Städtetages-Präsident Wingenfeld: Städte mahnen Gesundheitsreform in Hessen an

Die Gesundheitsstrukturen in Hessen müssen optimiert werden

Präsident des Hessischen Städtetages, der Fuldaer Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld

„Die Krankenhäuser in Hessen befinden sich in einem Zustand, in dem sie dringende Hilfe des Bundes und des Landes erwarten dürfen. Die seit Jahren bestehenden Finanzierungsdefizite müssen aus Sicht der Städte endlich ausgeglichen werden“, sagt der Präsident des Hessischen Städtetages, der Fuldaer Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld, anlässlich der Pressekonferenz des Kommunalen Spitzenverbandes zum Jahresbeginn.

Schon lange finanzieren alle Kommunen über Umlagen einen erheblichen Teil der Krankenhausinvestitionen mit. Darüber hinaus steuern Kommunen, die selbst Krankenhausträger sind, über den Defizitausgleich erhebliche Mittel bei, um das kommunale Krankenhaus mit seinem umfassenden Leistungsangebot für alle Fälle und Notfälle am Netz zu halten. Damit finanzieren die Kommunen das bestehende Defizit, weil einerseits die Länder ihrer Investitionsverpflichtung nicht nachkommen und andererseits keine vollumfängliche Refinanzierung der dringend erforderlichen Leistungen durch das ausschließlich auf Leistungsmengen ausgerichtete bundeseinheitliche Vergütungssystem gewährleistet wird.

„Zugleich fordern wir eine Krankenhauskonferenz in Hessen als Startpunkt für eine umfassende Krankenhausentwicklungsplanung“, sagt Dr. Wingenfeld weiter. „Die Gesundheitsstrukturen in Hessen müssen optimiert, die Zusammenarbeit fortentwickelt und die Infrastruktur den aktuellen Bedarfen angepasst werden.“ In diesem Rahmen wollen die Städte mit allen Beteiligten auch perspektivisch prüfen, ob die verhältnismäßig kleinteilige Sicherstellung der Krankenhausversorgung durch Städte und Landkreise der heutigen Versorgungssituation und -notwendigkeit noch gerecht wird. +++ pm

Themenplan

1. Kommunalstrategie Corona

Der Hessische Städtetag hält unvermindert daran fest, die Impfkampagne – auch mehrsprachig – mit allen Möglichkeiten weiter voranzubringen.

Die Entwicklung der Inzidenzen rund um die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel ist noch nicht zu 100 Prozent nachvollzogen. „Omikron“ ist dem Bekunden des Bundesgesundheitsministeriums nach aber nachweisbar die dominierende Variante. Die Kontaktnachverfolgung in Zeiten von „Omikron“ wird soweit als möglich verstärkt.

Die befürchtete Überlastung der Krankenhäuser über Weihnachten und Neujahr ist nicht eingetreten. Im Gegenteil: die Patientenzahlen der Intensiv- wie Normalstationen sind aktuell mit fallender Tendenz zu verzeichnen. Verlegungen innerhalb der Versorgungsgebiete sind derzeit nicht erforderlich. Die Situation für Kliniken und Personal ist aber auch weiterhin stark angespannt. Die Auswirkungen von „Omikron“ bilden sich in Krankenhäusern noch nicht ab.

Boostern ein wichtiger Beitrag, die Überlastung des gesamten Gesundheitssystems zu verhindern. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine Drittimpfung den Schutz vor schweren Krankheitsverläufen für einen gewissen Zeitraum signifikant steigert. Wir fordern den Bund zur zuverlässigen Bereitstellung von Impfstoffen auf, damit die Impfkampagne optimal fortgesetzt werden kann.

Die Impfallianz aus KV Hessen, Betriebsärzteschaft und kommunalen Impfangeboten hat in den vergangenen Wochen gute Arbeit geleistet. Dies soll fortgesetzt werden.

Die hessischen Städte stehen gemeinsam mit den anderen Kommunalen Spitzenverbänden in einem engen Austausch mit der Landesregierung, um die KRITIS-Bereich vor der „Omikron-Welle“ zu schützen. Bestehende Pandemiepläne wurden überprüft und angepasst, etwa Kernarbeitsbereiche identifiziert, die Aufgaben priorisiert und Vorbereitungen von Personalausfall getroffen. In den kommunalen Bereichen sehen wir die Städte gut aufgestellt, um die „Omikron-Welle“ zu bewältigen.

