Türkei: Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert Tatenlosigkeit der EU

Linke und Grüne für EU-Sanktionen gegen die Türkei

Deutsch, Bundestag

Berlin. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat die EU für ihre Tatenlosigkeit mit Blick auf den zunehmend autoritären Kurs in der Türkei kritisiert. „Trotz des langen autoritären Staatsumbaus tat die EU so, als ob man ernsthaft über Visaerleichterungen oder EU-Beitritt mit der Türkei verhandeln könnte“, rügte Leutheusser-Schnarrenberger in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“. „Eine klare Haltung, geschweige denn harte Reaktionen gab es kaum – die europäische Politik blieb kopf- und planlos“, schrieb die Ex-Bundesjustizministerin.

Leutheusser-Schnarrenberger forderte die EU auf, nun endlich deutlich zu reagieren: „Das Aussetzen der EU-Verhandlungen über Beitritt und Visa-Freiheit kann nur ein erster Schritt sein. Die Europäer müssen klar machen, dass sie sich nicht mit der Aufkündigung des Flüchtlingspakts erpressen lassen.“ Stattdessen müsse die EU den Schutz der EU-Außengrenzen auch aus eigener Kraft hinbekommen. „Die rechtswidrigen Enteignungen führender türkischer Unternehmer in der Türkei zeigen, wie eng Diktatur und wirtschaftliche Interessen verwoben sind“, schrieb die FDP-Politikerin in ihrem Gastbeitrag. „Die EU wird nicht umhin kommen, schwarze Listen für korrupte Akteure anzulegen. EU-Wirtschaftssanktionen müssen die Richtigen treffen.“ Die Werte der EU seien nicht verhandelbar.

Linke und Grüne für EU-Sanktionen gegen die Türkei

Politiker von Linken und Grünen haben sich angesichts der politischen Entwicklung in der Türkei offen für Strafmaßnahmen der EU gegen das Land gezeigt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wolle sein Land offensichtlich zu einer Präsidialdiktatur umbauen: „Als Nachbarn und Demokraten können wir das nicht hinnehmen“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, dem „Handelsblatt“. Die Androhung von Wirtschaftssanktionen sei daher „das Stoppschild, das Erdogan jetzt braucht“. „Wer die Freiheit seiner Bürger missachtet und mit Füßen tritt, sollte sich nicht auf die Freiheit eines besonders für die Türkei lukrativen Handels mit der EU verlassen dürfen“, betonte Janecek. „Das Beispiel Russland zeigt, dass Wirtschaftssanktionen ein wirksames Mittel sein können, um Grenzen aufzuzeigen.“

Auch die Außenpolitikexpertin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, forderte ein „deutliches Zeichen gegen die Diktatur Erdogans“. Solidarität mit demokratischen Kräften in der Türkei könne sich nur im Handeln zeigen. „Erdogan selbst muss getroffen werden“, sagte Dagdelen dem „Handelsblatt“. „Es muss daher Sanktionen gegen Erdogan und sein Umfeld geben wie Kontensperrungen und das Einfrieren der illegal ins Ausland verschafften Vermögen.“ Wirtschaftssanktionen seien aber der falsche Weg, weil sie die Bevölkerung träfen und nicht den „korrupten Erdogan-Clan“. „Wer wie die EU-Kommission weiter Herr Erdogan jährlich über 600 Millionen Euro an Vorbeitrittshilfen überweist, muss sich fragen lassen, ob er verschlafen hat, dass Erdogan die Türkei in eine Diktatur verwandelt“, betonte Dagdelen. Die Linke fordere daher: „Keinen Cent, keine Waffe und keine Bundeswehrsoldaten für Erdogan.“ +++