US-Einsatz im Irak – Mission der Supermacht nicht erfüllt

Washington. Präsident Obama bleibt auch nach der Entscheidung, im Irak aus der Luft einzugreifen, ein Krieger wider Willens. Er war mit dem Versprechen ins Weiße Haus gezogen, ein Jahrzehnt der gewaltsamen Konflikte zu beenden. Allen voran den Krieg im Zweistromland, den er wiederholt als „unnötig“ und „dumm“ kritisierte. Die Dominos im Nahen Osten fielen in die andere Richtung als Vorgänger George W. Bush versprochen hatte. Statt einer Demokratisierung erlebte die Region eine von ethnischen und religiösen Motiven getriebene Destabilisierung.

Alte Konflikte brachen auf, neue Kräfte formten sich. Nichts veranschaulicht die Situation dramatischer als die Desintegration Syriens und des Iraks. Statt die neuen Realitäten anzuerkennen, erklärte Bush die Mission voreilig für beendet. Nur um dann über Jahre in einen blutigen Konflikt hineingezogen zu werden, der Zehntausenden Irakern und 4500 US-Soldaten das Leben kostete, die Streitkräfte schwächte, die Glaubwürdigkeit der Supermacht aufs Spiel setzte und die Staatskasse nachhaltig plünderte. Obama ignorierte die wirkliche Lage im Irak nicht minder als er den Auftrag der kriegsmüden Wähler erfüllte, die Truppen so schnell wie möglich nach Hause zu holen. Damit schlug die Stunde der ISIS-Extremisten, die ihren Traum von einem mittelalterlichen Sunni-Kalifat in Reichweite sahen. Dass der Präsident nun den Befehl erteilt, abermals im Irak zu intervenieren, kommt dem Eingeständnis gleich, dass die Mission der USA nicht erfüllt ist.

Natürlich geht es bei der neuerlichen Intervention nur vordergründig um den Schutz amerikanischer Bürger in Erbil oder einen Hilferuf aus Bagdad. Das sind die formalen Gründe, die ein Eingreifen nach dem Völkerrecht erlauben. Unmittelbar sieht sich Obama in der Pflicht, das Leben von rund 40.000 Kindern, Frauen und Männern der Jesiden zu schützen, die vor den Terror-Brigaden der ISIS auf den Berg Sindschar geflohen sind und dort in der Falle sitzen. Entweder sie verdursten und verhungern bei 40 Grad in der Sonne oder werden abgeschlachtet, wenn sie das Plateau verlassen. Anders als in Syrien lassen sich Freund und Feind hier auseinanderhalten und ein militärisches Ziel klar definieren. Zudem gebietet internationales Recht, Genozid zu verhindern, wenn die eigene Regierung nicht für den Schutz der Verfolgten sorgen kann oder will. Strategisch geht es den Amerikanern darum, den bisher unaufhaltsamen Vormarsch des brutalen El-Kaida-Ablegers ISIS zu stoppen.

Die Extremisten kontrollieren bereits weite Teile Syriens und Iraks. Sie stehen vor den Toren Bagdads und bedrohen die kurdischen Autonomiegebiete, einen engen Verbündeten und der einzige Lichtblick in der Region. Egal was der „Commander in Chief“ zu später Stunde aus dem State Dining Room seinen Landsleuten auch versprach, kann er keine Garantie dafür geben, dass die USA nicht weiter in den Konflikt hineingezogen werden. Die regulären Streitkräfte des Iraks und der Kurden bleiben auf absehbare Zeit auf die Luftwaffe der Supermacht angewiesen, um die ISIS-Truppen auf dem Boden zurückschlagen zu können. Die Geschichte lehrt, dass es so etwas wie ein „bisschen Krieg“ nicht gibt. In seiner Grundsatzrede an der Militärakademie von Westpoint fasste Obama seine Sicherheits-Doktrin mit dem Satz zusammen. „Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht jedes Problem ein Nagel“. Das traf auf Syrien und gewiss die Ukraine zu. Im Irak ist klar, was das Problem ist. Deshalb schlägt der Hammer nach einigem Zögern jetzt zu. +++ fuldainfo | thomas spang – mz

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