Zudem richten wir den Blick auf die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz vom heutigen Tage und werden als kommunale Seite auch weiterhin unseren Beitrag im Kampf gegen das SARS-CoV-II-Virus leisten.

2. Innenstadtoffensive

Der Hessische Städtetag unterstützt das neu eingerichtete Bündnis für Innenstädte in Hessen ausdrücklich und hält eine Ausweitung der Möglichkeiten der Kommunen zum Zwischenerwerb und zur Entwicklung städtebauliche relevanter Schlüsselimmobilien im Rahmen und unter Berücksichtigung der geltenden Regelung zur wirtschaftlichen Betätigung in § 121 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) für erforderlich.

In den folgenden Maßnahmen sieht der Hessische Städtetag wichtige Bausteine, wie die Städte selbst zur Revitalisierung der Innenstädte beitragen können:

 Ganzheitliche Planungskonzepte,
 integrierte interkommunale Einzelhandelskonzepte,
 gute ÖPNV-Anbindung und eine gute Fußgänger- und Fahrradinfrastruktur, attraktive, sichere und saubere öffentliche Plätze,
 enge Kooperation und Vernetzung der Kommunen mit dem örtlichen Handel und den Immobilieneigentümern,
 Zusammenarbeit mit Vereinen und weiteren regionalen Akteuren (Bsp: Gemeinsame regionale Märkte o. ä.),
 Aktivierung neuer publikumsintensiver Nutzungen, sowie
 offene Zusammenarbeit mit „Frequenzbringern“/Forcieren von Nutzungsmixen mit dem Ziel höherer Frequenzen in der Innenstadt.

Die Innenstädte unterstehen einem ständigen demografischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Wandel. Die sinkenden Frequenzen in den Fußgängerzonen, leerstehende Geschäfte und der immer mehr Fahrt aufnehmende Online-Handel stellen die Innenstädte in den nächsten Jahren vor sehr große Herausforderungen.

Um die immer mehr an Dynamik gewinnenden und durch die Pandemie nun noch einmal intensivierten Veränderungsprozesse der letzten Jahre konstruktiv begleiten und zeitgemäße Konzepte für die Zukunft aufstellen und realisieren zu können, ist das gemeinsame Engagement sämtlicher Akteure erforderlich. Hierzu zählen neben den kommunalen Verwaltungen insbesondere auch die Vertreter von Handel und Industrie, Architekten sowie Immobilieneigentümern. Ziel der gemeinsamen Bemühungen muss es sein, Hessens Innenstädte als die räumlichen, funktionalen und emotionalen Zentren der Städte wieder zu Lieblingsorten sowohl für Unternehmen als auch für Kunden und Bürger zu machen und sie vor einer „Verödung“ zu bewahren. Es bedarf also einer Reaktivierung und Revitalisierung.

Mehr Nutzungsvielfalt

Der Einzelhandel wird hierbei weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen, jedoch nicht mehr – wie noch vor 20 Jahren – die alleinige Leitfunktion für die Innenstadt übernehmen können. Vielmehr sind stärkere Mischungen aus Handel, Gastronomie, Arbeit, Wohnen, Kultur und Freizeit und dementsprechende Konzepte der Nutzungsmischung für Innenstädte gefragt. Durch mehr Nutzungsvielfalt können Innenstädte als Orte der Kommunikation und Lebensqualität langfristig gestärkt werden. Essenziell hierfür ist eine integrierte Innenstadtentwicklung mit gleichzeitiger Beachtung und gleichgewichteter Betrachtung ökologischer, ökonomischer und sozialer Belange.

Innerhalb des Rahmens, den die Raumordnung den Kommunen gibt, können Städte und Gemeinden städtebauliche Entwicklung im Rahmen ihrer Planungshoheit eigenverantwortlich steuern. Die Stadt kann sich hierfür des informellen Instruments der städtebaulichen Entwicklungskonzepte sowie auch formeller Verfahren, nämlich der Bauleitpläne, bedienen. Ebenso wichtig ist eine ansprechende Gestaltung und Architektur der Innenstädte in Form von qualitätsvoller Planungs- und Baukultur, wodurch auf längere Sicht auch höhere Touristenzahlen und steigende Kaufkraft zu erwarten sind.

