Wege zum Frieden: Etwa 120 bei Ostermarsch in Fulda

„Wir müssen friedenfähig werden, nichts kriegstüchtig“

Gut 2.000 Menschen haben am heutigen Karsamstag in Hessen an den traditionellen Ostermärschen teilgenommen. Im osthessischen Fulda waren heute etwa 120 Menschen auf die Straße gegangen. Unter dem Motto „Die Waffen nieder! Friedensfähig statt kriegssüchtig“ zogen sie durch die Innenstadt. Versammlungsleiter Matthias Marterer (Fulda) und Moderator Friedhelm Fett (Bad Hersfeld) begrüßten im Namen des Vorbereitungskreises auf dem Bahnhofsvorplatz die dort Versammelten, die ihrem dringlichen Anliegen nach Verhandlungslösungen im Kontext des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine Ausdruck verliehen. Zum Ostermarsch aufgerufen hatten neben zahlreichen Einzelpersonen der Deutsche Gewerkschaftsbund Kreisverband Fulda, der Deutsche Gewerkschaftsbund Kreisverband Vogelsberg und die Naturfreunde Ortsgruppe Vogelsberg. „Täglich sterben unschuldige Menschen in zahlreichen Kriegen. Die Gefahren wachsen, denn es drohen eine Ausweitung des Krieges in der Ukraine bis hin zu einem Atomkrieg, sowie eine Ausweitung des Krieges im Nahen Osten zu einem Flächenbrand. […] Auch im Gaza-Krieg sind wir solidarisch mit allen Opfern und fordern einen sofortigen Waffenstillstand.“

Mit der Berliner Autorin Christiane Reymann, Otto Frank aus Alsfeld und der Erstunterzeichnerin des Aufrufs „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg!“ Ulrike Eifler aus Würzburg konnten für die Kundgebung langjährige Friedensaktivisten und -aktivistinnen als Rednerinnen und Redner gewonnen werden. Für die kulturellen Beiträge mit aktuellen und traditionellen Friedensliedern sorgten der Liedermacher Broder Braumüller (bekannt als Gründer der Fuldaer Straßenmusikanten), der Bariton Philipp Hoffmann (IG Metall, Gründer des Arbeitermusikarchivs Kassel), sein Akkordeon und seine Harmonika. Mit dem Ostermarschlied, das 1960 bei der Begründung der Ostermarschtradition von Hannes Stütz geschrieben wurde, stimmten sie die Teilnehmer auf die lange antimilitaristische Tradition ein. „Taurus oder nicht Taurus – dieser Streit zwischen Christdemokraten und Ampel und innerhalb der Regierung ist noch nicht vorbei. In dem am 21. Februar vom Bundestag mit Koalitionsmehrheit gefassten Beschluss ist von Waffenlieferungen die Rede, mit denen die Ukraine ‚Angriffe…weit hinter den Frontlinien‘ durchführen könne. Aber überhaupt nicht wahrgenommen wurde, dass der Bundestag in demselben Beschluss zum ersten Mal ein deutsches Kriegsziel formuliert. Das zitiere ich wörtlich: Präsident Putin und sein Regime müssen diesen Krieg verlieren; Russland muss scheitern! Das geschah vor wenigen Wochen unter der Reichstagskuppel, nur wenige Meter entfernt von den kyrillischen Inschriften der Soldaten der Roten Armee. Die Sowjetunion hat den Sieg über den Faschismus mit 27 Millionen Toten bezahlt. Ist denn der deutsche Größenwahn nicht und niemals vorbei? Zweimal sind deutsche Armeen vor Moskau gescheitert. Muss es denn noch ein drittes Mal sein?“, so Christiane Reymann. Zum engen Debattenkorridor sagte die Autorin, „dass wir offene Diskussionen miteinander und in der Öffentlichkeit brauchen; zum Feindbild Russland – und seiner Auflösung durch die Volksdiplomatie.“ Und weiter: „Im Unterschied zu unserer Regierung haben wir ein Programm: Wege zum Frieden.“ „Mehr denn je sind Diplomatie und Vernunft gefragt, um dem Sterben in der Ukraine Einhalt zu gebieten und dessen drohende Ausweitung auf ganz Europa, zu einem europäischen Krieg auf dem europäischen Kontinent bis hin zu einem begrenzten Nuklearkrieg zu verhindern. Nach zwei Jahren Krieg in der Ukraine, immer an der Grenze zur Konfrontation mit der Atommacht Russland haben wir jetzt einen Kulminationspunkt, einen Scheideweg erreicht, nämlich: weitere Eskalation des Krieges hin zu mehr Krieg oder Wende zur Deeskalation durch Schritte zu einer Verhandlungslösung?“, so Otto Frank heute in Fulda.

