TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell - Kraft, Mentalität, Persönlichkeit: Dima zaubert Weltklasse-Momente in die Hubtex Arena

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Das letzte Heimspiel des Kalender-Jahres 2025 endete nicht nach dem Geschmack der osthessischen Tischtennis-Anhänger. Der TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell musste in der Bundesliga einem besseren Team den Vortritt lassen, indem es gegen den Tabellenzweiten Werder Bremen eine 1:3-Niederlage gab. Dennoch hielt der Abend einige Zutaten bereit: Spannung, die bisweilen in Dramatik gipfelte, Unterhaltung zuhauf, tolle Ballwechsel, die besonders in Ovtcharovs Match Weltklasse-Niveau annahmen. Seinen Auftritt sollte man gesehen haben, um das Niveau beschreiben und rüberbringen zu können. Doch kommen Sie doch einfach mit und erleben die Geschichte mit - oder aber aufs Neue.

Natürlich stand der Abend unter speziellen personellen Vorzeichen. Jonathan Groth fehlte, und Kao, der dem Team wegen seiner Energie und Sieges-Besessenheit so gut tun würde, fehlt verletzungsbedingt noch länger. Ruwen Filus rückte an 1, Ovtcharov an 2, Fanbo Meng spielte an Position 3. Im Spitzeneinzel traf Filus auf den Kasachen Gerassimenko.

Wenn Michael Hodes bei seiner Anmoderation die Bühne betritt, sind das immer besondere Momente der Eröffnung. „Ich denke, wir werden heute eine kleine Bescherung erleben“, meinte er. Und knabberte er damit das Erscheinen der Prinzen-Mannschaft der Fuldaer Karnevals-Gesellschaft an - oder das Anzünden des Publikums bei dessen sportlicher Aufgabe? TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell heißt auch sein Fanclub. Standing Ovations hatte der immer parat, als die TTC-Spieler zur Begrüßung und Vorstellung einliefen in die Hubtex Arena.

Für Ruwen Filus schälte sich die Situation alles andere als leicht heraus, mit seit Wochen fehlender Spielpraxis im Team - doch Trainer Qing Yu Meng hatte taktisch ja keine andere Option -, an 1 zu rücken und zwei Einzel zu bestreiten. Sein Match gegen Bertrand mündete in einer Viersatz-Niederlage. Den Ersten gewann er noch. Schon zu Beginn spürte er bei „Ruwen-Sprechchören“ den Rückhalt. Als er mit 4:3 führte, standen Vater und Sohn Meng erstmals von ihren Sitzen auf, versuchten Filus weiter zu unterstützen und pushen. Schon früh toben die Zuschauer in der bestens gefüllten Hubtex Arena. Auf 7:3 zieht er weg. Und bis auf 9:5. Was soll das nur für ein Abend werden? Noch zwei Punkte bis zum Ersten. Beim 10:6 hat Filus vier Satzbälle. Gleich den ersten nutzt er. Gute und positive Einstellung hat sich mit Euphorie verbündet.

Doch dann zeigt der Daumen nicht mehr nach oben. Neben seinen gewohnt bekannten Defensiv-Qualitäten, die nach wie vor unnachahmlich sind, war Filus immer darum bemüht, auch selbst die Initiative zu ergreifen, zu kontern - und zu stechen. Mit 3:2 geht er im Zweiten in Führung, gerät aber mit 3:7 ins Hintertreffen. Filus verkürzt auf 5:7 - und sein Trainer ballt die Faust. Doch der angriffsstarke Bertrand setzt sich mit 8:5 und 9:6 ab. Beim 6:10 muss Filus vier Satzbälle abwehren. Und mit dem 7:11 ist der Zweite futsch. „Der nächste muss uns gehören“, sagt mein Nachbar. Recht hat er. Doch auch die Story des Dritten entwickelt sich nicht nach Filus‘ Wunsch. Nach 0:2 stellt Bertrand auf 3:2 - und zieht das Ding von da an durch. Über 7:3 geht es auf 9:6. Und endlich ist der Fanclub wieder da. Doch es nützt nicht. Wieder hat Bertrand vier Satzbälle. Wieder endet der Durchgang mit 11:7 für den Franzosen. Bis der Vierte in einem noch deutlicheren Ausgang mündet. Beim zeitigen 1:4 leidet man mit mit Filus, der irgendwie zurückkommen muss. Doch Betrand lässt ihn nicht. Immer wieder sticht er zu. Bis zum 7:1 zieht er weg, 8:3 - und beim 10:3 hat er sieben Matchbälle. 11:3. Das war‘s.

