30 Jahre deutsche Wiedervereinigung

Traditioneller Festakt am Vortag auf Point Alpha

Freiheitswille, eine friedliche Revolution und das Zusammenwachsen einer Nation – die deutsche Wiedervereinigung jährt sich am heutigen 3. Oktober 2020 zum 30. Mal. Um die Erinnerung daran wach zu halten, fand gestern in der Gedenkstätte Point Alpha der traditionelle Festakt zum Tag der Deutschen Einheit mit Kranzniederlegung statt. Als Hauptredner fungierte Bundesverteidigungsminister a.D. Dr. Karl -Theodor zu Guttenberg, der verriet, dass ihm die Gedenkstätte „sehr am Herzen“ liege. Gründe dafür lieferte er in einem eindrucksvollen Vortrag.

Der Besuch des ehemaligen US-Camps Point Alpha weckt bei zu Guttenberg Erinnerungen an unbeschwerte Sommerwochen in seiner Kindheit in Eckweisbach, dies stellte der ehemalige Verteidigungsminister zu Beginn seiner Festansprache anlässlich 30 Jahre deutsche Wiedervereinigung heraus. Hier sei er mit seinem Vater entlang der innerdeutschen Grenze mit ihren Wachtürmen und dem Stacheldraht gefahren. Zwischen Rasdorf und Geisa werden bei ihm aber auch berührende Augenblicke der Jahre 1989 und 1990 lebendig. „Wo immer Frieden und Freiheit bejubelt wurden, gab es Glücksmomente“, sagt der 48-Jährige. Die Festigung und der Erhalt dieser Güter sei dann aber oft gewaltigen Anstrengungen unterworfen. Eine Folgeerscheinung dieser historischen Glücksmomente unterstreiche die triviale Erkenntnis, dass es sich bei Frieden, Freiheit und Demokratie niemals um ein „Perpetuum Mobile“ handeln könne. Zu Guttenberg glaubt, die letzten 30 Jahre hätten gezeigt, dass man das Wechselspiel von Wendepunkt und Auftrag begriffen habe. Deutschland sei ein Land mit alten und neuen Schwächen, aber eben auch ein Land mit alten und neuen Stärken.

Die Gedenkstätte Point Alpha ist für zu Guttenberg aber auch ein Ort des Herzens. Er mahnte mehr zu tun, als sich lediglich nur zu erinnern oder es uns in Europa bequem zu machen. Deutschland müsse sich in der erneuerten Mitte Europas wiederfinden und es gelte, sich gegen Tendenzen der Renationalisierung einzusetzen sowie Reformen von internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen, der WTO aber auch der Europäischen Union anzustoßen. Insbesondere das US-Camp Point Alpha erinnere auch daran, dass Verhältnis zu den USA zu revitalisieren und Spaltungstendenzen zu unterbinden. Deutschland sei gefordert, „mehr Verantwortung zu übernehmen“, insbesondere mit Blick auf die Krisenherde rund um Europa, aber auch weltweit. Gerade vom geeinten Deutschland würden Impulse und innovative Anstöße zur Lösung solcher Herausforderungen erhofft. Zudem gelte es, sich der Rolle im Konflikt zwischen Amerika und China bewusst zu werden, den manche bereits als „Zweiten Kalten Krieg“ bezeichneten. Ohne klare Haltung, so zu Guttenberg, drohe Europa zerrissen zu werden.

Der frühere deutsche Minister und heutige Vorsitzende der Spitzberg Partners LLC, einer globalen Investment- und Beratungsfirma, schlussfolgerte schließlich, dass die Gedenkstätte Point Alpha allen Herzen nah sein müsse, als er die ganze Spannbreite menschlichen Handelns und Empfindens reflektierte – Abgründe, Ängste, Hoffnung, Glücksmomente und vieles mehr. Das Mahnende, das einer Gedenkstätte innewohnen soll, verklinge ins Wahrnehmungslose, wenn es nicht zum Handeln dränge. „Einrichtungen wie Point Alpha, deren Qualität einzigartig ist, spiegeln zwei unverrückbare Stützpfeiler unserer Verfassungskultur: Freiheit und Menschenwürde. Und der 3. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit, darf uns daran erinnern, dass vordergründig Unerreichbares überwindbar ist“, so zu Guttenberg.

Der Stiftungsratsvorsitzende und Staatssekretär im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, Dr. Stefan Heck, begrüßte zum Festakt im ehemaligen US-Camp zahlreiche Ehrengäste aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, Kirche und Gesellschaft – unter ihnen die Landräte des Wartburgkreises und des Landkreises Fulda, Reinhard Krebs und Bernd Woide, die Bürgermeisterin der Stadt Geisa, Manuela Henkel, der Bürgermeister der Gemeinde Rasdorf, Jürgen Hahn. Besonders freute sich der Stiftungsratsvorsitzende mit der Ministerialdirigentin für Kultur in der Thüringer Staatskanzlei, Elke Harjes-Ecker, eine Vertreterin der Landesregierung des Freistaates Thüringen begrüßen zu dürfen. Weitere Grußworte galten den haupt- und ehrenamtlichen Repräsentanten der Gebietskörperschaften, den Mitgliedern des Fördervereins von Point Alpha sowie aus dem Vorstand der Point Alpha Stiftung sowie allen Förderern, Freunden und Unterstützern. Besonders begrüßt wurden mit Dr. Eberhard Fennel, Bürgermeister der Stadt Hünfeld a.D., und Berthold Jost, Bürgermeister der Gemeinden Rasdorf und Eiterfeld a.D., zwei Persönlichkeiten, die sich in den vergangenen Jahren um Point Alpha besonders verdient gemacht haben. Beide wurden für ihre vielfältigen Verdienste im Land Hessen vor Kurzem mit der höchsten Auszeichnung des Landes, mit dem Hessischen Verdienstorden, ausgezeichnet.