Bündnis für Hessens Innenstädte
Um diesem Ziel, der zukunftsfähigen Revitalisierung der Innenstädte und damit auch der Stärkung des dort beheimateten stationären Einzelhandels näher zu kommen, wurde in Hessen nun auch ein „Bündnis für die Innenstadt“ gegründet. Hier werden Lösungen erarbeitet, wie Wirtschaft, Politik und Verwaltung nachhaltig lebendige und attraktive Stadtmitten sichern können. Ziel der Bündnispartner ist, die Blickwinkel und Erfahrungen aller Beteiligten zu bündeln und daraus einen Zukunftsplan für die hessischen Innenstädte zu entwickeln, der Grundlage für weiteres gemeinsames Handeln sein soll. Dafür stehen 40 Millionen Euro zur Verfügung. In Vorbereitung ist derzeit auch das „Förderprogramm Zukunft Innenstadt“ mit verschiedenen Maßnahmen.

Relevante Bausteine zur Revitalisierung der Innenstädte sind vielfältig und betreffen neben ganzheitliche Planungskonzepten und integrierten interkommunalen Einzelhandelskonzepten auch die Verwirklichung einer guten ÖPNV-Anbindung und Fußgänger- und Fahrradinfrastruktur, die Erhaltung attraktiver, sicherer und saubere öffentliche Plätze sowie die enge Kooperation und Vernetzung der Kommunen mit dem örtlichen Handel und den Immobilieneigentümern sowie Zusammenarbeit mit Vereinen und weiteren regionalen Akteuren.

Um all diese Punkte zu verwirklichen, bedarf es neben notwendiger rechtlicher Anpassungen z. B. zum verbesserten Zugriff der Städte auf Schlüssel- und Problemimmobilien auch einer entsprechenden finanziellen Ausstattung, was weitere finanzielle Unterstützungen von Bund und Ländern erforderlich machen wird. Dies könnte in Form von Innenstadtfonds sowie in einer Erhöhung der Städtebauförderung des Bundes mit Co-Finanzierung der Länder realisiert werden.

3. Entwicklung der Kommunalfinanzen

Die Städte erwarten von den übergeordneten Ebenen, vor allem vom Land und vom Bund, die Garantie einer angemessenen finanziellen Ausstattung.

Angesichts dieser Notwendigkeit gehen die hessischen Städte mit Sorge und Ungewissheit in das Jahr 2022 und die Folgejahre. Dies liegt selbstverständlich an den immer noch unklaren Aussichten künftiger wirtschaftlicher Entwicklung im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Pandemie. Die eigentlichen Probleme setzen aber nach oder jedenfalls unabhängig von der „Corona-Krise“ ein. Für die Städte wachsen die Aufgaben. Die Finanzausstattung wächst hingegen nicht mit.

Es ist nicht klar, ob Bund und Land klare Signale für eine angemessene Finanzausstattung überhaupt setzen wollen, und wenn, ob sie es überhaupt können. In Hessen kommt hinzu: Die durch Umlage finanzierten Gebietskörperschaften, die Landkreise und der Landeswohlfahrtsverband Hessen wollen offensichtlich die Städte mit ihren Umlageforderungen in wachsendem Maß beanspruchen.

