesen für mehr Biodiversität

Großes Interesse an Main.Kinzig.Blüht.Netz Fachtagung

Matthias Metzger und Christine Seidel, beide Projektleitung von Main.Kinzig.Blüht.Netz.

Jede Menge Input aus Wissenschaft und Praxis und ganz viele angeregte Diskussionen mit einem interessierten und sachkundigen Publikum: Die Fachtagung „Mehr Biodiversität. Mehr Lebensräume. Mehr Insektenvielfalt“ des Projekts Main.Kinzig.Blüht.Netz am 29. Februar in Gelnhausen stieß in der Region und bundesweit auf große Resonanz. 370 Anmeldungen gingen für die Tagung ein und sorgten sowohl für einen vollen Barbarossasaal im Main-Kinzig-Forum als auch für rege Beteiligung per Chat durch die online zugeschalteten Teilnehmenden. Im bunt gemischten Publikum trafen Vertreterinnen und Vertreter aus Umweltämtern und Bauhöfen der Kommunen auf Mitarbeitende der Naturschutzbehörden angrenzender Regionen und bundesweit. Mehrere Naturschutzorganisationen und Artenschutzprojekte waren ebenso dabei wie Verantwortliche aus Unternehmen und Planungsbüros, Landwirtinnen und Landwirte oder Privatleute.

Erste Kreisbeigeordnete und Umweltdezernentin Susanne Simmler eröffnete die Tagung. Für sie ist das Projekt Main.Kinzig.blüht.Netz eine echte Herzensangelegenheit. Sie erinnerte daran, wie eine Wiese hinter dem Main-Kinzig-Forum erstmals insektenfreundlich umgestaltet werden sollte: „An was wir alles denken mussten, bis hin zu der Frage: Was ist, wenn einen eine Biene sticht?“ blickte Simmler mit einem Lächeln zurück. „Heute freue ich mich, dass wir es immer geschafft haben, mit allen Beteiligten im Gespräch zu bleiben, Kompromisse zu finden und das Ziel, die Artenvielfalt vor unserer Haustür zu fördern, im Auge zu behalten.“

Die Erste Kreisbeigeordnete gab den Teilnehmenden noch einen Satz von Antoine de Saint-Exupéry mit auf den Weg: „Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen.“ Im Main-Kinzig-Kreis sei es so mit allen Beteiligten, dem Landschaftspflegeverband, den Städten und Gemeinden, Landwirten, Naturschutzverbänden, Unternehmen und Privatpersonen gelungen ein festes Netz für Biodiversität zu spannen, das in den nächsten Jahren weiter entwickelt werden kann. Fast wie eine Graswurzelbewegung setzten sich die Ideen vor Ort alleine fort und so entwickele das Projekt weitere kleine und große Räume für Biodiversität mit all den Beteiligten vor Ort.

Untersuchungen zeigen laut NABU – Naturschutzbund Deutschland, dass in den vergangenen 30 Jahren die Biomasse der Insekten um bis zu 80 Prozent zurückgegangen ist. Grund dafür sind insbesondere der Einsatz von Pestiziden und der Rückgang ihrer natürlichen Lebensräume. Viele Tiere und wir Menschen verlieren damit einen Großteil der Nahrungsgrundlage, denn zahlreiche Pflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Hier setzt das Projekt Main.Kinzig.Blüht.Netz an. Gemeinsam mit dem Landschaftspflegeverband MKK webt es ein Netz aus artenreichen Wildpflanzenflächen, das sich durch den ganzen Main-Kinzig-Kreis zieht. Gefördert wird es im Bundesprogramm Biologische Vielfalt des Bundesamts für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Bis Ende 2025 sollen mindestens 500 Flächen insektenfreundlich entwickelt werden. Projektleiterin Christine Seidel lieferte Zahlen: 387 von 500 Flächen seien bereits umgestaltet oder in der Umsetzung. 60 Blühbotschafter und Blühbotschafterinnen werden ausgebildet, um ehrenamtlich in ihren Kommunen das Bewusstsein und die Akzeptanz für solche „wilderen“ Wildpflanzenflächen zu fördern und ihr Wissen, wie das konkret geht, weiterzugeben.

Hochkarätig besetzte Vorträge beleuchteten diverse Aspekte rund um das Thema Insektenvielfalt. Professor Eckhard Jedicke von der Hochschule Geisenheim ordnete die Strategien für den Insektenschutz in multifunktionalen Kulturlandschaften in den großen Zusammenhang von veränderter Flächennutzung, rückläufiger Biodiversität und Klimaschutz ein. Er warb für Modelllandschaften für eine optimale Biodiversität, zum Beispiel in Biotopkomplexen wie den Kinzigauen. „Von guten Beispielen lernt man besser als durch jede Theorie. Der Main-Kinzig Kreis ist in diesem Feld ein echter Leuchtturm in der Bundesrepublik.“ Mit entsprechenden auch finanziellen Handlungsanreizen könne die Landwirtschaft viel tun, je nachdem, was der jeweilige Betrieb gut integrieren könne. Etwa Feldraine zwischen den Äckern, ein deutlich größerer Abstand zwischen Saatstreifen, „damit die Feldlerche wieder Platz findet“, extensive Beweidung, Dung („den brauchen große Insekten wie Käfer“), die Reduzierung der Überdüngung und eine insektenschonende Mahd, bei der nicht alle Flächen gleichzeitig gemäht werden. Biodiversität müsse als Bestandteil der Landnutzung mitgedacht werden. „Insektenschutz kann ein Wegbereiter für ganzheitlichen Naturschutz sein“, so Jedicke. Sein Vorschlag, auch mal lockerer mit Vorschriften umzugehen, um neue Ideen umsetzen zu können, erntete zustimmende Lacher und spontanen Applaus.

Professorin Anita Kirmer von der Hochschule Anhalt berichtete von erfolgreichen Feldversuchen in Sachsen-Anhalt, bei denen Feldraine an Äckern wiederhergestellt wurden. Mit einer gestaffelten Mahd drei Mal zwischen Mai und September wurden Erfahrungen mit dem jeweiligen Deckungsanteil von Wildkräutern und Gräsern gesammelt. „Wenn besonders früh gemäht wird, explodieren die Kräuter danach und es blüht ganz toll“, so Kirmer. „Für die Insekten ist das auch gut, denn es blüht, wenn sie es brauchen.“

Best-Practice-Beispiele aus dem Main-Kinzig-Kreis gaben weitere Inspiration für die Umsetzung: die Umstellung der Feldwege und Grabenpflege in Rodenbach, das Beweiden statt Mähen in Maintal, die extensive statt intensive Wiesenpflege in Bad Soden-Salmünster sowie die Erfahrungen von Blühbotschafterinnen und Blühbotschafter für die Insektenvielfalt. Um Flächen-Solaranlagen und Biodiversität sowie den Sternenpark Rhön und die Rolle des künstlichen Lichts für Insekten ging es am Nachmittag, bevor Matthias Metzger, Projektleitung Main.Kinzig-Blüht.Netz und Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands MKK, die erfolgreiche Tagung beschloss.

Als Moderatorin führte Dorothee Dernbach durch den Tag. Die Umweltschutzingenieurin leitet auch die Ausbildung der Blühbotschafterinnen und Blühbotschafter für die Insektenvielfalt. Im Bürgerforum stimmte die Wanderausstellung „Lebensräume für Insekten im Main-Kinzig-Kreis“ auf die Tagung ein. Sie ist anschließend bis nach Ostern in Gründau im Rathaus-Foyer zu sehen. +++