Sportler blicken auf 2025 zurück - Philipp Stuckhardt: Wie er es schaffte, sich in die Saison hinein zu arbeiten

Stuckhardt2
Philipp Stuckhardt Foto: privat

Sport ist nicht dazu da, sich nur in Erfolgen zu sonnen. Sich auf die Schenkel zu klopfen und hochzuspringen vor Freude. Gerade in Deutschland und der heutigen Gesellschaft stehen diese Kennzeichen bei vielen in der öffentlichen Wahrnehmung an erster Stelle. Das Sportjahr des Bergläufers internationalen Spitzenformats, Philipp Stuckhardt - das verlief etwas anders. Es war ebenso bewegt wie bewegend. Einige Infekte bremsten ihn aus, ehe er in der zweiten Saisonhälfte zu seiner Form fand und sich doch noch einige Erfolge ans Revers heften konnte. Doch lesen Sie seine Geschichte selbst. Eine Geschichte, in der er sich in die Saison reinarbeitete - und es ihm gelang, sich durch sie durchzuarbeiten.

Deshalb macht es auch Sinn, die Story von vorn zu erzählen. Für Sportler, die international oder gar in der Weltspitze unterwegs sind, eine sensible Geschichte. „Schon der Winter verlief schleppend“, sagt Philipp Stuckhardt, „mit zwei Infektionen. Die dritte im Mai hat mir dann die Planung versaut“, fügt der 33-Jährige hinzu. Das machte etwas mit ihm. Er musste diese Dinge, dass ihn sein Körper lahmlegte und er nicht trainieren konnte, in Kauf nehmen. Bitter ist das für einen Spitzensportler. „Ein ganz schlechter Zeitpunkt“, blickt Stuckhardt zurück. Er musste abreißen lassen. Pausieren. Er bekam Fieber. Der Puls war nicht in Ordnung. „Eine richtige Grippe, die locker zwei Wochen dauerte. Ich war richtig krank.“ Und das hatte Folgen. In seinem Fall war das nicht anders. Philipp musste länger zurückstecken.

Im März konnte er nicht laufen. Einige Läufe musste er streichen, die in seiner Planung vorgesehen waren. Etwa jenen im Pitztal, der im August vorgesehen war - aber einfach nicht mehr reinpasste. Philipp Stuckhardt machte eine wertvolle Erfahrung im Leben eines Spitzensportlers: Er musste sich in die Saison reinarbeiten. Dass dies mit viel Disziplin und, wie es das Etikett mit sich bringt, Arbeit verbunden war - viel Kopfsache und Mentalität beinhaltete, das war ihm eigentlich bewusst. Doch die Tage des Wettkampfes kommen ja erst - sie tauchen dich richtig hinein in die Wirklichkeit und halten dir den Spiegel vor.

14. Juni: Zugspitz Trail - „der erste Lauf, der richtig wehgetan hat“, empfand der Kohlhäuser in Bad Hersfelds Nähe. Irgendwie spürte er, noch in der Grippe-Periode zu sein, „ich war einfach noch nicht fit“. Und es war heiß an diesem Tag. Philipp mag dieses Wetter eigentlich, doch an diesem Tag musste er, als er ins Ziel gekommen war, im Schatten sitzen. Positive Botschaft aber: „Ich habe mich durchgekämpft“. Er nahm für sich mit, sich der Konkurrenz gestellt zu haben. Er lief „trocken“ durch. Eine gute Sache. „Mir ging es darum, den Lauf als Reiz zu sehen“, formuliert er heute, „wenn ich mental nicht bereit gewesen wäre, hätte ich mich der Konkurrenz nicht gestellt“. Eine erste Prüfung nach seinem Infekt-Inferno. Eine erste Hürde hatte er überwunden. Eine Art „Wegweiser“ war der Zugspitz-Lauf. „Mental kann man unheimlich viel wettmachen. Körperlich wird es schwierig“ - auch das war bei Philipp Stuckhardt angekommen. Und noch etwas. „Dass es so eine harte Nuss werden würde, das hatte ich nicht erwartet“. Die Form wieder zu erlangen. Der Eintritt in die Saison.

Der nächste Lauf holte ihn bereits eine Woche später ab. Das nächste harte Erlebnis. Der Tschirgant Trail im österreichischen Imst in Tirol. Stuckhardts Antrieb: Natürlich wollte er es besser machen. Und es lief auch besser. Er wurde Zweiter - aber er merkte es offensichtlich: die Form war noch nicht da. Und dieses bittere körperliche Gefühl bewahrheitete sich schon eine Woche später: bei der Deutschen Meisterschaft am 29. Juni am Nebelhorn in Oberstdorf. 1.400 Höhenmeter auf sieben oder acht Kilometer, der Lauf gilt als der schwierigste und härteste in Deutschland - wesentlich härter als der Zugspitz Trail zuvor. Gleichzeitig zählt er aber auch zu den herrlichsten Bergläufen nicht nur in Deutschland, in den Alpen überhaupt. Und Philipp Stuckhardt bekam die Anforderungen aufs Brot geschmiert. „Dieser Lauf hat mich ausgepfeffert“, sagt er noch heute; so, als sei es gestern gewesen. „Ich war kurz davor, auszusteigen; ein Gedanke, der ihm sonst nicht in den Sinn kommt. „Jeder hat mich überholt“, ging er mit sich und der quälenden Gewissheit, noch nicht in Form zu sein, ins Gericht. Sprach er zuvor von einer „harten Nummer“, war dies eine ganz harte. Im Jahr zuvor war er Dritter am Nebelhorn. Philipp Stuckhardt verstand die Welt nicht mehr. Er wurde durchgereicht,bis an die 40 oder 50. Er überlegte kurz und sagte sich: „Ich war einfach schlecht drauf. War‘s das schon mit meiner Karriere?“ Er stellte vieles infrage. Weil er nicht leistungsfähig war. In diesem Moment bereute er auch, überhaupt angetreten zu sein am Nebelhorn.