Bundesebene

 Die Ampelkoalition Bundesebene formuliert neue große Ziele, die sich zuerst auf die Transformationen beim Klimaschutz und der Digitalisierung beziehen. Es steht zu erwarten, dass sie die Städte für die Erfüllung dieser Aufgaben in die Mitverantwortung ziehen – sowohl durch gesetzliche Vorgaben als auch durch politisch erzeugten Erwartungsdruck.
 Ungeachtet der kritischen Positionen zu Zuweisungen müssen die Städte fürchten, dass der Bund sie mit neuen Aufgaben belastet, ohne dafür den adäquaten Mehrbelastungsausgleich bereitzustellen (Verletzung des Konnexitätsprinzips).
 Die Bundesebene schafft keine Voraussetzungen, um sich selbst finanziell adäquat mit Erträgen, vor allem Steuererträgen, dafür zu rüsten, die selbst gesteckten großen Transformationsaufgaben zu lösen. Diese Art der finanziellen Selbstbeschränkung lässt befürchten, dass der Bund keine allgemeinen freien Mittel zur Verfügung hat, um die Finanzausstattung der Kommunen zu stärken.
 Statt freier Mittel des Bundes müssen die Städte damit rechnen, dass der Bund für sie allenfalls Zuweisungen für einzelne Maßnahmen und Projekte vorsieht, beispielsweise für die Renaturierung versiegelter Böden oder die Digitalisierung von Schulen. Statt die kommunale Selbstverantwortung zu stärken, führt diese einzelfallbezogene Finanzierung die Städte an der Leine bundespolitischer Zielvorgaben und schafft zudem eine kaum zu bewältigender Dichte an Bürokratie.
 Die einzige Absicht der Ampel für eine allgemeine Finanzhilfe ist in ihrer beabsichtigten, in der vergangenen Legislaturperiode noch gescheiterten, Altschuldenhilfe zu finden. Die hessischen Kommunen müssen diese Hilfe kritisch sehen. Sie kommt den Kommunen in NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zugute, während die hessischen Kommunen leer auszugehen drohen. Sie haben sich mit teilweiser finanzieller Unterstützung des Landes via HESSENKASSE selbst von ihren Liquidationslasten befreit. Sie würden nicht akzeptieren, wenn es seitens des Bundes hieße: „Wer sich selbst hilft, ist der Dumme.“

Landesebene

 Der Vorwurf an die Bundes-Ampel, sie erzeuge Erwartungsdruck gegenüber den Städten auf für die Zukunft wichtigen Aufgabenfeldern, gilt auch für die Landespolitik. Zu befürchten ist, dass das Land die Erfüllung neuer Aufgaben erwartet, die Ausstattung mit eigenem Landesgeld aber nicht gleichermaßen leistet.
 Für die hessischen Kommunen bestehen ferner Risikofelder in außergewöhnlicher Dimension: Es drohen weit überdurchschnittliche Finanzierungen auf den Gebieten Betreuung, insbesondere in den Tageseinrichtungen für Kinder, beim Landeswohlfahrtsverband Hessen, im Öffentlichen Personen-Nahverkehr und den Krankenhäusern.
 Die Landeskoalition zeigt keinen Weg, in den kommenden Jahren für neue kommunale Aufgaben und zur Beseitigung der Risikofelder die kommunale Finanzausstattung zu verbessern. Zwar hat das Land den Kommunalen Finanzausgleich angesichts der negativen Einflüsse der Corona-Pandemie dankenswert finanziell stabilisiert. Für neue Aufgaben und zur Beseitigung der genannten Risikofelder gibt die Landeskoalition für die Zeit am Ende und nach der Corona-Zeit weder Perspektiven noch eindeutige Zusagen.
 Die mehrfach angekündigte Evaluation des Kommunalen Finanzausgleichs hat das Land trotz verschiedener Anläufe 2021 nicht gestartet. Jetzt muss man sich angesichts der näher gerückten Landtagswahl im Herbst 2023 fragen: Will die Landesregierung in dieser immer kürzer werdenden Zeitspanne den Kommunalen Finanzausgleich überhaupt noch evaluieren und anpassen?
 Die Landesregierung hat vor dem Staatsgerichtshof zwar wegen der Verwendung ihres Sondervermögens verloren. Der Staatsgerichtshof hat aber zudem durch seine Interpretation der Schuldenbremse der Landespolitik ein enges Korsett mit Blick auf künftige Schulden angelegt.
 Im schlimmsten Fall würde der Landesregierung am Ende ihre Niederlage vor dem Staatsgerichtshof noch als Rechtfertigung dafür dienen, den Kommunen finanziell nicht helfen zu können.

Umlagefinanzierte Körperschaften

 Der Landeswohlfahrtsverband steigert seine jährliche Umlage auf nicht abzusehende Zeit um eine hessendurchschnittlichen hohe einstellige Steigerungsrate, die sich deutlich über der Rate allgemeiner Kostensteigerung, selbst deutlich über der aktuell empor geschnellten Inflationsrate, bewegt.
 Die Landkreise setzen trotz Aufforderung der Aufsicht keine Zeichen, den Anstieg des Umlageaufkommens bei Kreis- und Schulumlage mittels Hebesatzsenkungen zu bremsen.

