Wer ist der Klügere? – Das vorläufige Ende der Bahnstreiks

Berlin. Eine Zwickmühle ist eine Zwickmühle und wird nicht dadurch einfacher, dass man einen Dritten mit der Lösung beauftragt. Oder zwei. Die angerufene Schlichtung im Tarifkonflikt der Lokomotivführergewerkschaft GDL mit der Bahn lässt Deutschland zwar erst einmal aufatmen, doch erledigt ist die Auseinandersetzung damit nicht. Es bleibt im Kern ein Tarifstreit zwischen zwei Gewerkschaften, die sich gegenseitig Mitglieder mit unterschiedlich guten Tarifverträgen abwerben wollen, und der Bahn, die gerade das verhindern will.

Das lässt sich nur durch einen Ermüdungskampf auflösen – in dem befand man sich bereits – oder wenn eine der drei Seiten irgendwie nachgibt. Wer ist der Klügere? Die Bahn scheint es nicht zu sein, sie beharrte gestern im Kern auf ihrem Standpunkt: Keine zwei Tarife für ein- und dieselbe Berufsgruppe. Die Lokführergewerkschaft GDL auch nicht, sie will einen eigenen Tarifvertrag auch für das Zugpersonal. Und die große Eisenbahnergewerkschaft EVG? Sie will der GDL-Konkurrenz nicht den Triumph überlassen, die wahre Tariflokomotive zu sein und drohte deshalb ihrerseits gestern mit Warnstreiks. Nun kommt das Ungemach also von dieser Seite. Allerdings, es gibt einen Lichtschimmer: Die EVG erklärte, sie beende ihre Tarifverhandlungen mit der Bahn nur, wenn von dieser garantiert werde, dass ein späteres, womöglich besseres Verhandlungsergebnis aus dem Schlichtungsverfahren mit der GDL auf ihre Mitglieder übertragen werde. Darin könnte ein Ausweg liegen. Die Bahn hätte ihr Ziel erreicht – ein einheitliches Niveau für alle. Allerdings höher als sie wollte.

Die GDL auch: Ein eigener Vertrag auch für das Zugpersonal. Und die EVG hätte ebenfalls etwas für ihre Leute erreicht. Bei einem solchen Ende der Auseinandersetzung würde GDL-Chef Claus Weselsky zwar ein wenig lauter jubeln als die anderen, doch dürften die sich damit trösten, dass es sein letzter Jubel wäre. Denn falls das Tarifeinheitsgesetz, das der Bundestag am Freitag beschließt, tatsächlich am 1.Juli in Kraft tritt und auch vor dem Verfassungsgericht Bestand hat, gilt für künftige Auseinandersetzungen, dass die in einem Betrieb größere Gesellschaft den Takt vorgibt. Das wird die GDL nicht sein. Das Ende dieses Tarifstreites wird noch kompliziert genug sein, weil so viele ihr Gesicht wahren müssen. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre es besser gewesen, wenn der Schlichter Bodo Ramelow gestern geschwiegen hätte, statt sich auf Seiten der GDL zur Partei zu machen. Leute, die sich profilieren wollen, gibt es in diesem Streit schon genug, so die Lausitzer Rundschau. +++ fuldainfo

Sie können uns jederzeit Leserbriefe zukommen lassen.

Diskutieren kann man auf Twitter oder Facebook

Hier können Sie sich für den fuldainfo Newsletter anmelden. Dieser erscheint täglich und hält Sie über alles Wichtige, was passiert auf dem Laufenden. Sie können den Newsletter jederzeit wieder abbestellen. Auch ist es möglich, nur den Newsletter „Klartext mit Radtke“ zu bestellen.

Newsletter bestellen