Dann aber öffnet sich der Vorhang für Dimitrij Ovtcharov. Folgen Sie nur. Ja, folgen Sie. Es lohnt sich. Für Dima ist klar: Er muss gewinnen. Und das nicht zum ersten Mal in seiner langen und beispiellosen Laufbahn ist. Und sein Gegner auch kein Schlechter ist. Der Kasache Kirill Gerassimenko. Der erste Satz dieses Duells legt die Basis für Ovtcharovs Dreisatzsieg - und er steht symbolisch für den Wert dieses einmaligen Spielers, der für den TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell aufschlägt. Gut und entschlossen startet Dima. Von 2:0 geht‘s auf 3:3. Aber dann. Dima unterlaufen einige leichtere Fehler. Kann alles passieren. „Oh, oh“, stöhnt mein Nachbar zart. Mit 3:7 und 4:8 gerät er ins Hintertreffen. Und auch noch mit 6:9. Dima, willst du mit den Fuldaer Anhängern spielen oder sie verletzen? Doch jetzt macht er das, was er immer tut vor heimischem Publikum. Er kommt. Und bleibt dran. 8:10. 9:10. 10:10. Wie ein Blitz reißt es seinen Trainer vom Stuhl hoch. Und endlich sind wieder echte Emotionen drin in der Hubtex Arena. Man muss sie nur spüren. 10:11 - Dimas Rückhand geht vom Netz ins Aus und ist zu lang. Doch er schlägt zurück. 11:11. Wieder 11:12. Was hast du vor, Dima. Da, er gleicht wieder aus. 12:12. Bis er mit einer Weltklasse-Aktion sagenhaft blockt: 13:12 und Satzball. Ein spektakulärer Ballwechsel, der die Herzen anzündet. Und ein Türchen des Adventskalenders öffnet. Bis seine Rückhand zum 14:12 sitzt. Hast du ein Herz aus Stahl, Dima? Das ist das Besondere an ihm. Er lässt sein Herz auf der Platte. Er weiß, wann er punkten muss. Und er tut es auch. Er bringt Mentalität nach Fulda mit. Mentalität, die im Sport - und besonders im Spitzensport so viel und immer mehr ausmacht. Der Gedanke, dafür habe man ihn ja auch geholt, ist zu plump. Und man sollte ihn und seine Art gesehen haben. Und nicht aus der Distanz urteilen. Dimitrij Ovtcharov hat das, was es in Fuldas Sport ansonsten nicht gibt.

Doch der Kampf mit Gerassimenko bleibt hart. Auch der Kasache hat Feuer. Offensiv und defensiv. Längst haben die Ballwechsel Weltklasse-Niveau erreicht - und das Match der beiden gleicht einem Spektakel. Von 4:4 im Zweiten setzt sich Dima leicht ab - auf 7:5 und 8:6. Der zähe Kasache gleicht aus. Aber Dima schlägt zurück. Er will auch den Zweiten. Unbedingt. Beim 10:8 hat er zwei Satzbälle. Das Publikum rastet aus. Einfach klasse. Das ist einfach klasse. Der Fanclub kommt wieder. Ja, wo „Rhön Power“ drin steckt, ist auch „RhönPower“ drin. Dima holt sich den Zweiten. 11:8. Die Geschichte des Dritten ist eigentlich schnell erzählt. Mit 7:1 liegt Dima jetzt schon vorn. Man hat den Eindruck, er sei heiß gelaufen. In Wirklichkeit ist er das längst. 9:3. Und 10:6. Vier Matchbälle. Den ersten nutzt er. Wieder tobt die Halle. Nein, die steht noch. Die Zuschauer sind es. 1:1 zwischen beiden Teams.

Pause. Alle stopfen sich durch die engen Ein- und Ausgänge. Für Fanbo Meng gilt in seinem Einzel gegen den Schweden Mattias Falck dasselbe wie für Dima: gewinnen. Doch Fanbo sollte ein Match verlieren, das er nicht hätte verlieren müssen. Alle vier Sätze waren eng - und drei gingen gegen den Fuldaer aus. Und es kommt so.

Von Beginn an ist Fanbo gut drin im Spiel. Das ist auf Augenhöhe. Der Fuldaer zieht Selbstvertrauen auf seine Seite, als er mit 6:4, 7:5 und 8:6 im Ersten führt. Spannung, bisweilen Dramatik und Nervenkitzel sind ständige Begleiter. Doch jetzt macht der hoch aufgeschossene Schwede - er und Fanbo Meng geben sich in der Körpergröße nicht viel - die entscheidenden Punkte. Mit einer Rückhand gleicht Falck zum 8:8 aus. Wieder geht Fanbo in Führung. Doch Falck lässt sich - ist das der Unterschied zwischen beiden? Einer. Sicher - nicht von der Platte drängen. 9:10, Falck hat Satzball. Aber Fanbo kontert. Und beim 11:10 hat er selbst Satzball. Der Schwede aber kommt wieder. Er hat nicht nur Präsenz - er zeigt sie auch. 11:11. 12:11 für Falck. Und jetzt nutzt er den Satzball. 13:11. Es ist eindeutig: Fanbo hat den Spiel und Satz aus der Hand gegeben. Er übt weiter auf der Erfahrungs-Leiter.

