Zeitzeugen erinnern in Fulda an den ersten Auschwitz-Prozess

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Zeitzeugengespräch in der Katholischen Akademie des Bistums Fulda (von links): Die Seminarleiter Andreas Gudat-Wengenroth und Anne Wengenroth, Zeitzeuge Roland Reusing, Zeitzeugin Rosi Helbig und Dr. Sebastian Koch von der Katholischen Akademie. Foto: Bistum Fulda

Zeitzeugen haben in der Katholischen Akademie des Bistums Fulda an den Beginn des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses vor mehr als 60 Jahren erinnert. Am 20. Dezember 1963 hatte der größte öffentliche NS-Schwurgerichtsprozess der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte begonnen. Er gilt als Wendepunkt in der juristischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen und des Holocaust in Deutschland. Die Erinnerungen wurden im Rahmen eines Bildungsurlaubs an der Akademie geschildert.

„Manchmal haben wir zusammen geweint“, sagte die Zeitzeugin Rosi Helbig mit Blick auf die Befragungen, die der Vorbereitung der Prozesse dienten. Diese waren von dem damaligen hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer gegen große Widerstände initiiert worden, um die Verbrechen von Auschwitz juristisch aufzuarbeiten. Helbig berichtete von der emotionalen Belastung, die die Auseinandersetzung mit den Aussagen und Berichten über die NS-Verbrechen mit sich brachte.

Der Zeitzeuge Roland Reusing erlebte den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess als junger Justizsekretär aus nächster Nähe. Er traf sowohl Fritz Bauer als auch viele der angeklagten ehemaligen Nationalsozialisten sowie zahlreiche Zeuginnen und Zeugen persönlich. Die Ungeheuerlichkeiten, von denen er und Helbig in diesen Wochen und Monaten hörten, prägten nach ihren Worten ihr weiteres Leben nachhaltig und ließen sie bis heute nicht los.

Beide berichteten auch von den langfristigen Folgen dieser Erfahrungen. Zwar hätten sie im Laufe ihres Lebens das schleichende Gift eines tiefen Misstrauens gegenüber ihren Mitmenschen hinter sich lassen können, dennoch habe sie die Frage nach der Vergangenheit anderer Menschen lange begleitet. So hätten sie sich etwa bei Bahnfahrten mit Blick auf ältere Mitreisende oft gefragt, was diese wohl vor 1945 getan hätten.

Der Bildungsurlaub fand vor dem Hintergrund des Hessischen Bildungsurlaubsgesetzes (HBUG) statt. Danach haben in Hessen beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, um an anerkannten Veranstaltungen der politischen, beruflichen oder gesellschaftlichen Weiterbildung teilzunehmen. Bildungsurlaube gelten als Chance und Recht auf neue Perspektiven, vertieftes Wissen und eine bewusste Gestaltung der eigenen Zukunft. Jede Form der Weiterbildung soll dabei nicht nur die einzelne Person stärken, sondern auch deren berufliches und gesellschaftliches Umfeld. +++


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