Spahn will Pflege-TÜV abschaffen

Berlin. Dem umstrittenen Pflege-TÜV droht das Aus: In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ plädierte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn dafür, das Notensystem für die Pflegeheime wieder abzuschaffen. Ergebnis und bürokratischer Aufwand passten nicht zusammen, sagte er. „So, wie das heute läuft, ist es einfach nur ein Desaster.“ Das System der Pflegenoten habe „bei maximalem Aufwand und Ärger nichts, aber auch gar nichts gebracht“. Wenn etwas nach so vielen Jahren nicht funktioniere, „dann sollten wir es einfach einmal streichen“, sagte Spahn, der auch dem CDU-Präsidium angehört.

Der Pflege-TÜV wurde eingeführt, um Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen die Wahl eines Heims oder ambulanten Pflegedienstes zu erleichtern. Durch ihn sollen sie die Qualität der Einrichtung beurteilen können. Dazu wird aus einer Überprüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) eine Gesamtnote gebildet. Bei den Heimen kontrolliert der MDK etwa 60 verschiedene Punkte und bewertet sie in unterschiedlicher Gewichtung. Kritiker führen an, dass die Heime in diesem System zu leicht eine schlechte Bewertung bei der eigentlichen Pflege durch gutes Abschneiden beim Speiseplan oder den Freizeiteinrichtungen wettmachen könnten. Die damit verbundene Bürokratie binde zudem ein Übermaß an Kräften. Spahn schließt sich nun diesem Urteil an. „Der enorme bürokratische Aufwand ist bei den Pflegekräften zu Recht verhasst“, sagte er. Sie müssten jeden Tag sehr viel an Dokumentation ausfüllen und nachweisen, um damit ein „unbrauchbares Nonsens-Ergebnis“ zu erreichen.

So habe fast jede Einrichtung die Note eins, was Spahn für unrealistisch hält: „Es glaubt doch kein Mensch, dass die Heime in Deutschland alle gleich gut sind.“ Erst kürzlich habe in Bonn eine Einrichtung wegen eklatanter Mängel schließen müssen, die laut Pflege-TÜV die Note eins gehabt habe. Die Schuld trägt nach Spahns Worten die sogenannte Selbstverwaltung im Bereich der Pflege. Die Verbände der Pflegeeinrichtungen und die Kassen hätten den Auftrag gehabt, sich auf ein Konzept zu verständigen, das beide Seiten akzeptieren könnten. Das sei nicht gelungen. Die Noten seien vielmehr ein klassisches Beispiel für das Versagen der Interessengruppen, die im Gesundheitswesen mit der Umsetzung von politischen Vorgaben beauftragt würden. Spahn schlug vor, künftig zwar auf die Pflegenoten zu verzichten, die regelmäßige Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) aber beizubehalten. „Der MDK kontrolliert die Heime ja weiterhin.“ Vielleicht müsse man dann einfach die Prüfungsberichte in verständlicher Form veröffentlichen. Die erste Stufe der von der Koalition geplanten Pflegereform ist Anfang des Jahres in Kraft getreten. Spahns Parteifreund, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, arbeitet derzeit die zweite Stufe aus. Ziel ist es, Menschen mit geistigen Erkrankungen wie zum Beispiel Demenz künftig genauso zu behandeln wie Pflegebedürftige mit körperlichen Gebrechen. Die Reform soll noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. +++ fuldainfo