Umfrage: Mehrheit gegen türkischen Wahlkampf in Deutschland

Bosbach fordert von Bundesregierung "klare Ansage" an Erdogan

Türkei

Berlin. 79 Prozent der Deutschen sind laut einer Umfrage gegen Wahlkampfauftritte von türkischen Politikern in Deutschland. In der Erhebung des Forsa-Instituts für das „RTL Nachtjournal“ gaben 17 Prozent der befragten Bürger an, dass es in Ordnung sei, wenn türkische Politiker in Deutschland Wahlkampf für die Verfassungsänderung in ihrer Heimat machen. Dass sie dagegen seien, gaben vor allem die Anhänger der SPD (89 Prozent der Befragten) an, gefolgt von den Anhängern der AfD (84 Prozent). Jeweils 81 Prozent der Anhänger der Union und der Linken und 77 Prozent der FDP-Anhänger sind laut Umfrage gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland. Die Anhänger der Grünen sprachen sich mit 73 Prozent am wenigsten deutlich gegen solche Auftritte aus. Im Gegenzug dazu gaben 23 Prozent Letzterer an, dass sie die Wahlkampfauftritte in Ordnung finden. Für die Umfrage wurden am 2. März 2017 insgesamt 501 Personen befragt. Nach Angaben des Instituts soll die Auswahl der Befragten repräsentativ sein.

Bosbach fordert von Bundesregierung „klare Ansage“ an Erdogan

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach hat mit scharfer Kritik auf die Bombendrohung gegen das Rathaus im baden-württembergischen Gaggenau reagiert: Die Entscheidung der Stadt Gaggenau, den Auftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdag zu untersagen, sei „mutig und richtig“ gewesen, sagte Bosbach dem „Handelsblatt“. Wenn es jetzt deswegen massive Proteste oder gar Bombendrohungen gebe, „zeigen diese dramatischen Vorgänge erneut, dass wir einen kapitalen Fehler machen, wenn wir es zulassen, dass massive innenpolitische Konflikte zu uns importiert werden“. Auch wenn knapp 1,5 Millionen türkische Staatsangehörige hier lebten, sei Deutschland „kein Außenposten der Türkei“. Bosbach rief die Bundesregierung zum Handeln auf. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, „braucht jetzt eine klare Ansage“, forderte der CDU-Bundestagsabgeordnete. „Die Bundesregierung sollte sich hinter die Entscheidung der Stadt Gaggenau stellen, ihr jede mögliche Hilfe zur Gefahrenabwehr anbieten und Erdogan klarmachen, dass weitere Wahlkampfauftritte türkischer Politiker nicht erwünscht sind“, so Bosbach. „Wer Erdogan unbedingt dabei zujubeln will, wenn er die Demokratie in der Türkei immer weiter demoliert, kann das ja dort tun. Hierfür sollte Deutschland keine Werbeplattform sein.“

Özdemir nennt Türkei-Politik der Bundesregierung „würdelos“

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hat seine Kritik an der Türkei-Politik der Bundesregierung verschärft. „Merkel und Gabriel lassen sich von Erdogan mittlerweile täglich am Nasenring durch die Manege führen“, sagte Özdemir den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das ist würdelos und muss aufhören.“ Die Entscheidung des Bürgermeisters von Gaggenau zeige, wie hilflos die Bundesregierung vor dem Scherbenhaufen ihrer Türkei-Politik stehe. „Was mit der Erpressbarkeit durch den Flüchtlingsdeal begann, ist zu einer Spirale der Erniedrigung geworden“, sagte der Grünen-Spitzenkandidat weiter. Es sei „unerträglich, wenn Bürger in Deutschland von außen gegeneinander aufgehetzt und eingeschüchtert werden, bespitzelt werden, dazu aufgerufen werden, für eine Diktatur zu stimmen, und ein deutscher Journalist in der Türkei einer gleichgeschalteten Justiz ausgeliefert ist“. Mit ihrer „Tatenlosigkeit“ liefere die Bundesregierung die Bürger dieses Landes der Willkür und Kontrolle eines ausländischen und autoritären Herrschers aus. Die Krise zwischen Berlin und Ankara hat sich noch einmal verschärft, weil die baden-württembergische Stadt Gaggenau einen Wahlkampfauftritt mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdag kurzfristig abgesagt hatte.

