120 Jahre Bürgerstiftung antonius : gemeinsam Mensch

Empfang mit Freunden, Förderern und Wegbegleitern im Stadtschloss

Über 400 geladene Gäste aus der Politik, Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft sowie dem öffentlichen Leben waren am Donnerstag zu einem Empfang anlässlich 120 Jahre Bürgerstiftung antonius : gemeinsam Mensch im Fürstensaal des Fuldaer Stadtschlosses zusammengekommen. Die Bürgerstiftung, die früher den Namen „St. Antonius gGmbH“ trug und seit 2021 unter ihrem neuen Namen wirkt, bildet als Trägerstiftung das Dach des aus verschiedenen Gesellschaften, Betrieben und Kooperationen bestehenden Netzwerks. 1902 von der Fuldaer Bürgerin Maria Rang als „St. Lioba-Stiftung“ gegründet, verwaltet die heutige Bürgerstiftung antonius : gemeinsam Mensch die finanziellen Mittel und achtet darauf, dass der Stiftungsauftrag erfüllt wird. Vier Schwestergesellschaften – „Gemeinsam wachsen gGmbH“, „Gemeinsam begegnen gGmbH“, „Gemeinsam leben gGmbH“ und die „Perspektiva gGmbH“ – tragen als gemeinnützige GmbHs gemeinsam mit der Bürgerstiftung zur Verwirklichung des Stiftungsauftrags bei.

Aktuell leben bei antonius : gemeinsam Mensch etwa 320 Menschen in verschiedenen Wohnformen auf dem Hauptgelände An St. Kathrin in Fulda, in unterschiedlichen Liegenschaften im Stadtgebiet sowie im Landkreis Fulda. Das Netzwerk bietet insgesamt rund 1.250 Arbeits- und 80 Ausbildungsplätze für Menschen mit und ohne Behinderung und ist damit einer der größten Arbeitsgeber der Region. Mehr als 290 Ehrenamtliche, etwa 70 junge Menschen im Freiwilligendienst und 250 Praktikanten engagieren sich bei antonius. Das von bürgerlichem Engagement getragene Netzwerk ist wirtschaftlich und politisch unabhängig sowie konfessionell und parteipolitisch ungebunden. Der Oberbürgermeister der Stadt Fulda, Dr. Heiko Wingenfeld, erinnerte in seiner Rede anlässlich des Empfangs an die frühe Gründungsgeschichte der heutigen Bürgerstiftung und an die Bürgerin, die nicht nur als Initiatorin des späteren „Antoniusheims“ fungierte, sondern auch Fulda stark prägte: Maria Rang, deren Porträt um 1910 im Fürstensaal des Stadtschlosses unter den letzten 14 Fürstäbten und Fürstbischöfe bis 1802 noch heute an ihr einfühlsames und soziales Wirken erinnert.

Maria Rang vertrat den Standpunkt, dass jeder Mensch Begabungen und Talente besitzt

Die von Grund auf der sehr sozial eingestellte Maria Rang gründete 1893 das Siechenhaus, eine der Überlieferung nach Pflegeeinrichtung für unheilbare Kranke, Alte und Gebrechliche, aus dem das spätere Liobaheim hervorging. 1902, hundert Jahre nachdem der letzte Fürstbischof Adalbert von Harstall (1737 – 1814) in Fulda wirkte, gründete Maria Rang mit der St. Lioba-Stiftung die Trägerschaft, die den Beginn von antonius darstellt. „Maria Rang war eine starke Persönlichkeit, eine Wohltäterin, eine verdiente Bürgerin unserer Stadt. Ich bin von ihr tief beeindruckt. Seinerzeit gab es keinen Staat, der sich um alles gekümmert hätte, es gab auch keine Kirchen“, so Oberbürgermeister Dr. Wingenfeld. Maria Rang vertrat den Standpunkt, dass jeder Mensch Begabungen und Talente besitzt, die es zur fördern gilt und eröffnete schon bald nach der Gründung der Bürgerstiftung das „Antoniusheim“; nicht als Verwahranstalt für Menschen mit geistiger Behinderung, sondern als Institution der Aus- und Weiterbildung sowie als erfüllendes zu Hause. Seinerzeit war das revolutionär. Auch heute noch, 120 Jahre später markiert antonius : gemeinsam Mensch eine Gesellschaft, in der jeder Mensch in seiner Individualität akzeptiert ist, in der er sich mit seinen Stärken und Schwächen einbringen und in vollem Umfang teilhaben kann. Aus dem Samenkorn, welches die Fuldaer Bürgerin Maria Rang einst legte, ist im Laufe der Jahrzehnte ein vielfältiges, buntes und offenes Netzwerk mit und im Auftrag der Fuldaer Bürgerschaft gewachsen, das Inklusion voranbringt und Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen fördert.

