Seehofer sieht in hohen Mieten „die soziale Frage unserer Zeit“

Grünen-Chef Habeck für Enteignungen von Wohnungen

Horst Seehofer (CSU)
Horst Seehofer (CSU)

Der für die Bautätigkeit zuständige Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Wohnungsnot zu einem zentralen Problem in Deutschland erklärt. „Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit“, sagte Seehofer zu „Bild am Sonntag“. „Trotz einer beachtlichen Steigerung der Bautätigkeit bleibt die Wohnungsmarktsituation in den wirtschaftsstarken Regionen deutlich angespannt.“ Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbunds, warnt in „Bild am Sonntag“: „Bei weiter steigenden Mieten steht der soziale Frieden in Deutschland auf dem Spiel.“ Die Bundesregierung habe seit März 2018 mit zahlreichen Maßnahmen gegengesteuert, so Seehofer.

„Wir stellen in dieser Legislaturperiode allein für den sozialen Wohnungsbau, das Baukindergeld, das Wohngeld und die Städtebauförderung über 13 Milliarden Euro zur Verfügung. Den Erfolg dieser Maßnahmen werden wir in den nächsten Jahren spüren.“ Am Samstag sind in Berlin Zehntausende gegen zu hohe Mieten auf d ie Straße gegangen, viele fordern eine Enteignung großer Mietkonzerne. Diese Forderung ist in Deutschland konsensfähig: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für „Bild am Sonntag“ sind 46 Prozent der Bundesbürger dafür, dass große Immobilienunternehmen enteignet werden sollen, wenn sie zu hohe Mieten verlangen. 40 Prozent sind dagegen. Im Osten sind sogar 64 Prozent für Enteignungen, nur 36 Prozent dagegen, im Westen 42 Prozent dafür, 41 Prozent dagegen.

Studie: Leben in eigener Immobilie 33 Prozent günstiger

In einer gekauften Immobilie zu wohnen, ist im Schnitt 33 Prozent günstiger als in einer gemieteten. Berichtet die „BamS“ unter Berufung auf eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft für den Verband der Sparda-Banken weiter. So kostet eine Wohnung in Berlin für 8,27 Euro pro Quadratmeter Miete gekauft nur 5,46 Euro pro Quadratmeter an Baukredit, Grunderwerbssteuer und Instandhaltung (34 Prozent Kostenvorteil). In Hamburg liegt der Kostenvorteil bei 39 Prozent, in Stuttgart bei 29, in Regensburg bei 15 Prozent. Eine Reduzierung der Nebenkosten beim Immobilienkauf fordert der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Sparda-Banken, Florian Rentsch in „Bild am Sonntag“. „Die Politik muss den Wunsch der Menschen nach den eigenen vier Wänden unterstützen, dass sich vor allem junge Familien Wohneigentum leisten können“, so Rentsch. „Die Unterschiede bei der Grunderwerbssteuer – in Bayern etwa zahlt man halb so viel wie in Hessen – sind schlicht u ngerecht. Die Steuer gehört komplett abgeschafft. Zumindest beim Kauf der ersten selbstbewohnten Immobilie sollte es einen Freibetrag geben.“ Nach einer Studie des Allensbach-Instituts würden 31 Prozent der Mieter bis 50 Jahre gerne Wohneigentum erwerben. Laut Zeitung steigt ihre Bereitschaft für bessere Preise zu pendeln. 78 Prozent der Hauseigentümer würden bis zu 30 Kilometer zur Arbeit fahren. Vor zwei Jahren waren es nur 67 Prozent.

Grünen-Chef Habeck für Enteignungen von Wohnungen

Angesichts der Wohnungsnot fordert der Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, der Staat solle selbst mehr Wohnungen besitzen, damit das Recht auf Wohnen eingelöst werden könne. Der „Welt am Sonntag“ sagte Habeck: „Olaf Scholz sollte morgen anordnen, dass alle Grundstücke der Bundesimmobiliengesellschaft an die Kommunen abgegeben werden, wenn diese sich verpflichten, darauf Sozialwohnungen zu errichten. Zu Preisen, die die Kommunen zahlen können.“ Auch müssten dringend Schritte gegen Leerstand in Städten ergriffen werden. Habeck empfahl, sich die Politik seines Parteifreundes und Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer zum Vorbild zu nehmen. „Palmer geht die Bodenspekulation an. Er will, dass brachliegende Grundstücke in den nächsten Jahren bebaut werden – und setzt dafür auf ein Baugebot aus dem Baurecht.“ Wenn diese Maßnahmen keinen Erfolg zeigten, „muss notfalls die Enteignung folgen“. „Das Grundgesetz sieht solche Enteignungen zum Allgemeinwohl ausdrücklich vor. Es wäre doch absurd, wenn wir das nur anwenden, um neue Autobahnen zu bauen, aber nicht, um gegen die grassierende Wohnungsnot vorzugehen“, sagte Habeck der „Welt am Sonntag“.

Auch Kipping will Enteignungen und Beschlagnahmungen

Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, will Immobilienkonzerne nicht nur enteignen, sondern setzt im Zweifel auch auf Beschlagnahmungen. Das kündigte sie laut eines Berichts des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ bei einer Parteivorstandssitzung am Samstag in Berlin an. Mit Blick auf die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ und entsprechende bundesweite Demonstrationen am Samstag sagte Kipping nach Angaben von Teilnehmern, um der Enteignung der arbeitenden Bevölkerung entgegenzutreten, „stellen wir die Eigentumsfrage, indem wir die Enteignung von Konzernen wie Vonovia und Deutsche Wohnen sowie im Zweifelsfall auch Beschlagnahmungen fordern“. Zudem forderte sie, die Eigentumsfrage mit der Machtfrage zu verbinden. Dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ zufolge sagte Kipping: „Wenn eine Linke in die Regierung geht, ob in einem Bundesland oder irgendwann mal im Bund, dann greifen wir das goldene Kalb des Neoliberalismus an: Die Spekulationen mit Wohnraum, mit Boden und mit der Daseinsvorsorge.“ Und sie fügte hinzu: „Wer mit Eigentum nur Rendite schinden will, muss dafür bezahlen. Wer Mieterinnen und Mieter auspresst, der wird in die Schranken verwiesen. Wir gehen ans Eingemachte.“ +++