Margot Käßmann: „Nur Abrüstung und Frieden werden die Zukunft der Menschheit sichern.“

Im Anschluss an die Redebeiträge von Reymann und Frank bewegte sich der Ostermarsch vom Bahnhofsvorplatz durch die Fuldaer Innenstadt zum Stadtschloss, wo die Fuldaer Friedensaktivistin, Martina Fuchs, ein Grußwort der ehemaligen Landesbischöfin und Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Dr. Margot Käßmann (1994-99), die aus Termingründen heute nicht in Fulda sein konnte, verlas. In ihrem Grußwort verwies Margot Käsmann auf die Bedrohung unseres Planeten durch die rücksichtslose Ausbeutung aller Ressourcen. „Krieg ist eine der schlimmsten Zerstörungskräfte.“ Sie warnte: „Die Kirchen der Welt sind immer in die Irre gegangen, wenn sie Gewalt legitimiert haben. Denn im Evangelium findet sich dafür keinerlei Grundlage. Unsere tiefe Überzeugung bleibt: Nur Abrüstung und Frieden werden die Zukunft der Menschheit sichern.“ Weiter betonte Käßmann die dringende Notwendigkeit tragfähiger Konzepte für friedliches Zusammenleben auf unserem Planeten und fragt: „Wo sind die kundigen Diplomatie-Strategen, wo bleibt die große internationale Friedensinitiative?“ Die ehemalige Landesbischöfin und Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages verurteilt die Hundertachtziggrad-Wendung ehemaliger Friedensparteien und Politiker, die Atomwaffen für die EU fordern. „Mit ‚Steadfast Defender‘ findet in diesem Jahr das größte Nato-Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges statt. 90.000 Soldatinnen und Soldaten aus 32 Ländern nehmen teil. Das erklärte Ziel ist Abschreckung. Doch aus Abschreckung heraus entsteht keine Verhandlungsbereitschaft, die Eskalation der Gewalt vergrößert sich dadurch nur in erschreckender Art und Weise. Unsere Politiker und deren klugen Militärstrategen wollen Deutschland kriegstüchtig machen. Wir sagen dazu: NEIN! Es gibt keine guten und schlechten Waffen. Waffen töten, dafür werden sie hergestellt. Die Eskalationsspirale der Gewalt muss durchbrochen werden, jetzt, sofort! Verhandlungsbereitschaft kann herbeiverhandelt werden. Wir müssen friedensfähig werden, nicht kriegstüchtig.“

Forderungen nach Frieden

Der Ostermarsch bewegte sich mit individuellen Friedensbotschaften mit Forderungen wie „Verhandeln statt schießen“, „Frieden mit Russland“ oder „Städtepartnerschaft statt Kriegsgeschrei“ weiter durch die Friedrichstraße. Auch Friedensgedichte geschrieben auf kleinen Zetteln wurden an Passanten verschenkt. Auf der Abschlusskundgebung auf dem Universitätsplatz sprach die ehemalige Regionalvorsitzende des DGB Südosthessen, Ulrike Eifler. Die Welt würde von immer neuen Kriegen erschüttert, Menschen werden getötet, Länder verwüstet. „Das Risiko eines großen Krieges zwischen den Atommächten wächst und bedroht die Menschheit weltweit. Gigantische Finanzmittel und Ressourcen werden für Krieg und Militär verpulvert. Allein in Deutschland sollen 2024 mehr als 85 Milliarden Euro (2% der Wirtschaftsleistung) für Militär ausgegeben werden, Tendenz steigend. Wir Gewerkschafter gegen Aufrüstung treten dafür ein, dass das Geld stattdessen für Bildung und Soziales ausgegeben wird.“ Weiter stellte sie fest: „Die Gewerkschaften müssen sich unüberhörbar für Friedensfähigkeit statt ‚Kriegstüchtigkeit‘ einsetzen, für Abrüstung und Rüstungskontrolle, Verhandlungen und friedliche Konfliktlösungen. Die Gewerkschaften müssen sich laut und entschieden zu Wort melden und ihre Kraft wirksam machen: gegen Kriege und gegen Aufrüstung!“ Gegen 17 Uhr war die Kundgebung in Fulda beendet. Der Abschluss der Hessischen Ostermärsche findet am Ostermontag (1. April) in Frankfurt a.M. statt. +++ pm/ja