Außenminister Maas: Gefahr durch Rechtsextreme nicht unterschätzen

Mordfall Lübcke war am Mittwoch Thema im Landtag

Heiko Maas (SPD)

Bundesaußenminister Heiko Maas hat nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke eindringlich vor der Gefahr durch Rechtsextreme in Deutschland gewarnt. „Sollte sich der Verdacht erhärten, dass es einen rechtsextremen Hintergrund gibt, ist klar: Das ist eine Tragödie für unsere Demokratie“, sagte der SPD-Politiker dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Die Grenzen zwischen rechtspopulistischen und militanten Gruppierungen sind längst fließend.

Es gibt nicht weniger als 12.000 gewaltorientierte Rechtsextreme in unserem Land“, so Maas. Der frühere Justizminister warnt vor einer Verharmlosung der Bedrohungslage. „Diese rechtsterroristische Gefahr müssen wir dringend sehr ernst nehmen.“ Der SPD-Politiker rief zu Härte gegen Rechtsextremisten auf: „Unsere Demokratie muss sich dagegen wehren. Die Feinde der Freiheit verdienen keine Freiheit.“ Zugleich sprach Maas den Kommunalpolitikern im Land seine Solidarität aus. „Die wahren Patrioten in unserem Land sind alle, die sich als mutige Kommunalpolitiker und Ehrenamtliche vor Ort für unser Gemeinwesen engagieren. Sie haben es verdient, dass die gesamte Gesellschaft hinter ihnen steht und noch entschiedener für unsere liberale Demokratie eintritt“, so der Minister.

Der Mordfall Lübcke war Thema im Landtag

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, René Rock, hat eine lückenlose Aufklärung des Verbrechens gefordert: „Sollte es sich, wie die Übernahme der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft nahelegt, um einen politischen Mord handeln, so würde dies eine Zäsur bedeuten. Vor dem Hintergrund der Mordserie des NSU müssen die möglichen Hintergründe dieser Tat restlos aufgeklärt werden. Wenn sich der Verdacht eines rechtsextremen Hintergrunds bestätigt, wäre das ein herber Rückschlag für die hessischen Sicherheitsbehörden. Ein rechtsextremes Netzwerk würde ein ernstes Problem für unsere Gesellschaft darstellen. Es kann nicht sein, dass Politiker, die öffentlich für die Werte des Grundgesetzes eintreten, fürchten müssen, Opfer derartiger Verbrechen zu werden. Dr. Lübcke trat ohne Wenn und Aber für das Grundgesetz ein und ist daher für alle Demokraten ein Vorbild.“ Rock weiter: „Die Mitte der Gesellschaft muss rechts- wie linksextremistischem Gedankengut eine klare Absage erteilen. Deutschland hat seit 70 Jahren eine stabile Demokratie, die sich bewährt hat und auf die wir stolz sein können. Wir werden uns unser liberales Gesellschaftsmodell nicht von verblendeten Ideologen gleich welcher Couleur zerstören lassen. Dazu ist es notwendig, Haltung zu zeigen und aufzustehen, wenn es nötig ist.“

CDU immer noch fassungslos

„Als CDU sind wir immer noch fassungslos und tief bestürzt über die Ermordung unseres Freundes Walter Lübcke. Wir haben einen lebensfrohen, bodenständigen und hochangesehenen Politiker aus unseren Reihen durch eine feige Tat verloren. Unsere Anteilnahme und unser Mitgefühl gelten seiner Frau, seinen Söhnen, allen Angehörigen und Freunden. Wir appellieren in diesen schweren Tagen und Wochen an alle, den Respekt und den würdigen Umgang gegenüber dem Opfer und seinen Angehörigen zu wahren. Wir sind schockiert, dass Walter Lübcke nach Einschätzung des Generalbundesanwaltes wohl rechtsextremistischen Motiven des Täters zum Opfer gefallen ist. Dieser feige Mord und die Hintergründe müssen aufgeklärt werden. Die hessischen Sicherheitsbehörden und alle beteiligten Behörden arbeiten gemeinsam und unermüdlich an der Aufklärung des Falles. Alle hessischen Kräfte unterstützen den Generalbundesanwalt bei seinen umfassenden Ermittlungen. Jetzt ist die Stunde der Ermittler und nicht von wilden Spekulationen. In der derzeitigen Situation gilt es, sich über Partei-, Fraktions- und gesellschaftliche Grenzen hinweg an die Seite des Opfers und der Betroffenen zu stellen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir gemeinsam mit den Grünen, der SPD und den Freien Demokraten einen Antrag erstellen konnten, den wir heute im Hessischen Landtag beraten haben“, erklärte der hessische CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Boddenberg.