Bei all dem darf man nicht vergessen: Der Laufsport hat sich sowohl in Deutschland als auch international enorm entwickelt - sowohl in der Breite als auch der Spitze. Gerade in Deutschland gibt es viele Läufer, die nach vorne drängen. Auch für Philipp Stuckhardt ging es weiter. Einige Kapitel seiner Erfolgsgeschichte würden gewiss noch angefügt. Und ab jetzt, der zweiten Jahreshälfte, drehte sich sein Rad zum Positiven. Zunächst nahm er am Eiger Trail in Grindelwald in der Schweiz teil. Nicht umsonst trägt er während unseres Gesprächs den Hoodie, der diese Veranstaltung schmückt. Den dritten Platz belegte er, und bescheiden urteilt er: „Es lief wieder ein bisschen besser.“ Und er spürte: „Da geht noch was.“

Ehe kurz darauf „sein Lauf“ kam. Das heißt auch, der seines Sponsors: der Madisa Trail seines Ausrüsters LOWA. Am 9. August war das. „Es lief sehr gut“, fand er seine Bestimmung, „meine Form kommt. Sie kommt“. Dieses Gefühl glich einer Erlösung. Er hatte Weg und Zeitpunkt zu seiner alten und bekannten Verfassung nicht bestimmen können. Er musste sich in seine Aufgaben reinbeißen. Die Dinge, die er mit sich schleppte, akzeptieren - um sich die positiven Momente, die irgendwann kommen würden, erarbeiten. Er wusste auch, dass die Form nicht einfach vom Himmel oder vom Baum fallen würde - er musste einiges dafür tun. „Ich hätte das Ding auch gewonnen, wenn ich nicht falsch abgebogen wäre. Das war schon bitter“, sagte er später. Dennoch „hab‘ ich mich nicht so stark geärgert, weil ich wusste: die Form ist wieder da. Und ich hätte ja auch gewinnen können.“ Für Philipp Stuckhardt war dieser Lauf und dieser Tag ein Wendepunkt. Ein Wendepunkt im Jahr. In der Saison. Vielleicht größer und mehr wert als jeder Sieg.

Nachdem er Ende August noch an seiner „alten Liebe“ schnupperte und sich auf der Bahn Wettkampfpraxis über 5.000 Meter geholt hatte, führte ihn seine Zeitreise durchs Jahr endgültig in heimische Gefilde. Einige Läufe und Etappen seines Kalenderjahres standen noch an und Nord- und Osthessen. Zunächst die Hessischen Berglauf-Meisterschaften am Hohen Meißner. Natürlich wurde Philipp Erster und Hessenmeister. Es lief richtig gut jetzt. Er lief die schnellste Zeit und hätte fast den Streckenrekord gebrochen. Eine Woche darauf - am 14. September - beschenkte er Osthessen mit der Teilnahme am HochRhön BergTrail. Er landete einen Start-Ziel-Sieg auf der schönen und langen Strecke, die auf dem Hilderser Sportplatz begann. Und die Benedikt Beck zu einer Art Institution machte. Ebenfalls noch im September, am 27. des Monats, gewann der Kohlhäuser den Herkules-Berglauf in Kassel. Am 4. Oktober wurde Philipp Stuckhardt Hessenmeister beim Lauf um den Nidda-Stausee in Schotten.

Ehe seine „echte Liebe“ anklopfte. Die vor der Haustür gewissermaßen: der Lollslauf in Bad Hersfeld. Der veranstaltende SC Neuenstein hatte Stuckhardt auserkoren, den Schaufenster-Wettbewerb der Kreisstadt, dessen Austragung lange nicht sicher war und bis einige Wochen zuvor auf der Kippe gestanden hatte, aufzupolieren. Der Kohlhäuser lief beide in diesem Jahr wertvollen Strecken - die über fünf und zehn Kilometer. Philipp Stuckhardt gewann beide, auch wenn es sehr eng war und auch sehr eng zuging. Ein Schimmer der Hoffnung lief auch mit: Im nächsten Jahr soll es wieder den Halbmarathon geben. „Es war ein sehr bewegtes Jahr. Am Ende konnte ich noch Erfolge einfahren und die Saison gut beenden“, sagte Philipp. Er hatte es geschafft, sich in die Saison hineinzuarbeiten. Es war auch seine Saison. +++ rl


Popup-Fenster

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*