Der Hessische Städtetag appelliert dringend

 an die 21 hessischen Landkreise, angesichts ihrer guten Liquiditätslage und durchschnittlich kräftiger Erhöhung der Kreisumlagegrundlagen die jeweilige Kreis- und Schulumlage abzusenken.
 an die Finanzaufsicht, die Landkreise darin zu überwachen, dass diese ihr im Finanzplanungserlass erläutertes Reservepotential nutzen, um die kreisangehörigen Städte und Gemeinden nicht noch stärker unter Druck zu setzen.

Im Finanzplanungserlass 2022 ermahnt die Finanzaufsicht beim HMdIS die Landkreise dringend, ihr vorhandenes Reservepotential zu nutzen, um die kreisangehörigen Städte und Gemeinden nicht noch stärker unter Druck zu setzen. Die Finanzaufsicht hat zu Recht festgestellt, dass die Finanzlage der Landkreise gut ist, sie insbesondere noch über erhebliche Finanzreserven aus den finanziell guten zehner Jahren verfügen. Die Kreis- und Schulumlagegrundlagen wachsen im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahr 2021 kräftig um 3,65 Prozent an. Das bedeutet, dass sich das Aufkommen der Kreis- und Schulumlage landesweit „automatisch“ um diesen Prozentansatz nach oben bewegt, selbst wenn die Landkreise den Hebesatz stabil ohne jede Veränderung fortschreiben.

4. Fachkräfteoffensive jetzt anpacken

Im Jahr 2022 wollen die Städte mit Nachdruck die Fachkräftesicherung angehen. In vier Bereichen sehen die Städte erheblichen Handlungsbereich.

Berufsorientierung heißt erst einmal die Ausrichtung der Curricula auf die heutigen Anforderungen, Bedarfe und Erwartungen der Arbeitswelt. Jungen Menschen darf der Zugang zu jedwedem Beruf nicht unmöglich gemacht werden. Um aber zwischen Berufsfeldern akademischer oder dualer Berufsausbildungsmöglichkeiten zu wählen, bedarf es eines umfassenden Blickes auf alle Berufe und ihre Chancen. Die Abstimmung von Berufsorientierungs- und Praktikumsphasen zwischen allen Beteiligten muss weiter optimiert werden. Nicht nur die Erhöhung von Ausbildungs- und Arbeitsvergütungen sowie Aufstiegschancen sind in den Blick zu nehmen. In gleicher Weise sind auch die Arbeitsplatzbedingungen, das Umfeld, die Fortbildungsmöglichkeiten sowie die Vereinbarung von Beruf mit der Familie wichtig. Im Rahmen der Wirtschaftsförderung und der Infrastruktur in den Städten – siehe TOP 2 – wollen die Städte auch mit der Stadtentwicklung die Standortfaktoren für Arbeitsplätze und Wohnungen erheblich verbessern. Im Jahr 2022 streben die Städte an, mit allen Beteiligten – unter Beteiligung der Wissenschaft – den Bau, die Unterhaltung und den Betrieb von Altenpflegeeinrichtungen wieder auf einen gemeinsam von allen mit getragenen Empfehlungen zu stellen. Damit wird der Blick auf die Pflegeeinrichtung 2030 eröffnet. Zur Ausbildung der Erzieher in Tageseinrichtungen für Kinder hat der Hessische Städtetag bereits Vorschläge unterbreitet. Diese wurden – gemeinsam mit den Kirchen – 2019 aktualisiert und erneut dem Land vorgestellt. Aus Sicht des Hessischen Städtetages ist hier insbesondere das Hessische Kultusministerium am Zuge, das konsequent nicht handelt oder – auch in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften – erfolgreich Innovation und Veränderungen verhindert. Im Frühjahr wollen die Städte diese Vorschläge mit den anderen Kommunalen Spitzenverbänden und den Kirchen nochmals einbringen und dann auch durchsetzen. Es muss jetzt gehandelt werden. Dazu sind folgende Maßnahmen aufgerufen:

Interesse an Berufen in Tageseinrichtungen für Kinder steigern

Eine rege Beteiligung der allgemeinbildenden Schulen an der beruflichen Orientierung der jungen Menschen ist dringend erforderlich. Dazu sind die Curricula zu den Themen berufliche Orientierung und Praktika entsprechend anzupassen. Die Berufsorientierung und Praxiserfahrungen während und nach der Fachschulausbildung müssen fortentwickelt und besser mit- und aufeinander abgestimmt werden. Das Berufsfeld Tageseinrichtungen für Kinder ist von allen Beteiligten (Land, Kommunen, Kirchen, Agentur für Arbeit etc.) bei allen denkbar möglichen Gelegenheiten zentral zu platzieren. Auf Zugangs-, Förder- und Entwicklungsmöglichkeiten soll dabei stärker hingewiesen werden. Träger, Fachschulen, Jobcenter, Jugendhilfeträger und Kita-Träger müssen hierzu ihre Zusammenarbeit intensivieren.

