Tiefensee: Mehr dunkle Wolken am Konjunkturhimmel

Politik muss Vorsorge treffen

Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee

Die Wolken am deutschen Konjunkturhimmel verdichten sich weiter: In ihrem aktuellen Gutachten gehen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für das laufende Jahr nur noch von einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent für Deutschland aus. Besonders kritisch aus Sicht von Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee: „Die Wachstumsschwäche ist vor allem eine Krise der Industrie. Die weltweite Nachfrage nach Anlagen, Maschinen und Fahrzeugen sinkt. Damit ist der Kern der deutschen Wirtschaft von der momentanen Konjunkturflaute betroffen. Der Industriestandort Thüringen wird sich dieser Entwicklung nicht dauerhaft entziehen können.“

Vor allem die Situation der deutschen und insbesondere der Thüringer Automobilzulieferindustrie bereite ihm „zunehmend Kopfschmerzen“, sagte Tiefensee weiter. „Eine Reihe von Zulieferfirmen, die ohnehin massiv mit dem momentanen Strukturwandel zu kämpfen haben, ist durch weltwirtschaftliche Risiken, zurückgestellte Investitionen und verunsicherte Käufer in ihrer Existenz bedroht“, so der Minister. Das sei umso bedenklicher, weil die Automobilbranche nach dem Umsatz der wichtigste Thüringer Wirtschaftszweig sei. Mehr als 16.500 Beschäftigte erwirtschaften hier jährlich gut 4,5 Milliarden Euro, davon ein knappes Drittel (1,3 Milliarden Euro) im Ausland.

Auch wenn von einer allgemeinen Rezession absehbar keine Rede sein könne, müsse die Politik aufpassen, dass aus der sinkenden Nachfrage nach Industrieprodukten „made in Thüringen“ keine strukturelle Krise einzelner Wirtschaftszweige – insbesondere der Automobilbranche – werde, sagte der Minister weiter. Das Land reagiere hier bereits auf verschiedene Weise, habe Förderprogramme angepasst, führe einen regelmäßigen Branchendialog mit den Zulieferfirmen und baue seine Kompetenzen im Bereich alternativer Antriebstechnologien wie der Elektromobilität und der Wasserstofftechnologie systematisch aus.

„Zudem möchte ich ganz deutlich machen: Klassische Verbrennungsmotoren werden in der Automobilindustrie noch bis mindestens Mitte der 2030er Jahre eine Rolle spielen“, so Tiefensee. „Die Politik muss deshalb an dieser Stelle jetzt auch für Ruhe sorgen und Käufer von neuen Dieselfahrzeugen die Gewissheit geben, dass sie in Zukunft nicht mit immer neuen finanziellen Belastungen oder Fahrverboten konfrontiert werden.“ Diese Übergangsphase könne die Zulieferindustrie nutzen, um auf neue Antriebstechnologien umzustellen oder ganz neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Erneut forderte der Minister den Bund auf, ein „klares Signal gegen die Krise“ zu setzen und einen Fahrplan gegen einen möglichen Konjunkturabschwung zu beschließen. „Konjunkturpolitik ist Bundespolitik“, so Tiefensee. Die Politik müsse jetzt Vorsorge treffen, ohne in Aktionismus zu verfallen. „Vor allem aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommt mir derzeit zu wenig Initiative.“ Es sei wichtig, jetzt schon die Weichen zu stellen, um bei einer weiteren Zuspitzung der momentanen Krise nicht erst noch Verhandlungen führen und Gesetze beschließen zu müssen. Das betreffe z.B. bessere Fördermöglichkeiten für Forschungs- und Entwicklungsausgaben oder für Investitionen in digitale Technologien in den Betrieben oder die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung.

Das Land werde Aktivitäten des Bundes selbstverständlich mit seiner Struktur- und Regionalpolitik flankieren, sagte Tiefensee. Das Wichtigste sei es, zusätzliche Belastungen für die Unternehmen zu vermeiden. „Unternehmen brauchen Planungs- und Investitionssicherheit“, so der Minister. Zugleich setze er sich dafür ein, dass die Förderung von gewerblichen Investitionen auf hohem Niveau fortgesetzt werden könne. So liegen im Förderprogramm Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) aktuell rund 150 Förderanträge mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von knapp 800 Millionen Euro und einem potentiellen Zuschussbedarf von knapp 100 Millionen Euro vor – der höchste Antragsbestand seit 2015. „Das zeigt einerseits: Die Investitionsneigung der Thüringer Wirtschaft ist ungebrochen hoch. Andererseits müssen wir jetzt dafür sorgen, dass diese Investitionen auch realisiert werden können. Ich setze mich deshalb dafür ein, dass wir gemeinsam mit dem Bund dafür die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.“ +++