Die schnellen und kurzen Ausholbewegungen des Schweden am Tisch sind beeindruckend. Die zeigt auch Fanbo Meng - doch noch nicht konsequent und konstant. Dennoch kämpft er wieder einmal - und er zieht den Zweiten auf seine Seite. Jetzt bleibt er an der Platte. Und punktet. Und wie. Bis auf 7:1 zieht er davon. Famos. „Den Satz darf er nicht mehr verlieren“, sagt mein Nachbar. Wieder hat er recht. Falck kommt. Und verkürzt. Bis auf 8:6. Dann verschlägt er eine Rückhand. Ein bisschen Erlösung steckt drin. 10:6 - und Fanbo hat vier Satzbälle. 11:7. Er gleicht aus nach Sätzen. In den Dritten startet er gut. Kämpft unverdrossen. Ballt die Faust. Führt 7:4. Und der Fanclub hilft. Es nützt wenig. Falck kommt. Wie eine kleine Dampfwalze aus dem hohen Norden. 8:7 liegt Fanbo nach vorn. 8:8 und 9:9. Dann hat Fanbo zweimal Pech. Ausgerechnet bei diesem Stand. Unter anderem hatte ein Ball schon übers Netz gegluckt, doch an der Netzkante kam er wieder zurück. 9:11 aus Sicht des Fuldaers.

Im Vierten wird ab und an deutlich: In zu vielen Ballwechseln reagiert Fanbo Meng. Falck führt 6:4. Dann kommt wieder Pech ins Spiel beim Fuldaer. Doch er antwortet noch einmal. Er verkürzt auf 7:8. Und 8:9. Dann aber 8:10. Fanbo hat zwei Matchbälle gegen sich. Beim 8:11 ist das Ding beendet. In entscheidenden Situationen war der Fuldaer nicht vom Glück begleitet. Aus anderen sollte er lernen. 2:1 liegt Werder Bremen jetzt vorn.

Abschließend steht Ruwen Filus gegen Kirill Gerassimenko vor einer Aufgabe, die er eigentlich kaum bewältigen kann. Eigentlich. Und sie mündet in einer glatten Dreisatz-Niederlage. Im Dritten sieht es danach aus, als würde das Wunder an die Tür klopfen. Die Erlebnisstränge des Ersten und Zweiten sind recht kurz. Filus kämpft. Manchmal hat man den Eindruck, als stelle sich etwas Verzweiflung in den Weg. Beim 6:6 im Ersten beginnt die Crunchtime. Das Publikum ist begeistert, wie Filus mithält. Doch mit 6:8 gerät er in Rückstand. Mit 7:9 und 7:10. Der Kasache nutzt den zweiten seiner Satzbälle. Auch im Zweiten versucht Filus, dagegenzuhalten. Er weicht indessen einfach zu sehr zurück gegen den besessenen Gerassimenko. Der setzt sich bis auf 10:4 ab. Sechs Satzbälle sind nicht wenig. Der Durchgang endet mit 11:6.

Das Etikett ist vor allem in der Sportsprache mehr als nur abgenutzt, das Sprachbild wird inflationär gebraucht - doch nehmen wir es halt auch: Jetzt hilft nur noch ein Wunder, mag man denken. Schnell liegt Filus 0:4 hinten, doch er kämpft und wehrt sich. Filus holt auf, Und holt auf. So mancher bemüht schon ein Märchen: Filus dreht das Ding und geht mit 8:5 in Führung. Der Kasache gleicht aus. 9:9 heißt es wenig später. Beide greifen zum Handtuch. „Auf geht‘s, Ruwen. Auf geht‘s“, mobilisiert der Fanclub nochmals seine Energien. Nochmals hat Filus anschließend Pech. 9:10. Ehe es 9:11 heißt. Das Wunder war nur kurz zu Besuch. Werder Bremen hat die Hubtex Arena als 3:1-Sieger verlassen. Und seine Spitzenposition und guten Karten für das Erreichen der Playoffs gefestigt.

Das wird für den TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell jetzt zur schwierigen Nummer. Die vier Playoff-Plätze scheinen an Düsseldorf, Bremen und Saarbrücken fast schon vergeben. Und das Team aus Osthessen sollte das abschließende Spiel des Jahres am Montag bei Zugbrücke Grenzau (19 Uhr) für sich entscheiden. Dass dies kein Selbstläufer wird, dürfte klar sein. Grenzau hat sich nicht zuletzt am Dienstag durch einen Sieg in Grünwettersbach empfohlen - und Yi-Hsin Feng, Patrick Baum, Maciej Kubik, Martin Allegro, Luka Mladenovic oder auch Samuel Walker sind nicht eben unbekannt. Gewinnt Maberzell in diesem erneuten Schlüsselspiel, könnte es zu einem Dreikampf um den vierten Playoff-Platz kommen - mit Bergneustadt und Ochsenhausen.

Die Spiele im Einzelnen

Ruwen Filus - Irvin Bertrand 1:3 (11:6, 7:11, 7:11, 3:11)

Dima Ovtcharov - Kirill Gerassimenko 3:0 (14:12, 11:8, 11:6)

Fanbo Meng - Mattias Falck 1:3 (11:143, 11:7, 9:11, 8:11)

Ruwen Filus - Kirill Gerassimenko 0:3 (8:11, 6:11, 9:11) +++ rl


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