Minister Klose: antonius ist ein wichtiges Glied der sozialen Infrastruktur

Via Videobotschaft überbrachte Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) Glückwünsche zum Jubiläum. „120 Jahre sind ein stolzes Alter. In diesen 120 Jahren spiegelt sich auch die Entwicklung der Behindertenhilfe wider. Ihre Wurzeln liegen in der Lioba-Stiftung, die Maria Rang vor 120 Jahren in Fulda gegründet hat, um die Situation von Kindern und Erwachsenen Menschen mit Behinderung zu verbessern“, so Minister Klose, der in seinem digital überbrachten Grußwort an die Arbeitsschule „Startbahn“ als eine Schule, die jungen Menschen mit und ohne Behinderung auf die berufliche Ausbildung und das spätere Berufsleben vorbereitet, verwies. Sie trage entscheidend dazu bei, dass Inklusion erfolgreich stattfinden kann. „Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und das gleichberechtigte Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung sind auch zentrale Ziele der Landesregierung. Auch wir wollen ein gemeinsames, selbstbestimmtes Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung. Um diese Ziele umzusetzen, brauchen wir engagierte Träger und gesellschaftliche Akteure und kompetente Mitarbeiter. Auch hier sind Sie beispielgebend und mit Ihren Projekten ein wichtiges Glied der sozialen Infrastruktur in Hessen. Daher gratuliere ich Ihnen im Namen der gesamten Landesregierung herzlich zu Ihrem 120-jährigen Jubiläum und bitte Sie, diesen Weg fortzusetzen“, so Hessens Sozialminister Kai Klose.

Landrat Woide: Soziale Frage ist heute aktueller denn je

Die Glückwünsche vonseiten des Landkreises Fulda überbrachte Landrat Bernd Woide, der anmerkte, dass die Vision von Bürgerstiftungsgründerin Maria Rang keine historische Epoche sei, die abgeschlossen ist. Im Gegenteil: „Sie ist das, was uns auch heute, 120 Jahre später, noch zusammenführt.“ Die soziale Frage, wie es gelingen kann, Menschen zwar mit Handicap dafür aber mit vielen Begabungen und Talenten am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen, sei das historische Verdienst von Maria Rang in Gegenwart und Zukunft. Diese soziale Frage, so Woide, stehe heute nach wie vor. Woide: „Wir alle haben uns angewöhnt, die soziale Frage nur noch einem zu stellen: dem Staat. Heute ist die Bundesrepublik Deutschland verfassungsrechtlich verankert ein Sozialstaat. Provokanter Weise könnte man jetzt die Frage stellen, ob wir denn so etwas wie eine Bürgerstiftung – in einem Staat, der alles regelt – überhaupt noch brauchen? Ich sage ja; mehr denn je! Denn die soziale Frage ist nicht nur eine Frage, wie wir dem Staat stellen sollten, stellen müssen. Ich glaube, dass dieser Staat in weiten Teilen schon an der Grenze der Leistungsfähigkeit ist, ja teilweise schon mit vielen sozialen Fragen überfordert ist. Ich glaube, Maria Rang ist ein gutes Beispiel für die Menschen, die sich schon vor vielen Jahren in der Bürgerstiftung engagiert haben und jene, die sich bis heute engagieren, und dass man eben nicht nur über Geld und finanzielle Ressourcen reden sollte, sondern die Menschen in den Mittelpunkt stellt. Und auch, dass eine Einschränkung, eine Behinderung nicht das Entscheidende ist, an dem etwas festgemacht werden sollte. Und ich glaube, das ist das Verdienst, was wir heute feiern, das vor 120 Jahren begonnen hat und weiter geht.“

Bischof Dr. Gerber: antonius leistet einen nachhaltigen Beitrag für Entwicklung dieser Gesellschaft