„Der 3. Oktober markiert einen historischen Wendepunkt für Deutschland, Europa und die Welt. Einzeln, aber auch im Zusammenhang betrachtet, ergibt sich ein klares Plädoyer: weg vom Gegeneinander, hin zum Miteinander. 71 Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, fast 60 Jahre nach dem Mauerbau, können wir heute auf 30 Jahre Deutsche Einheit mit Dank zurückblicken“, stellte der Stiftungsratsvorsitzende gestern anlässlich des Festaktes zur deutschen Wiedervereinigung heraus. In seinen Ausführungen spannte er einen Bogen von den historischen Ereignissen in der Vergangenheit bis in die Gegenwart. Der 3. Oktober sei nicht nur der „glücklichste und wichtigste gesamtdeutsche Feiertag“, sondern auch ein Freiheitstag, der nie in Vergessenheit geraten dürfe. Eine Erfolgsgeschichte, in der die Freiheit des Einzelnen als unabdingbares Menschenrecht gelte. Wie damals stehe man aber auch heute als Solidaritätsgemeinschaft vor großen Herausforderungen. Der Umgang mit Migration, die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die offene Rückwärtsgewandtheit einiger schürten Gräben, die es im Sinne eines geeinten Europas zu überwinden gelte. Historisches Bewusstsein fördere ein gutes politisches Gespür. Es gelte, intelligent mit der Geschichte umzugehen, aus ihr zu lernen und in einem demokratischen Staat und einem demokratischen Europa keinen Platz für Intoleranz zu dulden. Genau dafür biete die Gedenkstätte Point Alpha die optimalen Voraussetzungen. Als Gedenk- und Mahnstätte sowie als Begegnungs- und Lernort, die sich der historischen, politischen Jugend- und Erwachsenenbildung widmet und mit ihren Angeboten einen wichtigen Beitrag dazu leistet. Auf Basis der historischen Ereignisse sei Point Alpha ein Ort, der insbesondere auf die Gegenwart und in die Zukunft wirke und dabei neue Perspektiven und Blickwinkel eröffnen möchte. Dr. Heck übermittelte auch eine Botschaft des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und der Hessischen Landesregierung: „Wir sind es den Opfern der SED-Diktatur schuldig, für den Erhalt der Gedenkstätten und Museen an der ehemaligen Grenze Sorge zu tragen. Nur durch Authentizität und Anschaulichkeit können wir gewährleisten, dass das historische Erbe der Nachkriegsjahre auch in Zukunft erhalten bleibt. Die Hessische Landesregierung steht hinter der Point Alpha Stiftung und begleitet ihren Weg mit großer Sympathie, aber auch mit der Erwartung an eine weiterhin erfolgreiche Umsetzung der wichtigen Arbeit für unsere Erinnerungskultur.“ Als weitere Redner überbrachten die Ministerialdirigentin für Kultur in der Thüringer Staatskanzlei, Elke Harjes-Ecker die Grußworte für den Freistaat Thüringen und für die United States Army Europe sprach der Brigadegeneral Joseph A. Papenfus. Als Dolmetscher fungierte Major Eric Kirsch, vom Hauptquartier der US-Army in Wiesbaden.

„Es wird immer schwieriger nachzuempfinden, wie es den Menschen damals ergangen ist. Aber glücklicherweise können wir nach 30 Jahren noch mit vielen, die die Zeit selbst erlebt und diese Erfahrungen gemacht haben, ins Gespräch kommen“, stellte Sebastian Leitsch, Geschäftsführer der Point Alpha Stiftung, fest. Die Zeitzeugen in der Gedenkstätte Point Alpha, die bereit seien, den Besucherinnen und Besuchern aus ihrem eigenen Erleben zu berichten, wie sie das westdeutsche Zonenrandgebiet oder das Sperrgebiet der Deutschen Demokratischen Republik erlebt hätten, leisteten mit ihren Erzählungen einen wertvollen Dienst und ließen den Besuch der Gedenkstätte zu einem prägenden Ereignis werden. Zur Sicherung dieser wichtigen Zeugnisse der deutschen und insbesondere auch der lokalen Geschichte für nachfolgende Generationen habe die Stiftung im Jubiläumsjahr in Kooperation mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung ein langfristig angelegtes Projekt zur Videodokumentation von Zeitzeugeninterviews gestartet. Leitsch zeigte sich davon überzeugt, dass die Frage, wie lange wir noch an die Teilung erinnern „müssen“ und Gedenkstätten wie Point Alpha notwendig seien, ganz einfach beantwortet werden könne: „Hier kann nur immer die richtige Antwort sein!“ Denn die Pflicht als Demokraten sei es, dafür zu sorgen, dass es nicht wieder zu einer solchen Situation in Deutschland und in Europa komme. Frieden, Freiheit und Demokratie dürften nicht zu Worthülsen werden, sondern Ziel müsse es sein, sie durch den Besuch der Gedenkstätte Point Alpha mit Inhalt zu füllen. Abschließend des Festaktes erklangen im ehemaligen US-Camp der Gedenkstätte Point Alpha durch das Blechbläserquintett des Polizeimusikkorps Thüringen die Nationalhymne der USA und die Deutsche Nationalhymne. Ein bewegender Moment anlässlich 30 Jahre deutsche Wiedervereinigung. +++ pm/ja