Vergütete Ausbildung sicherstellen / Ausbildungsort KiTa anerkennen

Die duale Ausbildung und das duale Studium müssen weiter ausgebaut und inhaltlich reformiert sowie Ausbildungsplätze erhöht werden. Die Ausbildung sowie das Studium und die Praxis müssen besser verzahnt werden. Die Curricula sind entsprechend anzupassen. Mitarbeitende aus der Praxis sind stärker in die Lehre einzubinden. Die Träger bekennen sich zu einer Vergütung während der Ausbildung und sehen die Tageseinrichtung für Kinder als wesentlichen Ausbildungsort. Außerdem sollte die Möglichkeit einer Stipendienvergabe geprüft werden.

Fachkarrieren vorsehen

Die Tarifpartner sind gefordert, Aufstiegsmöglichkeiten im Sinne von Fachkarrieren von
Erzieher*innen nach entsprechender Qualifizierung und Fortbildung sowie für bestimmte
Funktionen vorzusehen.

Anschlussfähigkeit der Ausbildung ermöglichen

Auf die Durchlässigkeit von Aus- und Weiterbildungen ist zu achten. Mit der Qualifizierung
muss den Absolventen auch die Möglichkeit zustehen, ihren Abschluss auf Abschlüsse mit Fachkraftstatus anrechnen zu lassen (z. B. Anschlussfähigkeit der Qualifizierung und
Eignungsprüfung Kindertagespflege ➔ Fachkraft).

Ausländische Qualifikationsabschlüsse schneller anerkennen

Die Anerkennungs- und Gleichstellungsverfahren ausländischer Qualifikationsabschlüsse müssen beschleunigt und entbürokratisiert, das Ausmaß der geforderten Praxiszeiten überdacht werden.

Attraktives Arbeitsfeld sicherstelle

Wir regen an, z. B. über folgende zusätzliche Maßnahmen und Leistungen für Erzieher*innen sowie für einen attraktiven Arbeitsplatz nachzudenken:
 familienfreundliche Arbeitsplätze (flexible Jahresarbeitszeiten, Betreuungsplatz für Kinder von Mitarbeitenden, ortsnaher Arbeitsplatz, Arbeitsumfang,
Rückkehrbedingungen nach der Elternzeit, Arbeitsbedingungen etc.),
 Entlastung des pädagogischen Personals von fachfremden Tätigkeiten,
 attraktive Mobilität (z. B. eBike, ÖPNV-Ticket),
 qualifizierte Einarbeitung (z. B. Einarbeitungskonzept mit integriertem Mentoring durch
erfahrene Kolleg*innen),
 Nutzung von Vergünstigungen durch Rahmenverträge (z. B. Einkaufsplattform,
Versicherungen etc.),
 Suche nach bezahlbarem Wohnraum unterstützen (z. B. Betriebswohnungen oder
Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften).

Gesundes und sicheres Arbeiten ausbauen

Wir bekennen uns zu einem gesunden und sicheren Arbeiten in Tageseinrichtungen für Kinder durch Präventionsmaßnahmen und Gesundheitsmanagement.

5. Struktur und Finanzierung der Krankenhäuser

Der Hessische Städtetag fordert das Land auf, die seit Jahren bestehenden Finanzierungsdefizite auszugleichen. Zugleich fordert der Hessische Städtetag mit Nachdruck eine Krankenhauskonferenz im Lande Hessen als Startpunkt für eine umfassende Krankenhausentwicklungsplanung. Die Gesundheitsstrukturen in Hessen müssen optimiert, die Zusammenarbeit fortentwickelt und die Infrastruktur den aktuellen Bedarfen angepasst werden.