Fuldas Bischof Dr. Michael Gerber warf in seinen Glückwünschen anlässlich 120 Jahre Bürgerstiftung die Frage auf, wie Kinder und Heranwachsende durch antonius wohl geprägt werden und wie sie später auf antonius blicken. Nach dem Fuldaer Bischof leiste antonius etwas „ganz Nachhaltiges für die Entwicklung dieser Gesellschaft“ und beschrieb die mitunter frühkindliche Förderung als „unglaublicher Invest“. Hochschulpräsident Professor Karim Khakzar überbrachte die Glückwünsche im Namen des Präsidiums. Wie keine andere Einrichtung, so Khakzar, stehe antonius für Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe. Der Hochschulpräsident verriet, dass die Hochschule Fulda schon seit vielen, vielen Jahren enge Beziehung zu antonius pflegt. Es bestünden eine Vielzahl von Projekten im Bereich der Forschung und Lehre, der Anwendung und dem Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen, von diesen man gegenseitig ungemein profitiere. Was ihn selbst immer wieder beeindrucke: wie entschlossen die Verantwortlichen bei antonius, immer wieder sehr unkonventionelle Wege gingen, sich mit Innovationen auseinandersetzen und sich immer wieder neuen Fragestellungen widmen. Eine von diesen Fragestellungen ist ein kürzlich erschienenes Lesebuch, das der Frage auf den Grund geht, welche Wirkung antonius in die Gesellschaft hinein entfaltet und das in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen der Hochschule Fulda realisiert wurde. Das Lesebuch ist nach Khakzar wohl der erste Schritt. In ihm sind viele Beispiele aufgeführt von Menschen, die für dieses Projekt interviewt wurden.

Hochschulpräsident Professor Khakzar: Wie keine andere Einrichtung steht antonius für Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe

Für die Industrie- und Handelskammer Fulda überbrachte Präsident Dr. Christian Gebhardt die Glückwünsche anlässlich des 120-jährigen Jubiläums auch um, so Gebhardt, die Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen. In Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der antonius : gemeinsam leben gGmbH und geschäftsführender Vorsitzender der Bürgerstiftung richtete Rainer Sippel auch im Namen der beiden Geschäftsführer der antonius : gemeinsam leben gGmbH, Sebastian Bönisch und Günter Habig, Dankesworte an Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld und die städtischen Gremien, für die Ausrichtung des Empfangs im Stadtschloss. Der geschäftsführende Vorsitzende der Bürgerstiftung bedankte sich auch für die gute Partnerschaft, diese letztlich nur zusammen auf die Beine gestellt werden könne. Zusammen mit der Stadt Fulda konnten in der Vergangenheit viele gemeinsame Projekte wie der Zitronenfalter als interdisziplinäres Zentrum für Beratung, Frühförderung und Therapie oder das Betreiben der Schulcafeteria des Domgymnasiums durch die Mitarbeiter von antonius verwirklicht werden. Das alles könne nur im guten Einklang mit der kommunalen Familie realisiert werden, so Sippel. Besondere Dankesworte richtete er an Landrat Woide, durch dessen Engagement der Arbeitsmarkt in Fulda angesichts der Inklusion grundlegend verändert werden konnte und dadurch die Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt integriert konnten und ein Stück weit ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen können.

In Funktion als Stiftungsratsvorsitzender der Bürgerstiftung ergriff abschließend Hessens früherer Wirtschaftsminister und Oberbürgermeister der Stadt Fulda Dr. rer. pol. Alois Rhiel das Wort, in dem er seinen allumfassenden Dank für all jene, die sich seit vielen Jahren in der Bürgerstiftung engagieren zum Ausdruck brachte. Ein besonderer Dank richtete er an Schwester Dennis für ihre „gelebte Berufung im Sinne von Nächstenliebe“. Ferner galt sein Dank den Mitgliedern des Kuratoriums und Mitgliedern der Aufsichtsräte. Weitere Grußworte richteten u.a. der heimische Bundestagsabgeordnete Michael Brand MdB, Armin von Buttler (Vorstand Aktion Mensch) und Norbert Strauß (engelbert strauss GmbH & Co. KG). Der Empfang im Fürstensaal des Stadtschlosses wurde musikalisch begleitet durch den Schulchor der Antonius von Padua Schule und der Big Band des Domgymnasiums Fulda, letztere die Festgemeinde mit heiterem Gemüt zur anschließenden Begegnung und Umtrunk ins Foyer entließ. +++ jessica auth

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