CSU will „keine türkische Innenpolitik auf deutschem Boden“

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat den Kommunalpolitikern, die sich gegen Auftritte türkischer Politiker in Deutschland juristisch zur Wehr setzen, demonstrativ den Rücken gestärkt: „Wir wollen keine türkische Innenpolitik auf deutschem Boden“, sagte Scheuer der „Welt“. Bei den Rednern handle es sich um „Feinde der Demokratie“, die „unsere Offenheit ausnutzen und für die Einführung der Todesstrafe in der Türkei werben“. Scheuer nannte dies einen „inakzeptablen Missbrauch des Gastrechts“. Es sei nicht hinnehmbar, dass türkische Politiker die deutsche Versammlungsfreiheit ausnutzten, während in der Türkei die Grundrechte mit Füßen getreten würden und Journalisten inhaftiert seien, nur weil sie ihren Job machten.

Kriminalbeamte: Türkei bedrängt deutsche Sicherheitsbehörden

Die türkische Regierung bedrängt nach Aussage des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) deutsche Sicherheitsbehörden, um gegen vermeintliche Gegner des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorzugehen. „Wir müssen seit einiger Zeit feststellen, dass sich die türkische Botschaft mit impertinenten Schreiben an die hiesige Polizei wendet und sich beschwert, dass wir zu wenig gegen die `regierungsfeindlichen Kräfte` türkischer Nationalität täten“, sagte Verbandschef André Schulz dem „Handelsblatt“. Man erwarte von Seiten der türkischen Regierung, „dass wir rechtswidrig gegen Oppositionelle und Regierungskritiker in Deutschland vorgehen“. Aber, betonte Schulz: „Wir lassen uns selbstverständlich nicht vor Erdogans Karren spannen und prüfen jeden Einzelfall sorgfältig.“ Bisher habe sich die Bundesregierung „diplomatisch und sehr verhalten“ zu den Vorfällen geäußert. „Es ist aber an der Zeit, sich deutlich zu positionieren und Erdogan und seine Helfershelfer in Deutschland in ihre Schranken zu weisen“, mahnte der Gewerkschaftschef. Schulz warnte zugleich vor Auseinandersetzungen zwischen Türken in Deutschland. Erdogan treibe sein „rechtsstaatlich bedenkliches Spiel nicht nur in der Türkei, er agitiert auch in Deutschland gezielt gegen Kurden, Aleviten und andere System-Gegner“, sagte der BDK-Chef. „Dadurch kann es passieren, dass es hier bei uns außer zu friedlichen Demonstrationen jederzeit auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und auch zu Anschlägen kommen kann.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg mahnte die Türkei zur Zurückhaltung. Zugleich plädierte er dafür, notfalls den Verfassungsschutz auf Erdogan-Anhänger anzusetzen. „Die türkische Regierung hat zu akzeptieren, dass auf deutschem Boden zwar die Meinungsfreiheit garantiert ist, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit aber nicht hingenommen wird“, sagte Sensburg der Zeitung. „Wenn durch die türkische Regierung auf deutschen Boden verfassungsgefährdende Äußerungen getätigt werden, hat auch der Verfassungsschutz die Teilnehmer solcher Veranstaltungen intensiv zu beobachten.“

Kubicki unterstützt Absagen von Auftritten türkischer Minister

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki unterstützt die Absagen von Auftritten türkischer Minister in Deutschland. „Ich finde es beeindruckend, dass der Bürgermeister von Gaggenau und ein Kölner Bezirksamt demonstriert haben, wie man mit diesem Thema umgehen muss. Dafür kann ich sie nur ausdrücklich loben“, sagte Kubicki der „Heilbronner Stimme“. „Auf kommunaler Ebene haben sie den Job der eigentlich zuständigen Landesinnenminister gemacht. Diese hätten selbst die Auftritte verhindern können und müssen, sich aber nicht getraut.“ Man könne „nicht in Sonntagsreden über die Einhaltung von Meinungsfreiheit reden und Presse- und Meinungsfreiheit anmahnen, aber dann, wenn es darauf ankommt, zögern“. Das sei ein „erbärmlicher Eindruck“, den die Bundesregierung hinterlasse, so Kubicki. +++

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