
Der Machtwechsel in Syrien hat in Deutschland eine Debatte über Abschiebungen in das Land ausgelöst. Die Lage habe sich durch den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad „grundlegend geändert“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), dem „Handelsblatt“.
Das gelte für diejenigen Flüchtlinge in Deutschland, die vor allem vor Assad geflüchtet seien. „Hier gilt es zu prüfen, ob der Schutzstatus nicht entfällt.“ Auch müsse freiwilliges Rückkehren unterstützt werden, so Throm. „Allen muss klar sein: Flucht ist ein Aufenthalt auf Zeit.“
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter riet dazu, zunächst abzuwarten, wie moderat die islamistischen Gruppen, die den Umsturz herbeigeführt haben, wirklich seien, ob sie ein stabiles Syrien schaffen und untereinander geschlossen agierten. „In der Tat wäre dies dann die Zeit für einen Neuanfang in der Region und auch in Bezug auf die Fluchtbewegungen eine komplett veränderte Lage für Europa“, sagte Kiesewetter dem „Handelsblatt“. Es bestehe aber auch „die Gefahr, dass ein Kalifat entsteht oder sich Terrorstrukturen ausbreiten“.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese warnte vor verfrühten Forderungen nach Abschiebungen. Syrien stehe jetzt ein schwieriger Weg bevor. „Vieles ist noch unklar und unübersichtlich“, sagte Wiese der Zeitung. „Viele, die jetzt vorschnell Prognosen und Ratschläge abgeben, haben vor zwei oder drei Wochen noch keine solche Entwicklung prognostiziert, wie wir sie jetzt mit dem Sturz von Assad sehen.“
Hofreiter gegen Änderung der Migrationspolitik bei Syrern
Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter hat davor gewarnt, nach dem Umsturz in Syrien härter gegen syrische Flüchtlinge in Deutschland vorzugehen. „Es ist vollkommen unklar, wie es jetzt in Syrien weitergeht“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Überlegungen, nach dem Sturz von Assad unsere Migrationspolitik zu verändern und härter gegen syrische Geflüchtete vorzugehen, sind völlig fehl am Platz.“ Hofreiter weiter: „Der demokratische Prozess muss nun mit aller Kraft vorangebracht werden. Zuallererst müssen dabei die Rechte von Minderheiten in Syrien sichergestellt sein.“
Knaus sieht nach Assad-Sturz Chance auf Wendepunkt in Asylpolitik
Der Migrationsforscher Gerald Knaus sieht nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien die Chance auf Entspannung in der Flüchtlingskrise. „Mittelfristig – sollte Stabilität hergestellt werden – könnte das für die gesamte Flüchtlingssituation, auch in Europa, ein historischer Wendepunkt sein“, sagte Knaus dem „Stern“. Syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern hätten sofort die Chance zu sehen, ob es in ihrer Heimat wieder sicher ist. „Ist das so, werden auch Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen.“
Nach Ansicht von Knaus könnten sich die Entwicklungen in Syrien auch auf die hiesige Politik auswirken. „Wenn sich Syrien stabilisiert, könnte das auch unsere Politik dramatisch und positiv verändern“, sagte er. „Sollte sich die Zahl syrischer Asylanträge 2025 schnell verringern, würde extrem gefährlichen Kräften das Wasser abgegraben – der AfD hierzulande, der FPÖ in Österreich.“ Deswegen müsse das Thema der Stabilisierung Syriens absoluten Vorrang haben, auch was die außenpolitischen Anstrengungen angehe.
Knaus forderte die Bundesregierung auf, die sofortige Einrichtung einer Kontaktgruppe zu erwirken. „Es braucht eine Kontaktgruppe von unmittelbar betroffenen Ländern. Jordanien müsste dabei sein, die Türkei, Österreich, Griechenland, Deutschland, die EU und die nächste syrische Regierung.“ Diese Gruppe müsse eine Strategie entwerfen, die EU sie unterstützen. „Auch aus Eigeninteresse. In den letzten zwei Jahren haben 80 Prozent der Syrer in der EU Schutz in Deutschland und Österreich bekommen.“ +++
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