Finanzierung

Schon lange finanzieren alle Kommunen über Umlagen einen erheblichen Teil der Krankenhausinvestitionen mit. Darüber hinaus steuern Kommunen, die selbst Krankenhausträger sind, über den Defizitausgleich erhebliche Mittel bei, um das kommunale Krankenhaus mit seinem umfassenden Leistungsangebot für alle Fälle und Notfälle am Netz zu halten. Damit finanzieren die Kommunen das bestehende Defizit, weil einerseits die Länder ihrer Investitionsverpflichtung nicht nachkommen und andererseits keine vollumfängliche Refinanzierung der dringend erforderlichen Leistungen durch das ausschließlich auf Leistungsmengen ausgerichtete bundeseinheitliche Vergütungssystem gewährleistet wird. Die mit der Novelle des hessischen Krankenhausgesetzes verbundene Ausdehnung der Gewährleistung der Krankenhausversorgung auf Sonderstatusstädte, in denen ein Krankenhaus betrieben wird, ist im Hinblick auf beihilfe-, vergabe- und EU-rechtliche Vorgaben sinnvoll, um eine Gleichstellung zu anderen kommunalen Trägern sowie die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber privaten oder freigemeinnützigen Trägern zu erreichen. Gleichwohl halten wir fest, dass die Delegation des Sicherstellungsauftrags an die kreisfreien Städte und nun auch Sonderstatusstädte höchstens eine Zwischenlösung sein darf. Denn die grundsätzliche Kritik des Hessischen Städtetags bleibt bestehen: anders als andere Länder belastet der hessische Gesetzgeber seine Kommunen mit der Delegation des Sicherstellungsauftrags für die Krankenhäuser und somit der Finanzierung der Krankenhausinvestitionen. Dabei bleibt festzuhalten, dass die Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung eines Krankenhauses durch dessen Träger ein Symptom einer unzureichenden Krankenhausfinanzierung ist. Dies gilt sowohl im Bereich der Investitionen mit Zuständigkeit des Landes als auch bei den Vergütungen durch die Krankenkassen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten im Rahmen des bundesweiten Entgeltsystems. Beide Finanzierungsanteile müssen derart ausgestaltet sein, dass ein Krankenhaus unabhängig von der Größe und ohne Notwendigkeit einer ständigen Leistungsausweitung auskömmlich finanziert ist. Dies ist aktuell aber nicht der Fall. Einerseits zwingen fehlende Investitionsmittel die Krankenhäuser dazu, betriebliche Erlöse für notwendige Investitionen zu verwenden. Andererseits brechen gerade in der aktuellen Situation die Erlöse ein, da die zugrundeliegenden Leistungen aufgrund der Pandemie nicht mehr im gleichen Umfang erbracht werden können und zudem einer Leistungsausweitung auch ohne Pandemie Grenzen gesetzt sind. Zusätzlicher finanzieller Druck entsteht auch durch das Einsparverhalten der Krankenkassen. Die zusätzliche Finanzierung der Krankenhäuser durch die Träger – bei Städten und Landkreisen mithin durch die Steuerzahler – kann keine Lösung sein, sondern stützt allein die Mängel der regulären Finanzierung.

Strukturen

Auch wird perspektivisch zu prüfen sein, ob die verhältnismäßig kleinteilige Sicherstellung der Krankenhausversorgung durch Städte und Landkreise der heutigen Versorgungssituation und -notwendigkeit noch gerecht wird. In der aktuellen Debatte um die Krankenhausstrukturen wird eine abgestimmte und abgestufte Versorgung gefordert. Einzelne Städte und Landkreise können nicht alleine die gesamte medizinische Versorgung ihrer Bürger gewährleisten. Vielmehr ist die Erforderlichkeit einer überregionalen Abstimmung des jeweils geeigneten Leistungsspektrums und für bestimmte Leistungen eine abgestufte Zentralisierung zu prüfen. Bei einer bedarfsorientierten Krankenhausstruktur muss dabei auch die vorherrschende Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung auf den Prüfstand gestellt werden. Krankenhäuser sollten die Möglichkeit erhalten, weit gefächert ambulante Operationen und stationsersetzende Maßnahmen durchzuführen und mit niedergelassenen Ärzten kooperativ zusammenzuarbeiten. Gerade im ländlichen Bereich kann die Zukunft von Krankenhäusern in einer institutionalisierten Leistungserbringung innerhalb der ambulanten Versorgung gesehen werden. Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung als auch die bedarfsgerechte Patientensteuerung könnte durch eine Versorgung ohne Sektorengrenzen möglich sein.