„Es erschreckt uns, dass Walter Lübcke möglicherweise für eine klare Haltung mit seinem Leben bezahlen musste. Bewahrheitet sich der schreckliche Verdacht, dann handelt es sich um den ersten rechtsextremistisch motivierten Mord an einem deutschen Politiker seit der Weimarer Republik. Diese Tat ist eine Zäsur. Sie zeigt eine neue Dimension rechter Gewalt und politischer Radikalisierung. Als Demokratinnen und Demokraten sind wir tief erschüttert und werden alles in unserer Macht stehende unternehmen, unsere Freiheit und eine sichere und offene Gesellschaft zu bewahren. Ganz im Sinne von Walter Lübcke sage ich deshalb: Wir lassen uns von radikalen und extremen Kräften die Errungenschaften unserer Demokratie nicht nehmen“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende weiter.

Internet ist kein rechtsfreier Raum

Die Sicherheitsbehörden in Hessen beobachten die rechtsextremistische Szene genau. „Das Landesamt für Verfassungsschutz betont immer wieder, dass mit rechtsextremistischen Straftaten jederzeit zu rechnen ist. Die zunehmende Gewaltbereitschaft und Bewaffnung wird genau beobachtet und erfüllt uns mit Sorge. Um es klar zu sagen: Ausländerhass und Gewalt haben in Hessen nichts verloren. Das Internet, insbesondere die sozialen Medien, haben sich zu Räumen entwickelt, in denen ungeniert gehetzt und beleidigt werden kann. Im Schutz der Anonymität werden Falsch- und Hassmeldungen verbreitet, es wird beleidigt und auch fremdenfeindliche und rassistische Positionen vertreten. Dies ist widerwärtig und nicht hinnehmbar. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Es ist weder für die Opfer von Hass und Beleidigungen hinnehmbar, die wir als Staat schützen müssen, es ist aber auch mit Blick auf unsere Demokratie und unsere Sicherheit nicht hinnehmbar. Hassforen sind Keimzellen für Gewalt in der realen Welt. Bei Walter Lübcke haben Worte vermutlich zum Mord geführt. Auch deshalb werden wir – ganz im Sinne unseres Freundes – Hate Speech im Netz entschlossen bekämpfen. Der Aufruf zu Hass und Gewalt darf nicht unwidersprochen bleiben. Als Demokratinnen und Demokraten stellen wir uns dieser Verrohung, Radikalisierung und Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben entschlossen entgegen. Das ist das Erbe von Walter Lübcke an uns alle“, erklärte Boddenberg.

Ministerpräsident Bouffier (CDU) sagte in der Debatte: „Dieses scheußliche Verbrechen“ würde rückhaltlos aufgeklärt. Dem Rechtsextremismus entgegenzutreten, sei eine Daueraufgabe. SPD-Innenexpertin Faeser forderte, aus den Taten der Terrorzelle NSU zu lernen und jede Spur zu verfolgen. Die Linke hat gefordert geheime Akten zu öffnen. Es gebe ein als geheim eingestuftes Papier des Verfassungschutzes. In diesem soll auch der Name des verdächtigen Stephan E. auftauchen. +++